Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Gerichtskosten bei „unnötigem“ Rechtsmittel
Leitsatz (NV)
- Der Auffangwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG gilt nicht, wenn Anhaltspunkte zur Bedeutung der Sache vorliegen.
- Anhaltspunkte zur Bedeutung der Sache liegen auch vor, wenn eine Klage sich im Ergebnis steuerlich und wirtschaftlich als "überflüssig" erweist.
- Wird im Revisionsverfahren kein Antrag gestellt, ergibt sich die Bedeutung der Sache aus der Beschwer des die Klage abweisenden FG-Urteils.
- Begehrt ein im Inland beschränkt Steuerpflichtiger die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG, so bemißt sich die Bedeutung der Sache nach der sich aufgrund einer Freistellungsbescheinigung zu erwartenden Steuerersparnis.
Normenkette
GKG § 13
Tatbestand
I. Die Klägerin und Erinnerungsführerin (Klägerin) ist eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft ohne Betriebsstätte oder ständigen Vertreter im Inland. Im Zusammenhang mit dem Auftritt einer ausländischen Künstlergruppe schloß sie Verträge mit der Künstlergruppe und einem inländischen Konzertveranstalter und beantragte beim Beklagten (Bundesamt für Finanzen ―BfF―) Freistellungsbescheinigungen nach § 50d des Einkommensteuergesetzes (EStG), die ihr erteilt wurden. Aufgrund von Feststellungen einer Steuerfahndungsprüfung beim inländischen Konzertveranstalter widerrief das BfF die Freistellungsbescheinigungen. Gegen die Aufhebungsbescheide legte die Klägerin erfolglos Einspruch und Klage ein, mit denen sie begehrt hatte, die Aufhebungsbescheide sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) begründete die Klageabweisung damit, daß die mit dem inländischen Veranstalter und der Künstlergruppe geschlossenen Verträge als Scheingeschäfte steuerlich nicht anerkannt werden könnten.
Die Klägerin legte gegen das Urteil des FG Revision ein, die sie im späteren Verlauf wieder zurück nahm.
Der Kostenbeamte des Bundesfinanzhofs (BFH) setzte mit Bescheid vom 8. Februar 1999 die Gerichtskosten mit 1 077,50 DM fest. Bei der Berechnung des Streitwerts ging er davon aus, daß das vom inländischen Veranstalter für die inländischen Konzertveranstaltungen gezahlte Entgelt insgesamt 3 510 683 DM betragen habe. Unter Berücksichtigung einer Abzugssteuer nach § 50a Abs. 4 EStG in Höhe von 15 v.H. errechne sich daraus ein Streitwert von 526 597 DM. Diesen kürzte er um 50 v.H., weil die Vereinbarungen der Klägerin mit dem inländischen Veranstalter letztlich darauf abgezielt hätten, die inländischen Einkünfte der Konzertgruppe im Inland von der Steuer freizustellen und somit das Klage- und Revisionsverfahren für die Klägerin im Ergebnis nur von einem mittelbaren Interesse gewesen sei.
Gegen die Kostenfestsetzung hat die Klägerin fristgerecht Erinnerung eingelegt und beantragt, von einem Streitwert in Höhe von 8 000 DM auszugehen. Die angegriffene Aufhebung der Freistellungsbescheide habe für die Klägerin keinerlei Steuerzahlungsverpflichtungen o.ä. begründet. Ihr Klageantrag habe deshalb keinen auf eine bezifferte Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt i.S. des § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) betroffen. Die Bedeutung der Sache i.S. des § 13 Abs. 1 GKG habe sich für die Klägerin darin erschöpft, feststellen zu lassen, daß sie nicht Beteiligte an einem Scheingeschäft gewesen sei. Finanzielle Interessen ihrerseits seien durch den Rechtsstreit nicht berührt worden. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin habe sich bereits daraus ergeben, daß ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben worden sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung ist unbegründet.
Gemäß § 13 Abs. 1 GKG ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert vorbehaltlich anderer Regelungen im GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 8 000 DM anzunehmen.
1. Ein Streitwert von 8 000 DM gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG scheidet im Streitfall aus, da hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, aus denen sich die (unmittelbare oder mittelbare) Bedeutung der Sache für die Klägerin ergibt. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG ist ―entgegen der Ansicht der Klägerin― seinem Wortlaut nach nur darauf gerichtet, bei fehlenden Anhaltspunkten auf den genannten Auffangwert Rückgriff zu nehmen. Liegen jedoch Anhaltspunkte zur Bedeutung der Sache vor, so scheidet tatbestandsmäßig die Anwendung dieser Vorschrift aus, und zwar auch dann, wenn sich im finanzgerichtlichen Verfahren ergeben sollte, daß die Klage im Ergebnis steuerlich und wirtschaftlich "überflüssig" gewesen ist.
