Organisatorische Eingliederung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft
Die Finanzverwaltung präzisiert für alle noch offenen Fälle – allerdings mit einer Übergangsfrist – die Voraussetzungen für die organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft. Das BMF-Schreiben ändert und ergänzt Abschn. 2.8 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE):
Der Organträger muss tatsächlich die Beherrschung der Tochtergesellschaft wahrnehmen, es muss sichergestellt sein, dass der Wille des Organträgers in der Organgesellschaft durchgesetzt wird. Dies erfolgt regelmäßig über eine personelle Verflechtung zwischen der Geschäftsführung des Organträgers und der Geschäftsführung der Organgesellschaft.
Wichtig: Für die organisatorische Eingliederung ist es aber nicht Voraussetzung, dass die Geschäftsführung des Organträgers vollständig identisch mit der Geschäftsführung der Organgesellschaft ist.
Probleme ergeben sich dann, wenn die Geschäftsführung der Organgesellschaft aus mehreren Personen besteht, die aber nur zum Teil auch in der Geschäftsführung des Organträgers vertreten sind. In diesen Fällen muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob eine organisatorische Eingliederung vorliegen kann, dies ist im Wesentlichen von der Vertretungsbefugnis abhängig:
Gesamtgeschäftsführungsbefugnis: Personelle Verflechtung liegt vor, wenn die Geschäftsführer der Organgesellschaft, die auch in der Geschäftsführung des Organträgers vertreten sind, die Stimmenmehrheit haben. Bei Stimmenminderheit der personenidentischen Geschäftsführer muss durch andere (abgesicherte) Maßnahmen sichergestellt werden, dass kein Handeln gegen den Willen des Organträgers erfolgt.
Einzelgeschäftsführungsbefugnis: Sind in der Geschäftsführung der Organgesellschaft auch Personen mit Einzelgeschäftsführungsbefugnis vertreten, die nicht in der Geschäftsleitung des Organträgers vertreten sind, sind ebenfalls weitere Maßnahmen notwendig, um ein Handeln gegen den Willen des Organträgers zu verhindern.
Wichtig: Es muss aber mindestens einer der Geschäftsführer der Organgesellschaft vom Organträger kommen. Wenn keine Stimmenmehrheit vorhanden ist, kann eine organisatorische Eingliederung vorliegen, wenn der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organgesellschaft verfügt sowie zur Bestellung und Abbestellung aller Geschäftsführer der Organgesellschaft berechtigt ist. Alternativ kann bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis des fremden Geschäftsführers dem vom Organträger kommenden Geschäftsführer ein schriftlich vereinbartes Letztentscheidungsrecht eingeräumt werden.
Die organisatorische Eingliederung kann sich auch dadurch ergeben, dass der oder die Geschäftsführer der Organgesellschaft (nur) leitende Mitarbeiter des Organträgers sind. Der Organträger ist aufgrund seines Weisungsrecht gegenüber seinen Mitarbeitern stets in der Lage, über die Mitarbeiter seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Soweit es in der Organgesellschaft mehrere Geschäftsführer gibt und die leitenden Mitarbeiter des Organträgers nicht die Stimmenmehrheit haben, müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, dass keine Entscheidungen gegen den Willen des Organträgers getroffen werden können.
Praxis-Tipp: Der leitende Mitarbeiter des Organträgers muss aber in der Geschäftsleitung der Organgesellschaft tätig sein. Ist er nur Prokurist bei der Organgesellschaft, ist dies für die organisatorische Eingliederung nicht ausreichend (BFH, Urteil v. 28.10.2010, V R 7/10, BStBl 2011 II S. 391).
Nur in Ausnahmefällen kann sich eine organisatorische Eingliederung auch ohne eine personelle Verflechtung ergeben. Dazu muss der Organträger institutionell abgesicherte Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft haben (BFH, Urteil v. 3.4.2008, V R 76/05, BStBl 2008 II S. 905). Durch schriftlich fixierte Vereinbarungen muss der Organträger gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis nachweisen und den Geschäftsführer bei Verstößen gegen die Anweisungen haftbar machen können.
Wichtig: Bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags nach § 291 AktG oder Eingliederung einer Organgesellschaft nach §§ 319, 320 AktG kann regelmäßig vom Vorliegen der organisatorischen Eingliederung ausgegangen werden.
Konsequenzen für die Praxis
Nachdem seit 2012 die Voraussetzungen für die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in eine Personengesellschaft durch die Rechtsprechung des BFH eingeschränkt worden sind, werden jetzt auch die Voraussetzungen für die organisatorische Eingliederung verschärft. Bloße, mit der finanziellen Eingliederung einhergehende, Weisungsrechte reichen nicht mehr aus, um eine organisatorische Eingliederung zu begründen. Dies gilt entsprechend bei Zustimmungsvorbehalten bei wichtigen außergewöhnlichen Geschäften.
Der Organträger muss tatsächlich seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen können. Alleine die Möglichkeit, Geschäftsführer bestellen und abberufen zu können, kann die organisatorische Eingliederung und damit die Organschaft nicht begründen.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Änderung in den Abschn. 2.8 Abs. 7 ff. UStAE erfolgt mit Wirkung zum 1.1.2013. Soweit die am Organkreis beteiligten Unternehmer aber schon vor dem 1.1.2013 aufgrund der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung (z. B. wegen eines Weisungsrechts und Zustimmungsvorbehalts) von einer organisatorischen Eingliederung und damit von einer Organschaft ausgegangen sind, wird es für alle vor dem 1.1.2014 ausgeführten Umsätze nicht beanstandet, wenn weiterhin von einem einheitlichen Unternehmen ausgegangen wird.
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