Details zum nachträglichen Schuldzinsenabzug bei wesentlichen Beteiligungen
Mit Verfügung vom 1.3.2012 umreißt die OFD Magdeburg die BFH-Rechtsprechung zum Abzug von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten und äußert sich zur Veranlagungsoption bei unternehmerischen Beteiligungen, zur Einkunftszuordnung und zum Schuldzinsenabzug bei einem Anteilstausch.
Entwicklung der BFH-Rechtsprechung
Bislang ging die BFH-Rechtsprechung davon aus, dass nachträgliche Schuldzinsen in Zusammenhang mit wesentlichen Beteiligungen i. S. d. § 17 EStG nicht als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden dürfen.
Hinweis: Die Rechtsprechung verwies auf den Zusammenhang der Zinsen zur nicht steuerbaren Vermögensebene, obwohl Wertsteigerungen aus einer wesentlichen Beteiligung nach § 17 Abs. 1 EStG der Besteuerung unterzogen wurden.
Mit Urteil vom 16.3.2010 (VIII R 20/08, BStBl 2010 II S. 787) hat der BFH seine Rechtsauffassung geändert und entschieden, dass nachträgliche Schuldzinsen in Zusammenhang mit einer wesentlichen Kapitalbeteiligung ab 1999 als nachträgliche Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften abgezogen werden können. Voraussetzung für den Abzug ist allerdings, dass die Zinsaufwendungen nicht aus Verbindlichkeiten resultieren, die durch den Veräußerungs- oder Liquidationserlös hätten getilgt werden können. Positiv formuliert: Ein Schuldzinsenabzug besteht für die Verbindlichkeiten, die den Veräußerung- bzw. Liquidationserlös übersteigen.
Hinweis: Nach Ansicht des BFH ist es nicht mehr gerechtfertigt, die Schuldzinsen rechtlich der nicht steuerbaren Vermögensebene zuzuweisen. Denn der Gesetzgeber hat die Grenze für die Steuerpflicht von Veräußerungsgewinnen aus wesentlichen Kapitalbeteiligungen schrittweise herabgesetzt: Ab 1999 wurde die maßgebliche Beteiligungsschwelle des § 17 EStG zunächst von 25 auf 10 % abgesenkt, ab 2001 dann auf nur noch 1 %. Wegen dieser schrittweise ausgeweiteten Besteuerung müssen nachträgliche Schuldzinsen nun nach Auffassung des BFH als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar sein (unter den gleichen Voraussetzungen wie nachträgliche Betriebsausgaben).
Die OFD Magdeburg weist darauf hin, dass in diesem Zusammenhang das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren (§ 3c Abs. 2 EStG) zu beachten ist.
Hinweis: Die positiven Signale aus der Rechtsprechung wurden durch die Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 teilweise absorbiert, da der Gesetzgeber den Abzug von tatsächlichen Werbungskosten bei Kapitaleinkünften seitdem grundsätzlich ausgeschlossen hat. Sämtlicher Aufwand ist ab 2009 mit dem Sparer-Pauschbetrag abgegolten.
Die OFD weist darauf hin, dass ein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten seit 2009 allerdings über die sog. Veranlagungsoption des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG (Option zur Regelbesteuerung) erreicht werden kann: Auf entsprechenden Antrag lässt sich die Abgeltungsteuer für bestimmte Beteiligungserträge „abwählen“, sodass auch das Werbungskostenabzugsverbot umgangen werden kann. Dies ist allerdings nur für Gewinnausschüttungen aus unternehmerischen Beteiligungen möglich. Dies sind Anteile, mit denen ein unternehmerisches Interesse verknüpft ist (Beteiligung von mindestens 25 % oder von mindestens 1 % und zusätzlicher beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft).
