Absenkung des Mehrwertsteuersatzes 2020: Probleme in der Praxis

Die Regierungskoalition hat im Rahmen ihres Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets den Umsatzsteuersatz vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 % abgesenkt. Diese Maßnahme wirft vielen Bereichen Fragen auf und macht umfassende und rechtzeitige Beratung notwendig. Die Finanzverwaltung hat zeitnah zur Verkündung des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes (BGBl 2020 I S. 1512) ein Anwendungsschreiben zur befristeten Steuersatzsenkung veröffentlicht.

Die Entwicklung ist dynamisch; der Bundesrat hat dem Gesetz am 29.06.2020 zugestimmt, am 30.06.2020 erfolgte die Verkündung im Bundesgesetzblatt, sodass die Steuersatzsenkung pünktlich zum 01.07.2020 in Kraft treten konnte. Die Finanzverwaltung hatte zuvor bereits 3 Entwürfe eines Anwendungsschreibens auf der Internetseite des BMF bereitgestellt. Inzwischen liegt das finale Schreiben mit Datum vom 30.6.2020 vor.

Die temporäre Veränderung des Umsatzsteuersatzes

In zweitägigen Verhandlungen hatte die Regierungskoalition ein umfassendes Paket zur Bewältigung der sich aus der Corona-Krise ergebenden wirtschaftlichen Auswirkungen geschnürt. Für die Praxis überraschend ist eine allgemeine Absenkung des Umsatzsteuersatzes beschlossen worden, die zum 01.07.2020 in Kraft tritt und dann bis 31.12.2020 – also auf 6 Monate – befristet ist.

Bundestag und Bundesrat haben in Sondersitzungen am 29.06.2020 das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise beschlossen. Der Finanzausschuss des Bundestags hatte an dem Gesetz keine Änderungen im Bereich der Umsatzsteuer vorgenommen. Das Gesetz ist am 30.06.2020 im BGBl verkündet worden. Zeitnah dazu hat die Finanzverwaltung das endgültige BMF-Schreiben zur Umsetzung der Steuersatzabsenkung veröffentlicht.

Die Absenkung wird über § 28 Abs. 1 - 3 UStG umgesetzt. Unabhängig von der Frage, ob die Umsatzsteuer ein geeignetes Instrument für kurzfristige Nachfragebelebungen sein kann, stellt eine auf einen kurzen Zeitraum beschränkte Absenkung des Steuersatzes die Unternehmen und die Beratungspraxis vor erhebliche Herausforderungen.

Die jetzt umgesetzte Änderung bei den Umsatzsteuersätzen ist in mehrfacher Hinsicht einmalig: Zum ersten Mal seit Einführung des heute gültigen Umsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzugsberechtigung zum 01.01.1968 (in den alten Bundesländern) kommt es zu einer Absenkung des Umsatzsteuersatzes. Einmalig ist auch, dass eine flächendeckende Änderung des Steuersatzes bei der Umsatzsteuer nur für eine kurze Zeit Anwendung finden soll.

Die letzte grundsätzliche Änderung des Steuersatzes– von Ausnahmen der Anpassung in Einzelfällen in den vergangenen Jahren einmal abgesehen – erfolgte zum 01.01.2007 – damals mit einer Anhebung des Regelsteuersatzes von 16 % auf 19 %. Alleine die Umsetzung dieser Änderung führte in der Praxis zu vielen Abgrenzungsfragen, Anpassungsschwierigkeiten und Auslegungsproblemen. Nun wird die temporäre Absenkung des Umsatzsteuersatzes sowohl bei der Absenkung zum 01.07.2020 und dann bei (Wieder)Anhebung zum 01.01.2021 zu diesen Übergangsschwierigkeiten führen.

Praxis-Tipp: Leistungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger

Soweit Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausgeführt werden, ist es egal, ob die Leistungen vor oder nach den jeweiligen Steuersatzänderungen ausgeführt werden. Es ist in diesen Fällen nur auf die richtige Ausstellung der Rechnungen zu achten. Werden Leistungen aber an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger ausgeführt, sollte die Leistung möglichst in der Zeit zwischen dem 01.07. und dem 31.12.2020 ausgeführt werden.

Grundsätzlich gilt:

  1. Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG): Für alle bis zum 30.6.2020 ausgeführten Umsätze gilt der Regelsteuersatz von 19 %; für alle in der Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 ausgeführten Leistungen gilt ein Regelsteuersatz von 16 % (§ 28 Abs. 1 UStG) und ab dem 01.01.2021 soll dann wieder der (alte) Regelsteuersatz von 19 % gelten.
  2. Ermäßigter Steuersatz: Für alle bis zum 30.06.2020 ausgeführten Umsätze gilt in den in § 12 Abs. 2 UStG aufgeführten Sonderfällen der ermäßigte Steuersatz von 7 %; für alle in der Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 ausgeführten Leistungen gilt ein ermäßigter Steuersatz von 5 % (§ 28 Abs. 2 UStG) und ab dem 01.01.2021 soll dann wieder der (alte) ermäßigte Steuersatz von 7 % gelten.

Wichtig: Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen

Besondere Herausforderungen ergeben sich auf Grund des Corona-Steuerhilfegesetzes für Unternehmer, die Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen ausführen: Bis 30.06.2020 unterliegen ihre Leistungen dem Umsatzsteuersatz von 19 %, ab 01.07.2020 dann einer ermäßigten Umsatzsteuer von 5 % (soweit Speisen abgegeben werden), vom 01.01.2021 bis 30.6.2021 einem ermäßigten Steuersatz von 7 % und dann (aus heutiger Sicht) ab dem 01.07.2021 wieder dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 %.

Hinweis: Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 2.7.2020) lässt für Kombiangebote aus Speisen und Getränken (z.B. Buffets, All-Inclusive-Angebote) zu, dass der (nicht begünstigte) Getränkeanteil pauschal mit 30 % des Pauschalpreises angesetzt wird. Für Servicepauschalen bzw. Business-Packages im Rahmen von Hotelübernachtungen wird außerdem der pauschale Anteil der nicht ermäßigten Leistungen lt. Abschn. 12.16 Abs. 12 Satz 2 UStAE von 20 % auf 15 % des Pauschalpreises reduziert. Beide Regelungen gelten befristet vom 01.07.2020 - 30.06.2021.

Die Steuersatzänderung gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer. Eine Anpassung der Durchschnitssätze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (§ 24 UStG) oder für die Vorsteuerpauschalierung (§ 23 und § 23a UStG) ist nicht erfolgt. Lediglich im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Durchschnittssätze wird bei nicht begünstigten holzwirtschaftlichen Produkten und alkoholischen Getränken im zweiten Halbjahr 2020 auch der abgesenkte Regelsteuersatz von 16 % angewendet (§ 28 Abs. 3 UStG).

Ausführung des Umsatzes maßgeblich

Für die Entstehung der Umsatzsteuer und die zutreffende Anwendung des Steuersatzes kommt es darauf an, wann die Leistung ausgeführt worden ist. Die Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes ist dabei unabhängig davon, ob der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) oder nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) besteuert, von Bedeutung ist nur, wann die entsprechende Leistung nach umsatzsteuerrechtlichen Regelungen ausgeführt ist. Auch die Vereinnahmung von Anzahlungen oder Vorauszahlungen ist für die endgültige Entstehung der Umsatzsteuer der Höhe nach ohne Bedeutung, § 27 Abs. 1 UStG.

Zur korrekten Ermittlung der Umsatzsteuer muss damit immer festgestellt werden, wann die Leistung ausgeführt ist. Besondere Probleme ergeben sich bei langfristigen Verträgen, die über den Zeitpunkt des Steuersatzwechsels hinaus ausgeführt werden.

Beispiel: Ausführung der Leistung

Kunde K bestellt am 20.7.2020 ein neues Elektrofahrzeug für 30.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer. Als Liefertermin wird Dezember 2020 vereinbart. K leistet schon im Juli 2020 eine Vorauszahlung von (30.000 EUR zzgl. 16 % USt =) 34.800 EUR. Aufgrund von Lieferengpässen bei den Batteriesystemen kann das Fahrzeug erst am 12.1.2021 ausgeliefert werden. Soweit die Absenkung des Regelsteuersatzes nicht über den 31.12.2020 hinaus verlängert werden sollte, ist die Leistung erst im Januar 2021 ausgeführt und unterliegt dann (wieder) dem Regelsteuersatz von 19 %.

Grundsätzlich gilt für die Ausführung einer Leistung Folgendes:

  • Lieferungen: Lieferungen (auch Werklieferungen) gelten dann als ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erworben hat; wird der Gegenstand befördert oder versendet, ist die Lieferung mit Beginn der Beförderung oder Versendung ausgeführt. Bei Werklieferungen ist regelmäßig die Abnahme maßgeblich.
  • Sonstige Leistungen: Sonstige Leistungen (auch Werkleistungen) sind im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen ist die Leistung mit Ende des Leistungsabschnitts ausgeführt, wenn keine Teilleistungen vorliegen (Abschn. 13.1 Abs. 3 UStAE).
  • Innergemeinschaftliche Erwerbe: Im UStG ist nur die Steuerentstehung für innergemeinschaftliche Erwerbe geregelt. Danach entsteht die Umsatzsteuer für einen innergemeinschaftlichen Erwerb mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG). Grundsätzlich ist aber auf die Ausführung des "Umsatzes" abzustellen, was nicht der Steuerentstehung entsprechen muss. In Ermangelung einer abschließenden gesetzlichen Regelung, wann der innergemeinschaftliche Erwerb realisiert wird, wird wohl in der Praxis für die Festlegung des Steuersatzes eine Orientierung an § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG erfolgen.
  • Reverse-Charge-Verfahren: In § 13b Abs. 1 und Abs. 2 UStG sind Sachverhalte normiert, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht. Die dort — abweichend von § 13 UStG — geregelten besonderen Steuerentstehungszeitpunkte sind nicht für die Anwendung des zutreffenden Steuersatzes maßgebend. § 13b UStG definiert keine "Umsätze", sodass dem § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG folgend für die Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes auf die Ausführung des Umsatzes — Lieferung oder sonstige Leistung des leistenden Unternehmers — unabhängig von den besonderen Steuerentstehungszeitpunkten abgestellt werden muss.
  • Unentgeltliche Wertabgaben (Eigenverbrauch): Die Umsatzsteuer für unentgeltliche Wertabgaben entsteht wie bei entgeltlichen Lieferungen oder sonstigen Leistungen dann, wenn der Leistungstatbestand verwirklicht wird.

Praxis-Tipp: 1%-Regelung bei Geschäftswagen/Dienstwagen

Soweit die unentgeltliche Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs für private Fahrten des Unternehmers nach der sog. 1 %-Regelung ermittelt wird, ändert sich an der Ausgangsgröße des Bruttolistenneupreises durch die Absenkung des Steuersatzes nichts; lediglich die sich auf der Basis dieser Rechengröße ergebende Umsatzsteuer ist in der Zeit von Juli bis Dezember 2020 geringer.
Dies gilt entsprechend auch bei der Berechnung der entgeltlichen Leistung der Überlassung eines Fahrzeugs an das Personal ("Dienstwagen"); der Bruttolistenneupreis bleibt unverändert bei den historisch ermittelten Werten, es kommt lediglich von Juli bis Dezember 2020 der abgesenkte Steuersatz zur Anwendung.

Wichtig: Entstehung der Umsatzsteuer

Grundsätzlich gilt: Die Umsatzsteuer entsteht endgültig erst mit Ausführung einer Leistung oder Teilleistung – Anzahlungen sichern keinen Steuersatz

Neben der tatsächlich (endgültig) ausgeführten Leistung führt auch eine abgeschlossene Teilleistung zur endgültigen Entstehung einer Umsatzsteuer. Damit eine Teilleistung vorliegen kann, müssen 2 notwendige Bedingungen nach nationalem Recht vorliegen:

  1. Es muss sich um eine wirtschaftlich sinnvoll abgrenzbare Leistung handeln und
  2. es muss eine Vereinbarung über die Ausführung der Leistung als Teilleistungen vorliegen, die Teilleistung muss gesondert abgenommen und abgerechnet werden.

Praxis-Tipp: Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien 

Die erste Voraussetzung ist ein objektives Kriterium, das sich an der Art der Leistung orientiert und jeweils auch von branchentypischen Kriterien abhängig ist. Die zweite Voraussetzung ist ein individuelles Kriterium, hier kommt es auf die vorliegende individuelle Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien an. Die Finanzverwaltung akzeptiert hier auch nachträgliche Vertragsanpassungen. Diese müssen aber jeweils bis zum Stichtag der Steuersatzanpassung erfolgt sein.

