Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Hafenfacharbeiters. Absolvieren der Facharbeiterprüfung „auf betriebliche Veranlassung”
Leitsatz (redaktionell)
Für die Eingruppierung in die Lohngruppe V EV des Tarifvertrages für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe muss die Hafenfacharbeiterprüfung auf betriebliche Veranlassung, d.h. auf Aufforderung des Arbeitgebers, absolviert worden sein.
Normenkette
Rahmentarifvertrag (RTV) für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe § 8 Fassung: 1992-03-27; Eingruppierungsvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wurde § 2 Fassung: 2000-05-31
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Oktober 2013 – 1 Sa 32/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und sich daraus ergebende Differenzvergütungsansprüche.
Zwischen den tarifgebundenen Parteien besteht seit dem 4. Dezember 2000 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist als Gesamthafenarbeiter tätig.
Im Jahr 2005 fand bei der Beklagten eine Betriebsversammlung statt, in deren Folge sich der Kläger in eine vom Betriebsrat ausgelegte Liste für Interessenten an der Ausbildung zum Hafenfacharbeiter eintrug. In der Folgezeit nahm er an einer solchen Ausbildung teil und unterzeichnete in diesem Zusammenhang eine unter dem Datum des 12. September 2005 vom Beklagten vorformulierte Erklärung:
„Mir ist bekannt, dass die Ausbildung, gemäß der Betriebsvereinbarung vom 25.01.2005 zum Hafenfacharbeiter – Lehrgang FAB 39 nicht auf betriebliche Veranlassung erfolgt. Meine Teilnahme an dem Lehrgang ist freiwillig. …”
Der Beklagte übernahm die Kosten der Ausbildung, erstattete dem Kläger die Fahrtkosten und stellte ihn für die Teilnahme unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Nachdem der Kläger die Hafenfacharbeiterprüfung am 28. Februar 2006 nicht bestanden hatte, wechselte er ab dem 1. März 2006 zurück in den Tarifbereich Distribution- und Containerpackarbeiten. Am 2. Juni 2006 bestand er die Wiederholungsprüfung vor der Handelskammer B. Mit Anstellungsvertrag vom 30. Oktober 2007 wechselte er dann wieder ab dem 1. November 2007 in den Tarifbereich Hafen und wurde in die Lohngruppe I/a des „Eingruppierungsvertrags für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wurde” vom 26. Mai 2000 (EV) eingruppiert. Zum 31. Juli 2009 erhielt der Kläger von dem Beklagten eine betriebsbedingte Änderungskündigung. Aufgrund einer weiteren Änderung des Arbeitsvertrags wurde er mit Wirkung vom 1. November 2011 im Rahmen der Vereinbarungen der Betriebsparteien über die Rückabwicklung des Interessenausgleichs/Sozialplans vom 29. Mai 2009 wieder in den Tarifbereich Hafen versetzt und in die Lohngruppe I/a EV eingruppiert. Ab dem 1. August 2012 erhielt er eine Vergütung nach Lohngruppe II EV, ab dem 1. Oktober 2012 nach Lohngruppe III EV.
Mit Schreiben vom 1. März 2012 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten erfolglos eine Vergütung nach der Lohngruppe V EV ab dem 1. Dezember 2011 geltend.
Mit seiner dem Beklagten am 26. Juni 2012 zugestellten Klage hat der Kläger ua. die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihn ab dem 1. Dezember 2011 in die Lohngruppe V EV einzugruppieren und nach dieser Vergütungsgruppe zu vergüten. Er hat dazu ausgeführt, ihm und weiteren Arbeitnehmern des Beklagten sei während einer Betriebsversammlung mitgeteilt worden, die Containerumschlagsbetriebe E und N benötigten ungefähr 120 Containerbrücken- und Vancarrierfahrer mit einer Hafenfacharbeiterausbildung, die der Beklagte ausbilden solle. Arbeitnehmer, die Interesse an einer solchen Ausbildung hätten, seien aufgefordert worden, sich zu melden. Wie viele andere Arbeitnehmer auch habe er sich in eine Liste eingetragen, in der er gegenüber dem Betriebsrat sein Interesse an einer Ausbildung zum Hafenfacharbeiter und Funktionen bekundet habe. Auch habe er vom Beklagten ein Einladungsschreiben zum Besuch der Hafenfachschule erhalten, das er erstmals mit der Revisionsbegründung vom 22. April 2014 zur Akte gereicht hat.
Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – zuletzt beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum Januar 2012 bis einschließlich Juli 2013 weitere Arbeitsvergütung iHv. 7.472,34 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in näher bestimmter Höhe und zeitlicher Staffelung zu zahlen;
- festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den Abrechnungsmonat Juli 2013 hinaus in die Lohngruppe V des Eingruppierungsvertrages für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wird, vom 26. Mai 2000, einzugruppieren und nach dieser Vergütungsgruppe zu vergüten.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf ein Entgelt nach Lohngruppe V EV, da er die Anforderungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals nicht erfülle. Er habe die Hafenfacharbeiterausbildung und -prüfung nicht auf betriebliche Veranlassung absolviert. Er habe sich sowohl eigenständig zur Wiederholungsprüfung angemeldet, als auch eigenständig sein Interesse an der Ausbildung zum Hafenfacharbeiter durch seine freiwillige Eintragung in die beim Betriebsrat ausliegende Liste bekundet. Vom Beklagten sei er hierzu nicht gedrängt worden. Er informiere seine Mitarbeiter nur über potentielle Fortbildungsmöglichkeiten. Seinen Mitarbeitern würden lediglich Möglichkeiten aufgezeigt, sich für ihre eigene Zukunft kostenlos fortzubilden. Diese Information sei unverbindlich. Dabei würden allenfalls Anreize zur freiwilligen Teilnahme an dieser Fortbildung gesetzt. Da er den einzelnen Arbeitnehmer und insbesondere den Kläger nicht einseitig zur Fortbildung bestimme, liege keine betriebliche Veranlassung im Tarifsinne vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Sowohl der zulässige Zahlungsantrag zu 1. als auch der zulässige Feststellungsantrag zu 2. sind unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Lohngruppe V des geltenden EV und sich daraus ggf. ergebende Entgeltdifferenzen. Er erfüllt das tarifliche Anforderungsmerkmal der Lohngruppe V EV nicht, da er die Hafenfacharbeiterprüfung nicht auf betriebliche Veranlassung des Beklagten absolviert hat.
I. Aufgrund der Tarifgebundenheit der Parteien (§ 3 Abs. 1 TVG) gelten für ihr Arbeitsverhältnis ua.:
1. Der „Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe vom 27. März 1992”, gültig ab 1. April 1992 in der Fassung vom 13. September 2001 (RTV) und die Sonderbestimmungen für die Häfen im Lande Bremen vom 12. Mai 1992, gültig ab 1. April 1992 in der Fassung vom 1. Juni 2005 (Sonderbestimmungen), deren in § 8 jeweils im Wesentlichen übereinstimmende Regelungen lauten:
„§ 8 |
Arbeitslohn |
… |
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2. |
Die Lohngruppen werden in Eingruppierungsverträgen festgelegt. Hafenarbeiter, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wird, unterliegen den Kriterien des Eingruppierungsvertrages vom 26. Mai 2000, gültig ab 1. Juni 2000. |
3. |
Hafenarbeiter sind entsprechend ihrer Qualifikation bzw. der vorgesehenen Tätigkeit nach den Eingruppierungsverträgen für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, ggf. unter Berücksichtigung zusätzlicher Regelungen in örtlichen Sonderbestimmungen, einzugruppieren und zu bezahlen. Diese Eingruppierung ergibt die Stammlohngruppe des einzelnen Hafenarbeiters. |
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Hafenarbeiter, die Tätigkeiten verrichten, die oberhalb ihrer Stammlohngruppe vergütet werden, haben insoweit Anspruch auf Entlohnung nach der höheren Lohngruppe. |
…” |
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2. Der Eingruppierungsvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wurde, vom 26. Mai 2000 (EV) lautet – soweit für den Streitfall relevant – auszugsweise:
„§ 2 Lohngruppen
…
Lohngruppe V
Hafenfacharbeiter, die die Hafenfacharbeiterprüfung auf betriebliche Veranlassung absolviert haben …”
3. Der Eingruppierungsvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Juni 2000 begründet wurde, lautet auszugsweise:
„§ 2 Lohngruppen
…
Lohngruppe V/1
Hafenarbeiter, die vor der zuständigen Prüfungsinstanz die Facharbeiterprüfung bestanden haben (Hafenfacharbeiter)”
II. In Anwendung der genannten tariflichen Regelungen besteht ein Anspruch des Klägers auf eine Vergütung nach der Lohngruppe V EV nicht.
1. Nach § 8 Ziff. 3 RTV bzw. § 8 Ziff. 3 Sonderbestimmungen sind Hafenarbeiter entsprechend ihrer Qualifikation bzw. der vorgesehenen Tätigkeit nach den Eingruppierungsverträgen für Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe einzugruppieren und zu bezahlen. Nach der Tarifnorm „bzw.”) ist hiernach für die Eingruppierung je nach den Anforderungen der in Betracht kommenden Lohngruppe entweder die Qualifikation oder die vorgesehene Tätigkeit maßgebend. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass für die Eingruppierung in die Lohngruppe V EV lediglich die Qualifikation relevant ist (BAG 26. August 2015 – 4 AZR 41/14 – Rn. 25). Es ist daher unerheblich, dass das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen zu der konkreten Tätigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 1. Dezember 2011 getroffen hat.
2. Unstreitig hat der Kläger zwar am 2. Juni 2006 die Hafenfacharbeiterprüfung abgelegt. Da er aber unter den Geltungsbereich des Eingruppierungsvertrags für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wurde, fällt, reicht für eine Eingruppierung in die Lohngruppe V EV das Ablegen der Hafenfacharbeiterprüfung allein nicht (mehr) aus. Vielmehr muss sie auf betriebliche Veranlassung absolviert worden sein. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass dies beim Kläger nicht der Fall ist.
a) Das tarifliche Tätigkeitsmerkmal „betriebliche Veranlassung”) verlangt, dass der Arbeitgeber in einer Art und Weise auf den Willen des Arbeitnehmers einwirkt, die über ein bloßes Ermöglichen des Ablegens der Prüfung hinausgeht. Es bedarf einer – ausdrücklichen oder konkludenten – Aufforderung des Arbeitgebers, die Hafenfacharbeiterprüfung zu absolvieren. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln und ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 10. Dezember 2014 – 4 AZR 503/12 – Rn. 19, BAGE 150, 184; 19. September 2007 – 4 AZR 670/06 – Rn. 30, BAGE 124, 110).
bb) Bei Anwendung der Auslegungsgrundsätze ergibt sich, dass der Arbeitgeber zum Absolvieren der Prüfung zum Hafenfacharbeiter ausdrücklich oder konkludent aufgefordert haben muss.
(1) Mit dem Gebrauch des Wortes „Veranlassung” haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass ein Verhalten des Arbeitgebers für das Absolvieren der Prüfung kausal gewesen sein muss. „Jemanden veranlassen” bedeutet „jemanden dazu zu bringen, etwas zu tun” (Duden Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „veranlassen”). Der Kläger selbst hat in seinem letzten Schriftsatz ua. die Begriffe „Anordnung”, „Anweisung”, „Auslöser”, „Beweggrund”, „Impuls” und „treibende Kraft” zur Erläuterung des Begriffs Veranlassung angegeben. Auch die vom Berufungsgericht rezipierte Erläuterung des Landesarbeitsgerichts Hamm (30. August 2007 – 17 Sa 969/07 –), nach der eine Veranlassung vorliegt, wenn jemand dafür sorgt, dass etwas geschieht, er etwas bewirkt, hervorruft oder anordnet, hat der Kläger mit der Revision ausdrücklich nicht angegriffen. Auch hiernach bedarf es einer Einwirkung des Arbeitgebers auf den Willen des Arbeitnehmers, die über die bloße Gestattung der Ausbildung hinausgeht. Das gilt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Wortlaut der Tarifnorm unabhängig davon, ob der Arbeitgeber ein Interesse an der Ausbildung hat oder nicht.
Allerdings ist die Formulierung „betriebliche Veranlassung” insoweit nicht eindeutig, als sie das Adjektiv „betrieblich” beinhaltet, das allgemein verstanden wird als „den Betrieb betreffend, zu ihm gehörend” (vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/betrieblich, zuletzt abgerufen am 23. November 2016). Hierauf hat der Kläger in der Revision zutreffend hingewiesen. Auch wenn es an sich denkbar erscheint, die höhere Eingruppierung davon abhängig zu machen, ob bei objektiver Betrachtung im Betrieb ein Bedarf an Hafenfacharbeitern besteht, sprechen Wortlaut und auch der Gesamtzusammenhang des Tarifvertrags gegen ein solches Verständnis. So kann der Betrieb als organisatorische Einheit von Betriebsmitteln (vgl. zum Betriebsbegriff BAG 15. November 2012 – 8 AZR 683/11 – Rn. 25 mwN; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 17 Rn. 2) nicht selbst handeln und einen Arbeitnehmer zu einer Handlung bestimmen. Dies geschieht vielmehr durch eine Person und ihre Handlungen. Daraus folgt, dass „auf betriebliche Veranlassung” iSd. Lohngruppe V EV als „auf Veranlassung des Arbeitgebers” zu verstehen ist.
Hierfür spricht weiter, dass der EV keine Anhaltspunkte dafür enthält, wonach der betriebliche Bedarf an Hafenfacharbeitern bestimmt werden soll. So wird insbesondere nicht konkretisiert, wann der Bedarf vorliegen muss (Nur bei Beginn der Ausbildung? Voraussichtlich im Zeitpunkt des Ablegens der Prüfung? Muss es sich um einen dauerhaften Bedarf handeln?). Auch bestimmt der Tarifvertrag nicht, ob der Bedarf dringend sein muss oder ob die abstrakte Möglichkeit des zeitweisen Einsatzes als Hafenfacharbeiter genügen soll.
(2) Auf die weiteren, von den Parteien herangezogenen Urteile kann zur Auslegung des Begriffs „auf betriebliche Veranlassung” iSd. Lohngruppe V EV nicht zurückgegriffen werden. Zwar trifft es zu, dass ein bestimmter Fachbegriff im Zweifel auch im Geltungsbereich eines Tarifvertrags in seiner allgemeinen fachlichen Bedeutung Geltung haben soll, wenn die Tarifvertragsparteien ihn in einer Tarifnorm verwenden (st. Rspr. vgl. BAG 13. Mai 1998 – 4 AZR 107/97 – zu 5.1.1 der Gründe mwN, BAGE 89, 6). Die herangezogenen Entscheidungen betreffen jedoch weder Eingruppierungsfragen noch die Frage der Veranlassung des Ablegens einer Prüfung. Insofern kann mangels besonderer Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien mit der Formulierung „auf betriebliche Veranlassung” an jene Begriffsverständnisse anknüpfen wollten. Das gilt insbesondere für den Begriff der betrieblich veranlassten Tätigkeit iSd. Rechtsprechung zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung. Die Unübertragbarkeit auf die Frage der Veranlassung des Absolvierens der Prüfung folgt aus der schadensersatzrechtlichen Prägung der Definition (vgl. BAG 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09 – Rn. 14).
(3) Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht dagegen, es für die Erfüllung des Tarifmerkmals ausreichen zu lassen, dass der Arbeitgeber ein erkennbares Interesse an der Beschäftigung geprüfter Hafenfacharbeiter hat. Nach dem „Eingruppierungsvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1.6.2000 begründet wurde” (im Folgenden EV aF), war für die Eingruppierung in dessen Lohngruppe V/1 nur erforderlich, dass die Qualifikation als Hafenfacharbeiter durch das Bestehen der Facharbeiterprüfung vor der zuständigen Prüfungsinstanz erworben wurde. Da es für die Vergütung nach der Lohngruppe V/1 EV aF nur auf die Qualifikation ankommt, hat dies zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis vor dem 1. Juni 2000 begründet wurde, allein durch das Ablegen der Prüfung einen Anspruch auf Vergütung nach der Lohngruppe V/1 EV aF erhält, ohne dass gewährleistet wäre, dass der Arbeitgeber einen entsprechenden Vorteil aus der höheren Qualifikation ziehen kann. Offenkundig ist dies bei Arbeitnehmern, die nach dem 31. Mai 2000 eingestellt wurden, anders. Der Arbeitgeber sollte Einfluss darauf erhalten, ob eine Vergütung nach Lohngruppe V gezahlt werden muss. Ansonsten bestünde das Risiko, dass er einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern eine höhere Vergütung zahlen müsste, obwohl er sie gar nicht ihrer Qualifikation entsprechend einsetzen kann. Zwar hätte es nahegelegen, darauf abzustellen, ob der Hafenfacharbeiter eine seiner Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausübt. Offenbar wollten aber die Tarifvertragsparteien die Grundstruktur des Tarifmerkmals nicht ändern und haben daher auf die Veranlassung der Qualifikation durch den Arbeitgeber abgestellt. Die ausgeübten Tätigkeiten sollten weiterhin unbeachtlich bleiben. Dann kann es entgegen der Auffassung des Klägers für die Erfüllung des Tarifmerkmals nicht darauf ankommen, ob die Qualifikation für die später auszuübenden Tätigkeiten objektiv von Vorteil ist.
(4) Auch die Praktikabilität des Auslegungsergebnisses spricht für die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen oder konkludenten Aufforderung des Arbeitgebers. Die Abgabe einer solchen Erklärung lässt sich regelmäßig einfach feststellen. Es wäre dagegen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht zuträglich, das Tarifmerkmal bereits als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitgeber ein erkennbares Interesse an einem Ablegen der Prüfung hätte. Eine solche Abgrenzung wäre kaum durchführbar, weil grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Ausbildung zum Hafenfacharbeiter für viele Tätigkeiten im Hafen von Vorteil ist, ohne zugleich erforderlich zu sein.
b) In Anwendung dieses Maßstabs ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger die Hafenfacharbeiterprüfung im Sinne der Lohngruppe V EV auf betriebliche Veranlassung hin absolviert hat. Dabei kann dahinstehen, ob es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs durch das Landesarbeitsgericht handelt, die nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterläge. Die Entscheidung hält auch einer umfassenden Überprüfung durch den Senat stand.
aa) Zunächst hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass der Tarifvertrag nicht auf die veranlasste Teilnahme an der Ausbildung, sondern auf die Veranlassung des Absolvierens der Prüfung abstellt. Der Beklagte hat insofern geltend gemacht, der Kläger habe sich – insbesondere nachdem er durch die erste Prüfung gefallen war – selbständig und ohne eine Beteiligung des Beklagten zur Wiederholungsprüfung angemeldet. Dass und wie der Beklagte das Absolvieren der Prüfung am 2. Juni 2006 veranlasst haben soll, hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt dargetan. Sein Vortrag beschränkt sich durchgehend auf den Beginn der Ausbildung und dessen Veranlassung.
bb) Selbst wenn man das Ablegen der Prüfung als Teil der Ausbildung zum Hafenfacharbeiter sieht, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger sich auf einer Betriebsversammlung auf eine vom Betriebsrat ausgelegte Liste als Interessent an einer Ausbildung zum Hafenfacharbeiter eingetragen. Dass der Beklagte die Auslage der Liste veranlasst hat, hat der Kläger nicht behauptet; vielmehr hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Betriebsrat die Liste ausgelegt hat. Er hat auch nicht dargetan, dass auf der Betriebsversammlung der Beklagte Erklärungen abgegeben hat, nach denen sich interessierte Mitarbeiter in die Liste eintragen sollen, oder entsprechende Äußerungen abgegeben wurden, die dem Beklagten zurechenbar sind. Dies gilt umso mehr, als die Betriebsversammlung nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus den Arbeitnehmern des Betriebs besteht und vom Vorsitzenden des Betriebsrats geleitet wird. Dass der Beklagte von seinem nach § 43 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestehenden Rederecht auf der Betriebsversammlung Gebrauch gemacht hat – insbesondere er bzw. seine Repräsentanten die Hafenarbeiter aufgefordert haben, ihr Interesse am Absolvieren der Hafenfacharbeiterprüfung zu bekunden – ist vom Kläger nicht behauptet worden.
cc) Allein in der Kostenübernahme für die Ausbildung zum Hafenfacharbeiter liegt keine Aufforderung zur Teilnahme an der Ausbildung und der anschließenden Prüfung. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte bereits aufgrund der Vereinbarung zwischen dem Hafenbetriebsverein im Lande Bremen e. V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Bezirksverwaltung WeserEms – vom 14. Mai 1975 zur bezahlten Freistellung und Übernahme der Ausbildungskosten verpflichtet war. Nr. 5 dieser Vereinbarung lautete nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts:
„Die Hafeneinzelbetriebe und der Gesamthafenbetriebsverein im Lande B e. V. sind verpflichtet, die weitere Ausbildung ihrer sich hierfür freiwillig entscheidenden Arbeitnehmer zum Hafenfacharbeiter durch Teilnahme an den im Auftrage der ‚Hafenfachschule im Lande B’ vom Hafenbetriebsverein im Lande B e. V. angebotenen Funktionsausbildungskreisen zu ermöglichen.”
Selbst wenn das Angebot zur Kostenübernahme über die tariflichen Pflichten des Beklagten hinausginge, konnte der Kläger dies nicht als betrieblich veranlasste Aufforderung zur Teilnahme am Lehrgang und an der Prüfung verstehen. Zwar mag im Einzelfall im Angebot einer Kostenübernahme eine konkludente Aufforderung zu sehen sein. Einem solchen Verständnis steht vorliegend jedoch die von dem Beklagten veranlasste und vom Kläger – kommentarlos – unterzeichnete Freiwilligkeitserklärung vom 12. September 2005 entgegen. Zwar hat der Kläger zu Recht geltend gemacht, dass in dieser Erklärung wegen § 4 Abs. 4 TVG kein wirksamer Verzicht auf tarifliche Rechte liegen kann. Indem der Beklagte vom Kläger die Unterzeichnung des Schreibens verlangte, hat er aber zugleich klargestellt, dass er vom Kläger die Teilnahme am Lehrgang und an der Facharbeiterprüfung nicht erwarte und ihn gerade nicht hierzu auffordere.
dd) Auch bei Berücksichtigung des erstmals mit der Revisionsbegründung vorgelegten Schreibens des Beklagten vom 13. September 2005 hat der Beklagte die Ausbildung des Klägers zum Hafenfacharbeiter nicht im Sinne der Lohngruppe V EV veranlasst. Die Tatsache, dass der Kläger dieses Schreiben erhalten hat, ist vom Senat nach § 559 ZPO grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat diese Tatsache nicht festgestellt und konnte dies auch nicht, weil der Kläger sie in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen hatte. Der Beklagte hat die Übersendung dieses Schreibens an den Kläger in der Revisionsinstanz auch nicht unstreitig gestellt.
Letztlich ist dies jedoch unerheblich. Auch aus dem Schreiben vom 13. September 2005 ergibt sich keine „betriebliche Veranlassung” iSd. Lohngruppe V EV. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers stand – wie sich auch aus dem Schreiben selbst ergibt – die Teilnahme des Klägers an der Ausbildung im Zeitpunkt des Zugangs bereits fest. Das Schreiben diente nur noch der Koordinierung der Teilnahme. Der Kläger trägt selbst vor, er sei von dem Beklagten für die Dauer des Lehrgangs unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt worden. Vor diesem Hintergrund konnte der Kläger das Schreiben des Beklagten nicht als eine Ausübung des Direktionsrechts iSd. § 106 GewO verstehen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Eylert, Rinck, Klose, Krüger, Lippok
Fundstellen
Dokument-Index HI10851717 |