Umsatzsteuer bei Erwerb zahlungsgestörter Forderungen
Der BFH hat sich mit Folgeurteilen vom 26.1.2012 (V R 18/08) sowie vom 4.7.2013 (V R 8/10) dieser Rechtsauffassung angeschlossen und u. a. ergänzend ausgeführt, dass dem Forderungserwerber mangels Entgeltlichkeit der Leistung aus den Eingangsleistungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug kein Vorsteuerabzugsrecht zusteht.
Grundsätzliches
Von den Forderungsübertragungen i. S. d. o. g. Rechtsprechung sind Forderungserwerbe zu unterscheiden, bei denen die Tätigkeit des Forderungserwerbers im Wesentlichen darin besteht, den Forderungsverkäufer von der Einziehung der Forderung zu entlasten. In diesen Fällen ist nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 3.6.2004 auch weiterhin regelmäßig von einer unternehmerischen Tätigkeit des Erwerbers auszugehen (vgl. Abschn. 2.4 Abs. 1 und Abs. 4 UStAE).
Das Entgelt für die Leistung des Erwerbers, bestehend aus der Übernahme des Forderungseinzuges und ggf. des Ausfallrisikos, ist in derartigen Fällen grundsätzlich die Differenz zwischen dem Nennwert der dem Erwerber abgetretenen Forderungen und dem Betrag, den der Erwerber dem Verkäufer als Preis für diese Forderungen zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (vgl. Abschn. 2.4 Abs. 6 UStAE).
Auch bei der Übertragung zahlungsgestörter Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos wird grundsätzlich ein Kaufpreis vereinbart, der (erheblich) vom eigentlichen Nennwert der Forderung abweicht. Im Gegensatz zu den unter Abschn. I Nr. 1 dargestellten Sachverhalten, bei denen regelmäßig werthaltige Forderungen übertragen werden bzw. die Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber ausgeschlossen ist, besteht jedoch der wirtschaftliche Gehalt bei der Übertragung notleidender und damit zahlungsgestörter Forderungen i. S. d. o. g. Rechtsprechung (sog. Non-Performing-Loans - NPL) gerade in der Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch den Erwerber und nicht in der Einziehung der Forderungen.
Die Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderungen und deren Kaufpreis beruht vorrangig auf der Beurteilung der Werthaltigkeit der Forderungen. Umstände, die mit der Einziehung der Forderungen durch den Erwerber zusammenhängen, sind für die Bemessung des Abschlages auf den Kaufpreis von nur untergeordneter Bedeutung, selbst wenn hierfür eine gesonderte Vergütung bzw. Abschlag vereinbart wurde. Da sich der vom Nennwert der Forderungen abweichende Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet, spiegelt dieser den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wider.
In der Folge ist generell davon auszugehen, dass bei der Übertragung zahlungsgestörter Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber der vereinbarte Kaufpreis dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen entspricht.
Eine Forderung (bestehend aus Rückzahlungs- und Zinsanspruch) ist insgesamt zahlungsgestört, wenn sie, soweit sie fällig ist, ganz oder zu einem nicht nur geringfügigen Teil seit mehr als 90 Tagen nicht ausgeglichen wurde. Eine Forderung ist auch zahlungsgestört, wenn die Kündigung erfolgt ist oder die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen.
Beurteilung des Forderungserwerbers
Da der vereinbarte Kaufpreis dem tatsächlichen Wert der Forderung entspricht, stellt die Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis der Forderung keine Vergütung dar, mit der unmittelbar eine vom Käufer erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll. Der Forderungserwerber übt daher keine wirtschaftliche Tätigkeit aus (EuGH Urteil vom 27.10.2011 - C-93/10, a. a. O.). Dies gilt selbst dann, wenn der Erwerber den Verkäufer von der weiteren Verwaltung und Vollstreckung der Forderung entlastet (BFH Urteil vom 04.07.2013 - V R 8/10, a. a. O.) oder die Beteiligten dem Forderungseinzug bei der Bemessung des Abschlags auf den Kaufpreis oder durch Vereinbarung einer gesonderten Vergütung eine nicht nur untergeordnete Bedeutung beimessen.
Soweit nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 3.6.2004 von einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbers bei der Übertragung zahlungsgestörter Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber ausgegangen wurde, wird hieran nicht mehr festgehalten.
Der Einzug von Forderungen, die der Erwerber nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat, erfolgt ebenso wie der eigentliche Erwerb nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Forderungserwerber ist daher nicht zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug berechtigt (BFH Urteil vom 26.01.2012 - V R 18/08, a. a. O.).
Werden sowohl zahlungsgestörte als auch nicht zahlungsgestörte Forderungen in einem Port-folio übertragen, ist das Gesamtpaket für Zwecke des Vorsteuerabzuges entsprechend aufzu-teilen. Auf die Grundsätze der BMF-Schreiben vom 2. Januar 2012 (BStBl I S. 60) sowie vom 2. Januar 2014 (BStBl I S. 119) wird hingewiesen (vgl. auch Abschnitt 15.2b ff. UStAE).
Beurteilung des Forderungsverkäufers
Bei Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber erbringt der Verkäufer mit der Veräußerung und Abtretung einer zahlungsgestörten Forderung eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfreie Leistung im Geschäft mit Forderungen an den Erwerber. Soweit wegen Rückbeziehung der übertragenen Forderung auf einen zurückliegenden Stichtag der Forderungsverkäufer noch die Forderung verwaltet, liegt hierin eine unselbständige Nebenleistung zum steuerfreien Forderungsverkauf, die das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilt (BFH Urteil vom 04.07.2013 - V R 8/10, a. a. O.).
Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses und Anwendung
Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wird in Abschn. 2.4 entsprechend geändert.
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Soweit die Aus-führungen dieses Schreibens den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 3.6.2004 entgegenstehen, wird hieran nicht mehr festgehalten.
Es wird jedoch für vor dem 1.7.2016 ausgeführte Forderungsübertragungen nicht beanstandet, wenn die Beteiligten übereinstimmend entsprechend den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 3.6.2004 verfahren sind. Für Übertragungen, die auf Grundlage eines vor diesem Stichtag abgeschlossenen Kaufvertrags über den regelmäßigen Erwerb zahlungsgestörter Forderungen erfolgen und vor dem 1.1.2019 ausgeführt werden, gilt dies entsprechend. Gehen danach die Beteiligten einvernehmlich von einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Forderungserwerbers aus, erfolgt der Erwerb sowie der Einzug der Forderungen im Rahmen dieser wirtschaftlichen Tätigkeit. In der Folge steht dem Erwerber aus den Eingangsleistungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug insoweit das Vorsteuerabzugsrecht zu. Dies gilt auch für nach dem Stichtag bezogene Leistungen, soweit sie mit dieser wirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbers im Zusammenhang stehen.
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