Aber auch bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage ist für die zutreffende Festlegung des anzuwendenden Steuersatzes wichtig, welchem Umsatz diese Änderung der Bemessungsgrundlage zuzurechnen ist und wann dieser Umsatz ausgeführt war.

Keine geänderten Vordrucke

Für die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2020 wird es keine geänderten Voranmeldungsvordrucke bzw. Dateien geben. Die zu 16 % bzw. 5 % Umsatzsteuer ausgeführten Umsätze sind in diesen Voranmeldungszeiträumen einheitlich in der Zeile 28 der Voranmeldung zu "andere Steuersätze" anzugeben. Auch die schon Ende 2019 vorgestellte Datei zur Umsatzsteuerjahreserklärung 2020 wird nicht verändert werden, sodass die Umsätze zu 16 % und zu 5 % gesammelt in den Kennzahlen für Umsätze zu anderen Steuersätzen einzutragen sind.

Unabhängig davon sind in der Finanzbuchhaltung neue Konten bzw. Steuerkennzeichen einzurichten.

Einzelfragen

Die Anpassungsfragen bei der Änderung des Steuersatzes sind von einer Vielzahl von Einzelfällen geprägt. Dabei sind neben der Berücksichtigung von systematischen Grundsätzen auch Vereinfachungsregelungen zu beachten, die die Finanzverwaltung regelmäßig im Zusammenhang mit Steuersatzänderungen angewendet hat. Nachdem sich die Finanzverwaltung inzwischen mit BMF-Schreiben vom 30.6.2020 zu der Steuersatzänderung geäußert hat, ist klar, dass die meisten Abgrenzungsfragen entsprechend der früheren Umsetzung beantwortet werden:

Anzahlungen

Besonders zu beachten ist bei einer Steuersatzänderung die korrekte Ermittlung der geschuldeten Umsatzsteuer, wenn der Unternehmer für seine Leistungen Anzahlungen oder Vorauszahlungen vereinnahmt hat. Dabei sind grundsätzlich die folgenden Möglichkeiten denkbar (die Zusammenstellung erfolgt anhand der Annahme, dass die Absenkung des Steuersatzes nicht über den 31.12.2020 hinaus verlängert wird):

Leistungserbringung

Anzahlungen

Steuerliche Behandlung

Leistung oder Teilleistung er­bracht bis 30.6.2020

Ob Anzahlungen geleistet worden sind ist unerheblich

Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 19 % bzw. mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 %

Leistung oder Teilleistung er­bracht nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021

Anzahlungen sind vor dem 1.7.2020 nicht geflossen

Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 16 % bzw. mit dem ermäßigten Steuersatz von 5 %

Leistung oder Teilleistung er­bracht nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021

Anzahlungen sind ganz oder teilweise vor dem 1.7.2020 geflossen

Die Anzahlungen vor dem 1.7.2020 waren mit 19 % bzw. 7 % besteuert worden (s. Hinweis 1), bei Ausführung der Leistung in der Zeit ab dem 1.7. bis 31.12.2020 sind die Leistungen mit 3 % zu entlasten.

Leistung oder Teilleistung er­bracht nach dem 31.12.2020

Anzahlungen sind vor dem 1.1.2021 nicht geflossen

Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 19 % bzw. dem ermäßigten Steuersatz von 7 %

Leistung oder Teilleistung er­bracht nach dem 31.12.2020

Anzahlungen sind ganz oder teilweise in der Zeit zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 geflossen

Die Anzahlungen können mit 16 % bzw. 5 % besteuert werden (s. Hinweis 2), bei Ausführung der Leistung ab 2021 sind die Leistungen mit 3 % bzw. 2 % nachzuversteuern.

Hinweis 1: Der leistende Unternehmer könnte aber auch schon in der Anzahlungsrechnung für Leistungen, die in der Zeit ab dem 1.7. bis 31.12.2020 ausgeführt werden - soweit dies sicher ist -, den Regelsteuersatz mit 16 % bzw. 5 % angeben; in diesem Fall entsteht die Umsatzsteuer auch schon bei Zahlungszufluss mit dem entsprechenden Steuersatz.

Hinweis 2: Der leistende Unternehmer kann aber auch schon in der Anzahlungsrechnung für Leistungen, die in 2021 ausgeführt werden, den Regelsteuersatz mit 19 % bzw. 7 % angeben. In diesem Fall entsteht die Umsatzsteuer auch schon bei Zahlungszufluss in 2020 mit 19 % bzw. 7 %. Dies ist jetzt auch so in dem BMF-Schreiben vom 30.6.2020 geregelt, nachdem eine entsprechende Regelung in den ersten Entwürfen noch gefehlt hatte.

Wichtig: Nichtbeanstandungsregelung bei Anzahlungen für Leistungen nach Steuersatzänderung

Grundsätzlich entsteht eine Umsatzsteuer bei einer Anzahlung nach den gesetzlichen Regelungen, die zum Zeitpunkt des Zahlungszuflusses gelten. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn in Anzahlungsrechnungen auch schon vor Inkrafttreten der Änderung mit dem zukünftigen Steuersatz abgerechnet wird, wenn die Leistung erst nach Steuersatzänderung ausgeführt wird. Dies gilt nach dem BMF-Schreiben sowohl bei dem Übergang zum 1.7.2020 als auch zum 1.1.2021.

Die Entlastung bzw. die Nachversteuerung von Anzahlungen erfolgt in der Voranmeldung des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung oder Teilleistung, auf die sich die Anzahlung bezieht, ausgeführt ist. Besteuert der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten, erfolgt die Entlastung bzw. Nachversteuerung in dem Voranmeldungszeitraum, in dem das restliche Entgelt vereinnahmt wird.

Beispiel: Unternehmer U hat im Januar 2020 den Auftrag übernommen, für einen Kunden K eine maschinelle Anlage zu errichten. Es war ein Nettobetrag i.H.v. 500.000 EUR vereinbart worden. Im März 2020 hat U seinem Auftraggeber 100.000 EUR zuzgl. 19 % Umsatzsteuer von 19.000 EUR als Abschlagszahlung berechnet, die Zahlung wurde im April 2020 geleistet. Die Abnahme der Anlage nach Fertigstellung erfolgt im August 2020.
Im Monat der Vereinnahmung der Anzahlung hat U aus der erhaltenen Anzahlung 19.000  EUR bei seinem Finanzamt anzumelden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG). Die steuerbare und steuerpflichtige Werklieferung des U unterliegt dem im August 2020 geltenden Regelsteuersatz von 16 %. U hat seinem Auftraggeber 500.000 EUR zzgl. 16 % Umsatzsteuer von 80.000 EUR zu berechnen, die Anzahlung ist mit 100.000 EUR und 19.000 EUR Umsatzsteuer von diesem Betrag abzusetzen, sodass sich noch ein Zahlungsbetrag von 461.000 EUR ergibt. Die Rechnung könnte wie folgt erstellt werden:

Maschinelle Anlage

500.000 EUR

zuzüglich 16 % Umsatzsteuer

80.000 EUR

Zwischensumme

580.000 EUR

abzgl. Anzahlung April 2020 netto

- 100.000 EUR

abzgl. Umsatzsteuer auf Anzahlung

-   19.000 EUR

zur Zahlung offen

461.000 EUR

U schuldet im August 2020 noch eine Umsatzsteuer von (80.000 EUR - 19.000 EUR =) 61.000 EUR. Die erhaltenen Anzahlung aus dem April 2020 ist in der Voranmeldung August 2020 in der Zeile 26 ("Umsätze zum Steuersatz von 19 %") mit - 100.000 EUR rückgängig zu machen und der gesamte Umsatz von 500.000 EUR in der Zeile 28 ("Umsätze zu anderen Steuersätzen") mit 16 % zu erklären.

Hat der Unternehmer für zwischen dem 1.7. und 31.12.2020 vereinnahmte Anzahlungen die Umsatzsteuer mit 16 % bzw. 5 % in der Rechnung angegeben, ist bei Leistungserbringung ab dem 1.1.2021 die Anzahlungsrechnung nicht zu berichtigen, wenn in der Endrechnung die Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag mit dem neuen Steuersatz angegeben wird. Allerdings ist darauf zu achten, dass die in der Anzahlungsrechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer in der Schlussrechnung wieder offen abgesetzt wird. Der Unternehmer kann aber auch seine Rechnung über die zum anderen Steuersatz vereinnahmten Anzahlungen berichtigen. Die Berichtigung erfolgt in diesem Fall für den Voranmeldungszeitraum, in dem der Unternehmer den Steuerausweis berichtigt.

Die Regelungen gelten nicht nur für den leistenden Unternehmer, sondern gleichfalls für die Vorsteuerabzugsbeträge des Leistungsempfängers.

Praxis-Tipp: Rechnungstellung vor Steuersatzänderung

Der Unternehmer kann für Leistungen auch schon vor Eintritt der jeweiligen Steuersatzänderung Rechnungen mit dem Steuersatz ausstellen, der zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistung jeweils zutreffend ist.

Dauerleistungen, Jahreskarten, Abonnements

Bei Dauerleistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, muss abgegrenzt werden, ob der Unternehmer ggf. Teilleistungen ausführt. Soweit Teilleistungen vorliegen, entsteht die Umsatzsteuer für alle Teilleistungen, die bis zum 30.6.2020 ausgeführt worden sind, noch mit dem alten Regelsteuersatz von 19 % bzw. 7 %. Für alle Teilleistungen, die in der Zeit zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 ausgeführt werden, gilt der Steuersatz von 16 % bzw. 5 % und danach dann wieder mit 19 % bzw. 7 %.

Bei befristeten Dauerleistungen wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn vor dem jeweiligen Steuersatzwechsel noch ein kürzerer Teilleistungszeitraum vereinbart wird. Ob dies – zumindest bei der Absenkung zum 1.7.2020 – Sinn macht, muss individuell geprüft werden. Dies kann auch in einer bis 30.6.2020 erteilten Rechnung umgesetzt werden.

Wichtig: Korrektur der Abrechnungen

Gerade bei Dauerleistungen, die im Rahmen von Teilleistungen (z. B. Mietverträge, Leasingverträge) ausgeführt werden, muss auf eine Anpassung und Korrektur der Abrechnungen (Verträge, Dauerrechnungen etc.) geachtet werden. Dazu muss nicht ein neuer Vertrag (z.B. Mietvertrag) ausgestellt werden, es ist ausreichend eine hinreichend genau bezeichnete Ergänzung/Änderung zu dem Vertrag zu verfassen, die die Bemessungsgrundlage und den neuen Steuersatz und Steuerbetrag ausweist. Wird hier keine Korrektur vorgenommen, wird die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet.

Jahreskarten (Saisonkarten, Abonnements o. ä.) stellen nach herrschender Meinung Vorauszahlungen für eine einheitliche Leistung dar. Bei Zahlung zu Beginn des Leistungszeitraums entsteht Umsatzsteuer aufgrund der Vereinnahmung; die Leistung ist erst am Ende der Laufzeit ausgeführt. Die zutreffende Umsatzsteuer entsteht insoweit nach den gesetzlichen Grundlagen, die am Ende des jeweiligen Leistungszeitraums gelten.

Praxis-Tipp: Jahreskarten im öffentlichen Nahverkehr

Das gilt auch für Jahreskarten im öffentlichen Nahverkehr (soweit hier keine monatsweise Abrechnung als Teilleistung vorliegt) oder auch bei anderen Verkehrsanbietern (z. B. BahnCard 100 der DB AG). Auch solche Leistungen unterliegen endgültig dem Steuersatz, der im Moment des Abschlusses des Leistungszeitraums gültig ist. Die zur Steuersatzabsenkung beim Bahnfernverkehr zum 1.1.2020 getroffenen Vereinfachungsregelungen (BMF, Schreiben v. 21.1.2020, BStBl 2020 I S. 197) sollen entsprechend gelten.

10er-Karten u.ä. (z. B. bei Schwimmbädern, Saunabädern etc.) stellen nach herrschender Meinung Vorauszahlungen für Teilleistungen dar. Bei Zahlung der 10er-Karte entsteht Umsatzsteuer aufgrund der Vereinnahmung; wird eine Leistung nach dem jeweiligen Steuersatzwechsel in Anspruch genommen, erfolgt eine anteilige Entlastung bzw. Nachversteuerung.

Eine Entlastung kann aber nur dann erfolgen, wenn in einem Abrechnungspapier entweder keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde oder eine Abrechnung berichtigt wurde.

Bauleistungen

Ein besonderes Problem ergibt sich bei Bauleistungen. Bei Bauleistungen liegen regelmäßig in der Praxis nicht die Voraussetzungen für Teilleistungen vor. Es werden zwar häufig wirtschaftlich abgrenzbare Leistungen ausgeführt, überwiegend fehlt es hier aber an einer Vereinbarung von Teilleistungen und der entsprechenden steuerwirksamen Abnahme von solchen Teilleistungen. Dies kann jetzt – je nach Situation – zum Vor- oder Nachteil für die Leistungsempfänger werden.