Absinken der Beteiligung innerhalb der 5-Jahres-Frist
Ein entsprechender Antrag gilt für das Jahr der Antragstellung und – soweit er nicht widerrufen wird – für die folgenden 4 Veranlagungszeiträume (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG). Für diesen Zeitraum müssen die Antragsvoraussetzungen nicht erneut belegt werden. Die OFD weist darauf hin, dass diese Regelung lediglich der Verwaltungsvereinfachung dient und die Beteiligung für eine Option nach wie vor eine unternehmerische Beteiligung sein muss. Sinkt die Beteiligungsquote unter 25 % bzw. unter 1 %, ist auch innerhalb der 5-Jahres-Frist kein Werbungskostenabzug mehr möglich.
Bei Veräußerungen/Auflösungen bis einschließlich 2008 können daher für Veranlagungszeiträume ab 2009 keine Schuldzinsen mehr als nachträgliche Werbungskosten geltend gemacht werden
Bei Veräußerungen/Auflösungen ab 2009 ist ein Abzug der Schuldzinsen nur noch für das Jahr der Veräußerung/Auflösung möglich, sofern denn die Voraussetzungen der Veranlagungsoption vorliegen.
Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus nichtselbstständiger Arbeit?
Ob Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abgezogen werden können, richtet sich nach ihrer jeweiligen Veranlassung. Ist der Arbeitnehmer einer GmbH in nicht nur unbedeutendem Umfang an der GmbH beteiligt, so ist die Übernahme einer Bürgschaft oder anderer Sicherheiten zugunsten der GmbH regelmäßig durch die Gesellschafterstellung und nicht durch die berufliche Tätigkeit als Arbeitnehmer veranlasst. Somit sind die Darlehenszinsen in Zusammenhang mit der Bürgschaftsschuld nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen. Voraussetzung ist allerdings, dass ein steuermindernder Abzug der Aufwendungen nach § 17 EStG möglich ist.
Schuldzinsen für Erfüllung von Bürgschaftsverpflichtungen
Der Zeitpunkt, in dem ein Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn/-verlust i. S. d. § 17 EStG entsteht, stimmt mit dem Zeitpunkt überein, bis zu dem Schuldzinsen für ein Darlehen abgezogen werden können, das zur Refinanzierung der Zahlungen auf eine kapitalersetzende Bürgschaft aufgenommen wurde (BFH, Urteil v. 19.4.2005, VIII R 45/04). Die OFD weist darauf hin, dass der BFH mit dieser Entscheidung an seine Rechtsprechung anknüpft, wonach Zinsen zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung regelmäßig bis zur Veräußerung der Beteiligung, bis zum Eintritt der Vermögenslosigkeit oder bis zur Löschung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können (BFH, Urteil v. 21.1.2004, VIII R 2/02).
Eintausch einer Beteiligung
Schuldzinsen für Refinanzierungskredite in Zusammenhang mit einer GmbH können unter bestimmten Voraussetzungen auch dann noch als Werbungskosten bei den Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen werden, wenn die Anteile an der Gesellschaft (gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) in eine andere Gesellschaft eingebracht werden (BFH, Urteil v. 27.3.2007, VIII R 28/04). Die OFD weist darauf hin, dass der ursprüngliche Zweck der Schuldaufnahme nicht uneingeschränkt für den Schuldzinsenabzug maßgeblich ist. Nach dem sog. Surrogationsgedanken können Zinsen für ein fortgeführtes Refinanzierungsdarlehen deshalb als Werbungskosten bei der neuen Beteiligung abgezogen werden.
Ein fortgeführter Schuldzinsenabzug bei der neuen Gesellschaft ist allerdings nicht unbeschränkt möglich, sondern nur anteilig in Höhe der Anschaffungskosten des neu erworbenen GmbH-Anteils im Rahmen des tauschähnlichen Vorgangs aufgrund der Einbringung der Anteile. Die OFD weist darauf hin, dass sich die Anschaffungskosten für den neu hinzu erworbenen GmbH-Anteil nach dem gemeinen Wert der hingegebenen Anteile abzüglich erhaltener Geldzahlungen (Zuzahlungen) bemessen.
OFD Magdeburg, Verfügung v. 1.3.2012, S 2252 - 101 - St 214 V
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