Rz. 48
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Es ist möglich, dass im Zeitpunkt der Änderung eines Bescheids seine ursprüngliche Rechtsgrundlage durch das BVerfG für nichtig erklärt oder von einem obersten Bundesgericht für verfassungswidrig befunden worden ist oder sich die dem Bescheid zugrunde liegende Rechtsprechung des BFH geändert hat. § 176 Abs 1 Satz 1 AO gewährt in diesen Fällen Vertrauensschutz insoweit, als sich dies im Änderungsbescheid nicht zuungunsten des Stpfl auswirken darf. Ist die frühere BFH-Rechtsprechung in einer > Steuererklärung oder Steueranmeldung (zB der > Lohnsteuer-Anmeldung) berücksichtigt worden, ohne dass dies für das FA erkennbar war, so wird insoweit Vertrauensschutz nur dann gewährt, wenn anzunehmen ist, dass das FA bei Kenntnis der Umstände die frühere Rechtsprechung angewandt haben würde (§ 176 Abs 1 Satz 2 AO).
Rz. 49
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Vertrauensschutz wird ferner gewährt, wenn eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung (Richtlinien), einer obersten Bundes- oder Landesbehörde (Erlasse) vom BFH als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist (§ 176 Abs 2 AO) oder dies sinngemäß zum Ausdruck kommt (ua BFH 169, 299 = BStBl 1993 II, 844). Das gilt auch für den LSt-Abzug. Deshalb gilt § 176 AO auch für die Feststellung eines Freibetrags im > Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren, weil dies eine gesonderte Feststellung unter dem > Vorbehalt der Nachprüfung ist (> Rz 5; vgl zB BFH 199, 1 = BStBl 2002 II, 840); der Vertrauensschutz beschränkt sich allerdings auf den LSt-Abzug, gilt also nicht für die nachfolgende ESt-Veranlagung.
Rz. 50
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Bei der Änderung eines Bescheids ist mithin so vorzugehen, als hätte die frühere, für den Stpfl günstige Rechtsauffassung nach wie vor Geltung. Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis besteht aber von vornherein nur bei Aufhebung eines Steuerbescheids und bei Erlass eines Änderungsbescheids, nicht aber bei Erlass eines Erstbescheids (ua BFH 198, 137 = BStBl 2002 II, 662). § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AO greift nicht ein, wenn zunächst ein Änderungsbescheid ergeht und sich erst anschließend die Rechtsprechung ändert, die das Vorgehen der FinVerw bei Erlass des Änderungsbescheids bestätigt (BFH 194, 185 = BStBl 2001 II, 409).
Rz. 51
Stand: EL 128 – ET: 11/2021
Der Vertrauensschutz des § 176 AO gilt jedoch nur für die Aufhebung oder Änderung von bestandskräftigen Bescheiden. Er ist deshalb nicht anwendbar bei Erlass eines Erstbescheids sowie im Rechtsbehelfsverfahren (EFG 2001, 929).