Wichtig: Keine Vereinbarungen über Teilleistungen

Wurden in einem Vertrag keine Vereinbarungen über Teilleistungen getroffen, beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Steuersatzänderung eine entsprechende Vereinbarung nachgeholt wird. Zumindest wenn es dann wieder zur Anhebung des Steuersatzes auf 19 % zum 1.1.2021 kommt, sollten bei noch nicht vollständig ausgeführten Leistungen für die bis dahin ausgeführten wirtschaftlich abgrenzbaren Leistungen Vereinbarungen für Teilleistungen getroffen werden.

Werden einheitliche Bauleistungen in der Zeit ab dem 1.7.2020 bis 31.12.2020 ausgeführt (i. d. R. ist hier die Abnahme durch den Auftraggeber maßgeblich), unterliegt die gesamte Leistung dem Regelsteuersatz von dann 16 %, unabhängig davon, in welchem Umfang schon (mit 19 %) besteuerte Anzahlungen geleistet worden waren. Entsprechend ist die Leistung dann wieder dem Regelsteuersatz von 19 % zu unterwerfen, wenn die Leistung nach dem 31.12.2020 ausgeführt wird.

Soweit bei Leistungen gegenüber einem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger ausgeführt werden, sollte der Abschluss ggf. – ohne hier eine missbräuchliche Gestaltung vorzunehmen – in die Zeit zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2020 gelegt werden.

Beispiel: Vereinbarung über die Ausführung Teilleistungen abschließen

Bauherr B hatte 2019 dem Generalunternehmer G den Auftrag erteilt, auf einem ihm gehörenden Grundstück ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus für private Zwecke zu errichten. G führt eine steuerbare und steuerpflichtige Werklieferung aus, die Umsatzsteuer entsteht mit Ausführung (Abnahme) der Leistung. Wenn das schlüsselfertige Einfamilienhaus in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 fertiggestellt wird, unterliegt die gesamte Leistung der Umsatzsteuer von 16 %. Wird die Leistung erst ab dem 1.1.2021 ausgeführt, unterliegt die Leistung dem Regelsteuersatz von 19 %. In diesem Fall wäre es sinnvoll, vor dem 31.12.2020 eine Vereinbarung über die Ausführung von Teilleistungen abzuschließen und die bis 31.12.2020 abgeschlossenen Teilleistungen abzunehmen. Insoweit würden dann die Teilleistungen endgültig nur dem Steuersatz von 16 % unterliegen.

Weitere Sonderregelungen

Auch in weiteren Sonderfällen müssen umsatzsteuerrechtliche Besonderheiten beachtet werden:

  • Erstattung von Pfandbeträgen: Die Rücknahme von Leergut stellt eine Entgeltsminderung dar. Grundsätzlich müsste die Erstattung dem ursprünglichen Umsatz zugerechnet werden (praktisch unmöglich). Aus Vereinfachungsgründen lässt die Finanzverwaltung es zu, bei der Erstattung von Pfandbeträgen innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten nach Inkrafttreten der Steuersatzänderung, die Umsatzsteuer noch mit dem "alten" Steuersatz zu korrigieren.
  • Entgeltsänderungen durch Jahresboni o. ä.: Jahresrückvergütungen, Jahresboni etc. sind jeweils dem Zeitraum und damit dem Steuersatz zuzurechnen, der für den zugrunde liegenden Umsatz maßgeblich war. Für jahresübergreifende Vergütungen wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, dass die Entgeltsminderung im Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze der einzelnen Jahreszeiträume aufgeteilt wird. Darüber wird es auch nicht beanstandet, wenn der Jahresbonus für 2020 einheitlich (soweit der Regelsteuersatz zur Anwendung kommt) mit 19 % abgerechnet wird. Allerdings müssen dies dann sowohl der leistende Unternehmer (für seine geschuldete Umsatzsteuer) als auch der Leistungsempfänger (für seinen Vorsteuerabzug) gleichermaßen umsetzen.
  • Telekommunikationsleistungen: Es handelt sich um Dauerleistungen. Geht der jeweils vereinbarte Abrechnungszeitraum über den jeweiligen Stichtag (1.7.2020 / 31.12.2020) hinaus, wird es nicht beanstandet, wenn ein einmaliger zusätzlicher Abrechnungszeitraum eingerichtet wird, der am jeweiligen Stichtag endet.
  • Strom-, Gas-, Wasser-, Kälte- und Wärmelieferungen: Soweit der Ablesezeitraum nach dem jeweiligen Stichtag endet, wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn die Leistung in eine vor und eine nach dem jeweiligen Stichtag ausgeführte Leistung aufgeteilt wird, soweit die Liefer- und Vertragsbedingungen dem nicht entgegen stehen. Die Aufteilung hat danach zeitanteilig zu erfolgen. Ggf. muss eine Gewichtung erfolgen (z. B. bei Wärmelieferung eine thermische Gewichtung). Abschlagspläne müssen laut BMF auch nicht angepasst werden, es können auch in der zweiten Jahreshälfte weiterhin die alten Steuersätze beibehalten werden – und dann vom leistenden Unternehmer als Umsatzsteuer abgeführt und vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden -, eine Anpassung muss dann in der folgenden Jahresabrechnung vorgenommen werden.
  • Personenbeförderungen mit Taxen und im Mietwagenverkehr: Taxi- und Mietwagenunternehmen, die Umsätze aus der Nachtschicht zu den Änderungsstichtagen realisieren, konnten nach der bisher von der Finanzverwaltung vertretenen Vereinfachungsregelung die Umsatzsteuer mit dem Steuersatz des Vortags berechnen, soweit keine Rechnungen zu einem anderen Steuersatz ausgestellt werden. Da – zumindest bei der zum 1.7.2020 vorgenommenen Absenkung des Steuersatzes – diese Regelung für den Unternehmer ungünstig ist, wird zugelassen, dass in der Nacht des Steuersatzwechsels schon der neue (geringere) Steuersatz angewendet wird, soweit kein anderer Steuersatz in der Rechnung/Kleinbetragsrechnung angegeben wird.
  • Besteuerung von Leistungen in Gaststätten: Aus Vereinfachungsgründen konnten bei früheren Steuersatzänderungen alle Umsätze aus Bewirtungsleistungen in der Nacht der Steuersatzänderung mit dem jeweils "alten" Steuersatz besteuert werden (dies galt aber nicht für Beherbergungsumsätze; hier ist die Leistung erst nach der Übernachtung abgeschlossen). Da – zumindest bei der zum 1.7.2020 vorgenommenen Absenkung des Steuersatzes – diese Regelung für den Unternehmer ungünstig ist, wird zugelassen, dass in der Nacht des Steuersatzwechsels schon der neue (geringere) Steuersatz angewendet wird. Bei Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen ist darüber hinaus zu beachten, dass die Absenkung auf den ermäßigten Steuersatz dann zum 1.7.2021 auslaufen soll.
  • Umtausch: Beim Umtausch eines Gegenstands wird die ursprüngliche Lieferung rückgängig gemacht. An ihre Stelle tritt eine neue Lieferung. Wird ein vor dem Änderungsstichtag gelieferter Gegenstand nach diesem Stichtag umgetauscht, ist auf die Lieferung des Ersatzgegenstands, der zu diesem Zeitpunkt maßgeblich Steuersatz anzuwenden.

Unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer

Ein besonderes Problem ergibt sich insbesondere bei der Absenkung der Steuersätze zum 1.7.2020. Stellt ein Unternehmer eine Rechnung noch mit dem alten Steuersatz von 19 % (oder 7 %) aus, erbringt die Leistung aber zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 hat er zu viel Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen (unrichtig ausgewiesene Umsatzsteue, § 14c Abs. 1 UStG.). Dieser zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag wird von dem Unternehmer geschuldet. Dieser zu hoch ausgewiesene Steuerbetrag kann aber von einem grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger nicht als Vorsteuer abgezogen werden.

Beispiel: Zu hoch ausgewiesener Steuerbetrag 

Unternehmer U hat am 28.6.2020 eine Rechnung an einen anderen Unternehmer mit 1.000 EUR zuzgl. 190 EUR Umsatzsteuer erteilt; der Leistungsempfänger zahlt die 1.190 EUR. Die Leistung wird aber erst am 2.8.2020 ausgeführt. U schuldet 16 % aus 1.190 EUR (= 164,14 EUR), die Differenz von 25,86 EUR schuldet U nach § 14c Abs. 1 UStG. Der Leistungsempfänger kann aber nur die Umsatzsteuer von 164,14 EUR als Vorsteuer abziehen.

Teilweise wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn der Leistungsempfänger den vollen (alten) gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer abzieht, wenn der leistende Unternehmer die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer abführt. Dies erfolgte zuletzt bei dem Übergang zum ermäßigten Steuersatz beim Bahnfernverkehr (BMF, Schreiben v. 21.1.2020, BStBl 2020 I S. 197). In anderen Fällen – so z. B. bei der Umstellung des Steuersatzes zum 18.12.2019 bei E-Books und E-Papers wird noch immer auf eine entsprechende Vereinfachungsregelung gewartet.

Wichtig: Befristete Nichtbeanstandungsregelung

Nach dem Anwendungsschreiben des BMF vom 30.6.2020 wird es für Leistungen, die im Juli 2020 ausgeführt werden, nicht beanstandet, wenn in den Rechnungen noch der alte Steuersatz ausgewiesen wird, dass der leistende Unternehmer den überhöhten Steuerbetrag nicht nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet und der Leistungsempfänger die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer in voller Höhe abziehen kann. Dies setzt dann aber voraus, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer in ausgewiesener Höhe auch bei seinem Finanzamt anmeldet.

Grundsätzlich ist der Unternehmer berechtigt, die Rechnung zu berichtigen. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Vertragsparteien eine Netto-  oder Bruttopreisvereinbarung  abgeschlossen haben. Der BFH hat darüber hinaus festgestellt, dass eine wirksame Rechnungsberichtigung auch voraussetzt, dass der Zahlungsempfänger einen überhöhten Betrag an den Vertragspartner zurückzahlt.

Wichtig: Steuersatz in Kleinbetragsrechnung

Auch die Angabe des Steuersatzes in einer sog. Kleinbetragsrechnung (bis zu einem Gesamtbetrag von 250 EUR) führt zu einem unrichtigen Steuerausweis, wenn ein zu hoher Steuersatz ausgewiesen wird.

Gutscheine im Umsatzsteuerrecht

Seit dem 1.1.2019 gelten in Deutschland neue Regelungen für Gutscheine. Soweit aus einem Gutschein eine Leistung unmittelbar zu fordern ist, es sich also nicht nur um sog. Preisermäßigungs- oder Rabattgutscheine handelt, muss zwischen dem sog. Einzweckgutschein und dem Mehrzweckgutschein unterschieden werden. Diese beiden Formen von Gutscheinen führen zu grundsätzlich unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Ergebnissen:

  1. Einzweckgutschein (§ 3 Abs. 14 UStG): Ein Einzweckgutschein liegt dann vor, wenn der Ort der Leistung (hier also z.B. Deutschland) schon bei Ausgabe des Gutscheins feststeht und sich aufgrund der Leistung die Höhe der Umsatzsteuer eindeutig ermitteln lässt. Liegt ein solcher Einzweckgutschein vor, entsteht die Umsatzsteuer schon bei Verkauf des Gutscheins und jeder weiteren Weiterveräußerung. Die tatsächliche Ausführung der Leistung – wenn also der Gutschein eingelöst wird – ist dann keiner Umsatzsteuer mehr zu unterwerfen.
  2. Mehrzweckgutschein (§ 3 Abs. 15 UStG): Ein Mehrzweckgutschein liegt vor, wenn es sich um einen Gutschein handelt, der kein Einzweckgutschein ist, weil entweder der Ort der Leistung oder die sich aus der Leistung ergebende Umsatzsteuer bei Verkauf bzw. Ausgabe des Gutscheins nicht feststeht. In diesem Fall ist der Verkauf dieses Gutscheins nur ein Tausch von Geld in eine andere Form eines Zahlungsmittels und unterliegt keiner Umsatzsteuer. Erst wenn der Gutschein eingelöst wird, unterliegt die tatsächlich ausgeführte Leistung der Umsatzsteuer. Deshalb darf bei einem Verkauf eines Mehrzweckgutscheins noch keine Umsatzsteuer in einer Abrechnung gesondert ausgewiesen werden.

