Erste Einschätzung des BMF-Schreibens v. 10.5.2022
[Ohne Titel]
Claas Winkler, RA/StB / Thomas Carlé, RA/FASt
Für die ertragsteuerrechtliche Beratungspraxis wird die Bedeutung von Kryptowährungen zunehmend größer. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich nun auch das Bundesfinanzministerium (BMF) zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token geäußert hat. Der folgende Beitrag soll daher einen Überblick über die wichtigsten Regelungen des neuen BMF-Schreibens geben.
I. Überblick
In Zeiten, in denen von Begriffen wie
- "Krypto-Crash",
- dem "Ausverkauf am Kryptomarkt" oder
- "Bitcoin-Crash"
die Rede ist, hat das BMF am 10.5.2022 sein seit Längerem erwartetes Schreiben zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token veröffentlicht.
Vorausgegangen waren dem BMF-Schreiben
- ein Entwurf zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und Token vom 14.6.2021 und
- die Anhörung verschiedener Verbände aus dem Kryptobereich.
1. Keine Verlängerung der Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG
Die für die Praxis wohl relevanteste Aussage des neuen BMF-Schreibens ist, dass bei virtuellen Währungen die Verlängerung der Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG nicht zur Anwendung kommt. Mithin unterliegen – im Privatvermögen gehaltene – Kryptowährungen regelmäßig nur der einjährigen Haltefrist und können im Anschluss daran grundsätzlich steuerfrei veräußert werden.Beachten Sie: Insbesondere in der Vergangenheit hat die drohende Verlängerung der Veräußerungsfrist, z.B. in Fällen des Lending oder Staking, auf zehn Jahre nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG zu erheblichen Unsicherheiten in der Beratungspraxis geführt.
2. BMF-Schreiben lässt noch vieles ungelöst
Dennoch schafft es das BMF-Schreiben nicht,
- alle – i.R.d. Entwurfs diskutierten Probleme – zu lösen bzw.
- für die Praxis brauchbare Handlungsempfehlungen zu geben.
Zwar Kategorisierung, ...: Aus Beratersicht ist jedoch positiv hervorzuheben, dass das BMF-Schreiben zunächst die technischen Aspekte erläutert, dabei zwischen
- Currency Token,
- Utility Token,
- Security Token,
- Equity Token und
- Debt Token
differenziert und anschließend eine ertragsteuerrechtliche Würdigung vornimmt.
... jedoch fehlende Abgrenzungskriterien und Merkmalen: Allerdings fehlt es für die Praxis an Abgrenzungskriterien oder konkreten Merkmalen für die jeweilige Kategorisierung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das BMF-Schreiben davon spricht, dass Token eine Kombination der verschiedenen Kategorien beinhalten können. Was das für die steuerliche Einordnung bedeutet, bleibt offen, wird den Rechtsanwender in der Praxis jedoch vor erhebliche Probleme stellen. Darüber hinaus bleibt das Schreiben an einigen Stellen offen bzw. führt zu Unsicherheiten bei der Beratung.
Der nachfolgende Beitrag soll eine Übersicht über die wichtigsten Regelungen im neuen BMF-Schreiben zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token geben.
II. Definitionen
Zu Beginn des BMF-Schreibens vom 10.5.2022 werden – wie bereits im Entwurf vom 14.6.2021 – die wichtigsten Begrifflichkeiten definiert.
Begriff der "virtuellen Währungen": Nach dem BMF-Schreiben sind virtuelle Währungen digital dargestellte Werteinheiten von Währungen, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber deren Werteinheiten von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.
Systematische Widersprüche bei der Einordnung von Kryptowährungen: Gerade im Hinblick auf die Einordnung von Kryptowährungen lassen sich systematische Widersprüche zwischen
- dem BMF-Schreiben und
- der bisher publizierten Verwaltungsansicht
erkennen. In einer Kurzinformation betreffen...