Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ist nur deshalb verfassungsgemäß, weil der Steuerpflichtige das Wahlrecht zur Führung eines Fahrtenbuchs hat (vgl. BFH v. 20.3.2014 – VI R 35/12, BStBl. II 2014, 643; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entsch. angenommen, vgl. BVerfG v. 27.5.2006 – 2 BvR 524/04, n.v.; zuletzt auch BFH v. 15.5.2018 – X R 28/15, BStBl. II 2018, 712, Az. BVerfG 2 BvR 2129/18; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 795 [Juni 2021]).
Ausführung des BFH: Zur Voraussetzung der Möglichkeit, nach der Fahrtenbuchmethode abzurechnen, für die Verfassungsmäßigkeit der 1-%-Regelung führt der BFH aus (BFH v. 24.2.2000 – III R 59/98, BStBl. II 2000, 273, juris, hier Rz. 22):
"Bei der sog. Ein-Prozent-Regelung handelt es sich nicht um eine unwiderlegbare Typisierung, sondern der Steuerpflichtige kann der Anwendung der typisierenden Regelung durch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts entgehen. Hier kann es nicht darauf ankommen, ob sich die Typisierung nur für eine kleine Zahl von Steuerpflichtigen nachteilig auswirkt; denn der Steuerpflichtige muss die Typisierung nicht gegen sich gelten lassen, wenn er den tatsächlichen Sachverhalt nachweist. So hat das BVerfG z.B. zum Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG entschieden, dass es verfassungsgemäß ist, nur einen Mindestaufwand zu typisieren, wenn der Nachweis höherer Kosten ausdrücklich zugelassen wird (BVerfG in BVerfGE 96, 1, 9). Die Typisierung eines Mindestaufwandes kann sich an einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Steuerpflichtigen orientieren (wie z.B. deutlich der bis 1989 geltende Werbungskosten-Pauschbetrag von 564 DM), während der größte Teil der betroffenen Steuerpflichtigen höhere Aufwendungen hat und diese Aufwendungen nachweisen muss, wenn sie steuerlich berücksichtigt werden sollen. Denn der Bürger hat von Verfassungs wegen kein Recht darauf, dass ihm eine Regelung mit den für ihn günstigsten Möglichkeiten (im Streitfall: keine Fahrtenbuchführung und eine dem jeweiligen Einzelfall angepasste Abgrenzung der Betriebsausgaben von den Aufwendungen für die private Kfz-Nutzung) zur Auswahl angeboten wird (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 361). Bei einer widerlegbaren Typisierung steht es dem Gesetzgeber vielmehr frei, die günstigen Auswirkungen des typisierten Betrages auf eine kleine Gruppe zu beschränken oder sie für eine große Gruppe von Steuerpflichtigen vorzusehen." ...
" ... Die sog. Ein-Prozent-Regelung kommt daher auch nicht einer unwiderlegbaren Typisierung gleich, für die strengere verfassungsrechtliche Maßstäbe gelten würden." (BFH v. 24.2.2000 – III R 59/98, BStBl. II 2000, 273, juris, hier Rz. 30).
Das bedeutet, dass Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der 1-%-Regel ist, dass der Steuerbürger das Wahlrecht zur Führung eines Fahrtenbuchs hat. Wenn er ein solches Fahrtenbuch führt, muss das Ergebnis des Fahrtenbuchs auch berücksichtigt werden, wenn das Fahrtenbuch ordnungsgemäß ist. Wenn ihm aber gesetzlich aufgrund der strafbewehrten Schweigepflicht die Vorlage eines nicht neutralisierten Fahrtenbuchs verwehrt ist, hat der durch Gesetz zur Verschwiegenheit verpflichtete Rechtsanwalt, Arzt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer usw. faktisch nicht mehr das Wahlrecht zur Führung eines Fahrtenbuchs. Das führt dazu, dass gegenüber diesem Personenkreis die Verfassungsmäßigkeit von § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG im Ergebnis nicht mehr gegeben ist.
Verfassungskonforme Auslegung der Fahrtenbuchregelung: Da ein Gesetz verfassungskonform auszulegen ist, muss bei verfassungskonformer Auslegung die Vorlage des neutralisierten Fahrtenbuchs ausreichen, um den steuerlichen Privatanteil sowohl einkommensteuerlich als auch umsatzsteuerlich nach der Fahrtenbuchmethode zu ermitteln.
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz: Hinzu kommt, dass nicht zur Verschwiegenheit verpflichtete Steuerbürger nicht durch die Verschwiegenheitspflicht gehindert sind, die Fahrtenbuchmethode anzuwenden, während zur Verschwiegenheitspflicht verpflichtete Steuerbürger durch die Verschwiegenheitspflicht daran gehindert wären, wenn die Vorlage eines neutralisierten Fahrtenbuches nicht anerkannt wird. Eine solche unterschiedliche Behandlung der Steuerbürger ist sachlich nicht begründet und verstößt deshalb gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes.