Leitsatz (amtlich)
Ein freiwilliger Austausch von Grundstücken i. S. des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 liegt unbeschadet der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen insoweit vor, als für den Erwerb des Grundstücks ein Grundstück als Gegenleistung hingegeben wird (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
GrEStG 1940 § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b
Tatbestand
Der Kläger hatte landwirtschaftliche Grundstücke in der Größe von etwa 5,52 ha gepachtet. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 7. Mai 1969 verpflichtete er sich, ein ihm gehöriges inmitten der Ländereien des Verpächters gelegenes Grundstück von 0,2910 ha dem Verpächter zu übereignen. Dieser wiederum verpflichtete sich, dem Kläger das Grundstück von 0,5215 ha zu übereignen, auf dem die Hofstelle des Klägers belegen war, die von dem früheren Pächter bzw. von dem Kläger errichtet bzw. grundlegend erneuert worden war. Weiter wurde vereinbart, daß der Kläger für das auf der erworbenen Parzelle aufstehende Holz 1 705,53 DM und zum Ausgleich für die beim Austausch erhaltene Mehrfläche einen weiteren Betrag von 5 610 DM zahle. Außerdem hatte der Kläger die Auslagen für die Schätzung des Holzbestandes und die Bodenverkehrsgenehmigung zu ersetzen.
Das FA lehnte es trotz Vorlage einer Zweckdienlichkeitsbescheinigung des Katasteramtes Borken ab, den Erwerb des Klägers nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 von der Grunderwerbsteuer freizustellen und hielt auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung vom 29. März 1966 (GVBl, 140, BStBl II, 122) nicht für gegeben. Es setzte nach einer ermittelten Gegenleistung von 15 459 DM eine Steuer von 1 082,10 DM iest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klage, mit der der Kläger schließlich nur noch die Freistellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 verfolgte, hatte teilweise Erfolg. Das FG (vgl. EFG 1972, 556) nahm Steuerpflicht für den Erwerb des Klägers nur insoweit an, als dieser Zuzahlungen geleistet bzw. Schätzgebühren übernommen und anteilige Vermessungskosten zu tragen hatte. Im übrigen nahm es einen steuerfreien Austausch gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 an.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA ist unbegründet.
Dem FA ist nicht darin zu folgen, daß in dem zu entscheidenden Fall deshalb kein Austausch von Grundstücken im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 vorliegen könne, weil der Kläger für den Erwerb der Hofparzelle nicht nur ein Grundstück hingegeben habe, sondern darüber hinaus eine Zuzahlung geleistet habe, die etwa dem Wert des hingegebenen Grundstücks entspreche. Die Auffassung des FA steht zwar im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. vor allem das Urteil vom 23. Februar 1956 II 8/55 S, BFHE 62, 353, BStBl III 1956, 130). Der Senat hat aber bereits in seinem Beschluß vom 17. Februar 1970 II B 58/69 (BFHE 98, 17, BStBl II 1970, 333) Zweifel an dieser Rechtsprechung angedeutet. Er hat erklärt, daß der Wortlaut der Vorschrift zwei Auslegungen zulasse. Es könne einmal als "Austausch von Grundstücken" ein Rechtsgeschäft verstanden werden, das in allen Beziehungen oder doch ganz überwiegend als Tausch im Sinne des § 515 BGB anzusprechen sei und keine oder nur geringfügige Elemente eines Kaufs oder eines anderen Rechtsgeschäfts enthalte. Die Vorschrift könne aber auch dahin verstanden werden, daß ein Rechtsgeschäft von der Grunderwerbsteuer befreit ist, wenn und soweit es als Tausch von Grundstücken anzusprechen ist.
Nach nochmaliger Prüfung gibt der Senat der letzteren Auslegung den Vorzug. Begünstigt ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 der Austausch von Grundstücken, nicht aber der Erwerb von Grundstücken gegen Geld. Daraus folgt, daß es nicht Zweck der Vorschrift sein kann, jeden Erwerb von Grundstücken zur besseren Bewirtschaftung usw. zu begünstigen. Begünstigt ist vielmehr nur der Erwerb im Wege des Austausches von Grundstücken.
Zwischen dem reinen Kauf und dem reinen Grundstücksaustausch, deren steuerliche Behandlung nicht zweifelhaft sein kann, gibt es eine erhebliche Anzahl von Rechtsgeschäften, bei denen auf einer Vertragsseite nicht nur ein Grundstück, sondern auch Geld hinzugeben ist. Die grunderwerbsteuerliche Behandlung dieser Rechtsgeschäfte läßt sich dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig entnehmen. Der erkennbare Gesetzeszweck spricht aber nach Auffassung des Senats dafür, diese Rechtsgeschäfte in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufzuteilen. Auf diese Weise wird der Erwerb eines Grundstücks zur besseren Bewirtschaftung usw. zumindest insoweit begünstigt, als ein Austausch von Grundstücken vorliegt.
Die Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung würde demgegenüber im vorliegenden Fall nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen. Der Vertragspartner des Klägers hat das von ihm erworbene Grundstück nach der übereinstimmenden Auffassung der Prozeßbeteiligten, die auch die des FG ist, zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken erworben. Wäre das Rechtsgeschäft wegen der Höhe der Zuzahlung im vollen Umfang steuerpflichtig, so wäre somit auch der Grundstückserwerb des Vertragspartners des Klägers voll steuerpflichtig, obwohl jener seinerseits ein Grundstück hingegeben hat, das wertvoller als das erhaltene Grundstück war, und daneben keine Zuzahlung zu leisten hatte. Ein solches Ergebnis hielte der Senat für unannehmbar, da der Vertragspartner des Klägers jedenfalls das erworbene Grundstück im Austauschwege erhalten hat, mag er wegen des hohen Wertes des hingegebenen Grundstückes auch noch eine Zuzahlung erhalten haben. Diese Zuzahlung steht aber nicht mit dem erworbenen Grundstück, sondern mit dem hingegebenen Grundstück in einer wechselseitigen Abhängigkeit. Aus der Steuerfreiheit des Erwerbs des Vertragspartners des Klägers folgt, daß auch der Erwerb der Hofparzelle durch den Kläger insoweit steuerfrei ist, als diesem Erwerb der Grundstückserwerb des Vertragspartners als Gegenleistung gegenübersteht. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 bereits dann auf beide Tauschvorgänge anwendbar, wenn sich durch den Grundstücksaustausch nur für einen Tauschpartner eine bessere Bewirtschaftung seiner landwirtschaftlichen Grundstücke ergibt (Urteil vom 9. März 1960 II 80/58 U, BFHE 70, 547, BStBl III 1960, 204).
Fundstellen
Haufe-Index 71699 |
BStBl II 1976, 94 |
BFHE 1976, 183 |