Diskutiert werden kann darüber, ob wegen des temporär abgesenkten Steuersatzes derzeit überhaupt ein Einzweck-Gutschein vorliegen kann, da sich in Abhängigkeit von der Einlösung eine Umsatzsteuer von 19 % oder 16 % (respektive 7 % oder 5 %) ergeben kann. Die Finanzverwaltung stellt in ihrem Anwendungsschreiben dazu fest, dass es für die Beurteilung als Einzweckgutschein auf den Moment der Ausgabe des Gutscheins ankommt. Soweit zu diesem Zeitpunkt die Steuer eindeutig ermittelbar ist, liegt ein Einzweckgutschein vor, die Einlösung ist dann irrelevant. Damit ist – obwohl es zu wirtschaftlich nachteiligen Situationen kommt und durchaus systematisch begründbar wäre – offensichtlich ausgeschlossen, dass ein in der Vergangenheit als Einzweckgutschein, der zu einem Steuersatz von 19 % (7 %) geführt hatte, bei Einlösung unter den Bedingungen des abgesenkten Steuersatzes zu einer analogen Anwendung der Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG führen kann. In diesem Zusammenhang zeigen sich die Mängel der systematisch unzureichend in das Gesamtgefüge des Umsatzsteuerrechts eingepassten Regelungen zu den Gutscheinen.

Praxis-Tipp: Mehrzweck-Gutscheine oder Einzweckgutscheine

Derzeit sollte in jedem Fall versucht werden (zumindest im Übergang zum abgesenkten Steuersatz zum 1.7.2020), Gutscheine als Mehrzweck-Gutscheine auszugestalten.

Insbesondere ergeben sich hier erhebliche Nachteile für den Gastronomiebereich. Wenn Gastronomen z.B. im Mai 2020 Gutscheine ausschließlich für Inhouse-Leistungen verkauft haben (dies wird dann wegen des zu diesem Zeitpunkt einheitlich anzuwendenden Regelsteuersatzes von 19 % von der Finanzverwaltung als Einzweckgutschein angesehen), musste zu diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuer mit 19 % abgeführt werden (z.B. bei Verkauf eines solchen Gutscheins von 100 EUR eine Umsatzsteuer von rd. 16 EUR (dem Gastronomen verbleiben 84 EUR). Wenn dann der Gastronom den Willen der Politik folgend, zum 1.7.2020 seine Angebotspreise reduziert (z.B. für Speisen dann auf enthaltene 5 % Umsatzsteuer) und der Gast in dieser Zeit den Gutschein für Speisen einsetzt, muss der Gastronom Leistungen für kalkulierte ca. 95 EUR Nettowert aufwenden, obwohl er ursprünglich nur 84 EUR erhalten hatte. Bei verkauften Inhouse-Gutscheinen ab dem 1.7.2020 (bis 30.6.2021) liegen Mehrzweckgutscheine vor, da sowohl regelbesteuerte Getränke als auch ermäßigt besteuerte Speisen abgegeben werden können. Dies gilt entsprechend bei Gutscheinen, die sowohl für Inhouse-Leistungen als auch für Leistungen "to go" eingesetzt werden können (unabhängig vom Zeitpunkt der Ausgabe).

Für Preiserstattungsgutscheine, die lediglich die (nachträgliche) Ermäßigung eines gezahlten Kaufpreises ermöglichen, lässt die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen zu, dass bis zum 31.8.2020 eingereichte Gutscheine noch dem alten Steuersatz zugerechnet werden.

Anpassung langfristiger Verträge

Bei einer Änderung des Steuersatzes ist für die Prüfung der wirtschaftlichen Auswirkungen immer festzustellen, wer von den Vertragsparteien die Auswirkungen zu tragen hat. Darüber hinaus ist die Vorsteuerabzugsberechtigung von entscheidender Bedeutung, da bei voller Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers eine Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Leistungsempfänger keine Probleme bereiten sollte.

Ist der Leistungsempfänger aber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, muss geprüft werden, welcher der Vertragspartner die Umsatzsteuer zu tragen hat. Besonderheiten ergeben sich bei langfristigen Verträgen (Abschluss vor mehr als 4 Monaten vor Eintritt der Rechtsänderung). Hier kann es zu einem Ausgleich einer mehr- oder Minderbelastung durch die Vertragsparteien kommen.

Der maßgebliche Vertrag muss zwischen den Vertragsparteien vor dem jeweiligen Stichtag der Gesetzesänderung rechtskräftig abgeschlossen worden sein, § 29 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 UStG. Die Frage, ob ein Vertrag vor dem Stichtag abgeschlossen worden ist, oder ob er nach dem Stichtag abgeschlossen wurde und damit nicht unter die Regelung des § 29 UStG fällt, bestimmt sich nach zivilrechtlichen Vorschriften. Dazu ist insbesondere erforderlich, dass nicht nur ein verbindliches Vertragsangebot vorliegt, der Leistungsempfänger muss das Vertragsangebot auch angenommen haben. Für Verträge, bei denen zwar ein verbindliches Angebot vor dem Stichtag abgegeben worden ist, der Leistungsempfänger das Vertragsangebot aber erst nach dem Stichtag annimmt, kann ein Ausgleich der Mehr- oder Minderbelastung nicht nach § 29 UStG erfolgen.

Ein Ausgleich der Mehr- oder Minderbelastung nach § 29 UStG kann nur erfolgen, wenn dem Vertrag keine anderen Regelungen zugrunde liegen, § 29 Abs. 1 Satz 2 UStG. Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien können sowohl ausdrücklich in individuellen vertraglichen Regelungen bestehen, sie können sich aber auch schlüssig aus dem Verhalten der beteiligten Vertragsparteien ergeben.

Voraussetzung für eine Anwendung des § 29 Abs. 1 UStG ist darüber hinaus, dass der Vertrag nicht später als 4 Monate vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung abgeschlossen worden ist. Der Zeitraum von 4 Monaten war ursprünglich gewählt worden, da (früher) davon ausgegangen wurde, dass eine Steuersatzänderung mindestens 4 Monate vor Inkrafttreten zumindest diskutiert wird. Eine Situation, wie sie jetzt vorliegt, dass eine Änderung der Öffentlichkeit vorgestellt wird und binnen 4 Wochen in Kraft treten soll, lag bei Schaffung des § 29 UStG außerhalb der Vorstellungskraft.

Beispiel: Ausgleich der niedrigeren Umsatzsteuerbelastung 

Tischlermeister T hatte am 15.2.2020 (alternativ: 15.3.2020) einen Vertrag über den Einbau von Fenstern zu einem Preis von 100.000 EUR abgeschlossen (keine Festpreisvereinbarung). Eine vertragliche Vereinbarung über die Umsatzsteuer wurde nicht getroffen. Der Einbau der Fenster ist am 19.7.2020 abgeschlossen. Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz von 16 %. Der Leistungsempfänger kann im Grundfall einen Ausgleich der niedrigeren Umsatzsteuerbelastung verlangen, da der Vertrag mehr als 4 Monate vor Eintritt der Änderung abgeschlossen wurde. In der Alternative kann kein Ausgleich verlangt werden.

Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Ausgleich der umsatzsteuerlichen Mehr- oder Minderbelastung vorliegen, muss die Höhe des angemessenen Ausgleichs ermittelt werden. Eine Ausgleichspflicht kann sich nur dann ergeben, wenn es – unter Berücksichtigung aller Aspekte – tatsächlich zu einer Mehr- oder Minderbelastung kommt. So ergibt sich z. B. trotz Änderung der Steuersätze dann keine abweichende Belastung, wenn der leistende Unternehmer unter die Kleinunternehmerbesteuerung nach § 19 UStG fällt.

Eine umsatzsteuerliche Mehr- oder Minderbelastung kann sich auch aus dem Verschulden eines der Vertragspartner ergeben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn einer der Vertragspartner in Verzug gerät. Durch den Verzug kann die Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden. Dadurch kann sich eine abweichende Umsatzsteuerbelastung ergeben, wenn zwischen dem vereinbarten Ausführungstermin und dem tatsächlichen Ausführungstermin die Steuersatzänderung in Kraft tritt; dies wird aber nur ein Problem beim Übergang zu einem höheren Steuersatz darstellen. Auch in diesen Fällen ist – wenn die weiteren Voraussetzungen des § 29 UStG vorliegen – ein Ausgleichsanspruch gegeben, da die Gründe für eine Ausführung der Leistung nach der Gesetzesänderung für die Anwendung des § 29 UStG keine Rolle spielen. Da der Ausgleichsanspruch nach § 29 UStG aber eine zivilrechtliche Forderung darstellt, muss der in Verzug geratene Vertragspartner aber den Verzugsschaden ausgleichen.

BMF-Schreiben vom 30.6.2020: Konsequenzen für die Praxis

Soweit der Unternehmer die in dem BMF-Schreiben ausgeführten Vereinfachungsregelungen anwendet, bedarf es keiner weitergehenden Genehmigung durch die zuständige Finanzverwaltung.

Im Zentrum aller Überlegungen steht, wann die Leistung des Unternehmers tatsächlich ausgeführt worden ist. Bei Lieferungen ist dies im Regelfall der Zeitpunkt, an den dem Kunden die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft worden ist. Bei sonstigen Leistungen ist die Leistung ausgeführt, wenn die Leistung vollendet ist – bei Dauerleistungen, wenn der Leistungszeitraum endet.

Nebenleistungen teilen immer das Schicksal der Hauptleistung. Dies gilt insbesondere bei der Abrechnung von Nebenkosten bei Vermietungsleistungen, die Umsatzsteuer für die Nebenleistungen entsteht damit nach dem Steuersatz, der bei Ausführung der Hauptleistung (oder der jeweiligen Teilleistung) maßgebend war.

Die Absenkung der Umsatzsteuer erfordert sowohl die umfangreiche technische Anpassung von Registrierkassen, neue Kalkulationen für Angebotspreise, die Neuauszeichnung von Waren, die Umstellung der Warenwirtschaftssysteme wie auch systematische Abgrenzungen und die Lösung der Übergangsprobleme. Insbesondere für die elektronischen Kassensysteme ergeben sich Probleme, wenn eine Umstellung zum 1.7.2020 nicht rechtzeitig vorgenommen werden konnte und dann ab dem 1.7.2020 noch die alten Steuersätze von 7 % oder 19 % in Kassenbons ausgedruckt werden. Die Umsatzsteuer wird dann nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet. Eine notwendige Nichtbeanstandungsregelung hat die Finanzverwaltung nicht getroffen.

Wichtig: Nichtbeanstandungsregelung im B2B-Bereich

Eine Nichtbeanstandungsregelung hat die Finanzverwaltung für die B2B-Umsätze bezüglich des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers getroffen: Soweit die Leistung im Juli 2020 ausgeführt wird (unabhängig davon, wann die Rechnung ausgestellt wurde), wird es für den Vorsteuerabzug nicht beanstandet, wenn die Umsatzsteuer noch mit den alten Steuersätzen von 19 % oder 7 % ausgewiesen wird. Voraussetzung ist aber, dass der leistende Unternehmer dann diese ausgewiesene Umsatzsteuer auch tatsächlich abführt.

Ob diese auf diesen kurzen Zeitraum bezogene Regelung für die Wirtschaft tatsächlich ausreichend ist, kann bezweifelt werden. Insbesondere bei längerfristigen Verträgen (z.B. Wartungsverträge, Abonnementverträge oder „Jahreskarten“), die oftmals für einen Jahreszeitraum abgeschlossen werden und häufig am Kalenderjahresende abgelaufen sind, entsteht die Umsatzsteuer unabhängig vom Zahlungszeitpunkt insgesamt am Ende des Leistungszeitraums. Da dieser Leistungszeitpunkt dann nicht in dem Zeitraum der Nichtbeanstandungsregelung liegt, müssen die entsprechenden Abrechnungen berichtigt werden, damit es nicht zu einem unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG kommt, der dem Leistungsempfänger nur einen verringerten Vorsteuerabzug ermöglicht. Bei voller Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers wird hier ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand verursacht, ohne dass dies tatsächlich für die Beteiligten zu Vorteilen gereicht.

Tipp der Redaktion: Online-Seminar mit Fällen aus der Praxis

In einem Online-Seminar (Mi, 29.07.2020, 15:00 Uhr) erläutert Dipl.-Betriebsw. Birgitta Dennerlein anhand von vielen praktischen Beispielen, welche Besonderheiten bei der Steuersatzänderung zu beachten sind und was Sie tun können, um umsatzsteuerliche Risiken zu vermeiden bzw. den korrekten Vorsteuerabzug zu sichern. Schwerpunkte:

  • Praktische Auswirkungen der temporären Steuersatzänderung im Überblick
  • Ermittlung des zutreffenden Steuersatzes
  • Anzahlungen in Abgrenzung von Teilleistungen
  • Beantwortung von Einzelfragen
  • Rechnungsstellung und Rechnungsberichtigung
  • Praktische Umsetzung bei der Rechnungserstellung von Steuerberatern

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