2. Da die Klägerin im Revisionsverfahren vor Revisionsrücknahme keine Anträge gestellt hat, ergibt sich die Bedeutung der Sache i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG aus der Beschwer des klageabweisenden FG-Urteils (BFH-Beschlüsse vom 26. November 1986 I E 3/86, BFH/NV 1987, 319; vom 19. Dezember 1991 III E 2/90, BFH/NV 1992, 484).
a) Begehrt ein im Inland beschränkt Steuerpflichtiger im Klageverfahren die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG, so bemißt sich die Bedeutung der Sache i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der sich aufgrund der Freistellungsbescheinigung ergebenden Steuerersparnis, ggf. nach der Höhe einer zu befürchtenden Haftungsinanspruchnahme (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1972 I R 210/70, BFHE 107, 6, BStBl II 1973, 15). Dasselbe gilt, wenn ―wie im Streitfall― eine bereits erteilte Freistellungsbescheinigung widerrufen wird und im Wege der Anfechtungsklage die Aufhebung dieses Widerrufs begehrt wird.
b) Da die Klägerin aufgrund der mit dem inländischen Veranstalter einerseits und der Künstlergruppe andererseits getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen den Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG erfüllte und somit aus zivilrechtlicher Sicht ―wie auch von der Klägerin im Klageverfahren vorgetragen― eine beschränkte Steuerpflicht grundsätzlich zu bejahen war, war das Interesse der Klägerin im Klageverfahren darauf gerichtet, durch eine Freistellungsbescheinigung von der Abzugssteuer nach § 50a Abs. 4 EStG freigestellt zu werden.
Die sich aus dem entsprechenden Klageantrag der Klägerin ergebende Bedeutung der Sache ist nicht deswegen auf 0 DM zu reduzieren, weil das FG im Klageverfahren sich nicht der Auffassung der Klägerin von ihrer beschränkten Steuerpflicht angeschlossen, sondern die gesamte Vertragsgestaltung als Scheingeschäft gewürdigt hat. Das Ziel der Klage war gerade gegen eine derartige Würdigung gerichtet. Insoweit stellt sich die Bedeutung der Sache i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ähnlich dar wie in einem Klageverfahren, in dem letztlich eine Beschwer des Klägers und damit die Zulässigkeit der Klage verneint wird. Auch in einem solchen Verfahren richtet sich der Streitwert nach dem umstrittenen Steuerbetrag (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. Januar 1970 IV 204/64, BFHE 99, 4, BStBl II 1970, 493, m.w.N.; vom 22. Mai 1974 I R 169/72, BFHE 113, 340, BStBl II 1975, 37; in BFH/NV 1992, 484; BFH-Beschlüsse vom 8. September 1982 I R 55/78, nicht veröffentlicht; vom 3. September 1998 I E 1, 2/98, BFH/NV 1999, 483).
Dementsprechend hat der BFH wiederholt entschieden, daß sich die Bedeutung der Sache nach den Anträgen richtet, die der Kläger tatsächlich gestellt hat. Unmaßgeblich ist danach, ob die tatsächliche Antragstellung zweckmäßig war (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Juni 1989 X E 3/88, BFH/NV 1990, 184, m.w.N.). Wenn die Klägerin nunmehr im Erinnerungsverfahren sinngemäß erklärt, die Klage sei letztlich überflüssig gewesen, da sie selbst entweder nicht beschränkt steuerpflichtig gewesen sei oder gemäß Doppelbesteuerungsabkommen von einer Steuer hätte freigestellt werden müssen, hat dies folglich keine Auswirkung auf den Streitwert.
c) Unter den gegebenen Umständen braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob der von der Klägerin angestrengte Prozeß nicht auch dazu diente, belastende mittelbare wirtschaftliche Folgen (vgl. zur Berücksichtigung mittelbarer Interessen BFH-Urteile vom 12. Juli 1972 II R 168/70, BFHE 106, 277; vom 19. Mai 1967 III 264/63, BFHE 89, 149, BStBl III 1967, 549) in derselben Höhe oder ggf. sogar die Gefahr einer Haftungsinanspruchnahme nach den Grundsätzen der Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1973 I R 50/71 (BFHE 110, 536, BStBl II 1974, 107) auszuschließen.
Da eine Verböserung auch in Erinnerungsverfahren ausscheidet, ist die Kostenentscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden (BFH-Beschluß in BFH/NV 1990, 184).
Fundstellen
Haufe-Index 302419 |
BFH/NV 1999, 1505 |