Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1986 bis 1989
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) Grenzgänger im Sinne von Art. 15 Abs. 4 des Abkommens der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (im folgenden DBA/Schweiz 1971) vom 11. August 1971 (Bundesgesetzblatt –BGBl– II 1972, 1021 = Bundessteuerblatt –BStBl– I 1972, 518) ist.
Der Kl. wohnt seit November 1986 in G., einem Ortsteil der Gemeinde N. und ist seitdem als Servicetechniker in B./Schweiz beschäftigt. Der Ortsmittelpunkt der Gemeinde N. liegt – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – innerhalb eines Grenzbereichs von 30 km von der schweizerischen Grenze entfernt. Der schweizerische Arbeitgeber behielt vom Arbeitslohn Quellensteuer ein und führte diese an die Steuerverwaltung des Kantons B. ab. In den Einkommensteuer(ESt)-Erklärungen 1986 bis 1989 beantragte der Kl. Steuerfreiheit nach dem DBA/Schweiz 1971 für den Arbeitslohn für die Tätigkeit im Ausland. In Bescheiden vom 7. April 1988, 13. Juli 1989, 20. November 1990 sowie 29. Januar 1991 behandelte das beklagte Finanzamt (FA) den Kl. hingegen als Grenzgänger i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DBA/Schweiz 1971 und unterwarf die ausländischen Einkünfte der ESt.
Gegen diese Bescheide legte der Kl. Einspruch ein (vgl. Schreiben vom 14. April 1988, 19. Juli 1989, 27. November 1990 sowie 29. Januar 1991). Mit Zustimmung des Kl. ruhten die Einspruchsverfahren zunächst nach § 363 Abs. 2 AO. Bezüglich der hier allein streitigen Rechtsfrage hatten sie keinen Erfolg (vgl. einheitliche Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1991).
Im Urteil vom 6. Februar 1991 I R 125/90 hat der Bundesfinanzhof – BFH– das FA auf die Revision des Kl. verpflichtet, die Vollziehung des ESt-Bescheids 1986 auszusetzen, da Unsicherheit und Unentschiedenheit hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage bestehe, ob die Einkünfte des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit steuerfrei oder steuerpflichtig sind.
Mit der am 19. August 1991 erhobenen Klage begehrt der Kl. weiterhin Steuerfreiheit der Arbeitseinkünfte. Zur Begründung seines Begehrens läßt er im wesentlichen folgendes ausführen: Er sei kein Grenzgänger i.S.d. DBA/Schweiz 1971, da sein Wohnsitz im Ortsteil G. der Gemeinde N. mehr als 30 km von der Grenze entfernt sei. Nach Auskunft der Steuerverwaltung des Kantons B. sei er deshalb in der Schweiz quellensteuerpflichtig. Demgemäß habe der Arbeitgeber von seinem Arbeitslohn schweizerische Steuer einbehalten und an die Schweizer Steuerbehörde abgeführt. Das beklagte FA habe ihn zu Unrecht als Grenzgänger i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DBA/Schweiz 1971 eingestuft. Unstreitig seien die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 DBA/Schweiz 1971 für die Steuerbefreiung der Einkünfte in der Bundesrepublik erfüllt. Entgegen der Auffassung des FA seien jedoch die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA/Schweiz 1971, der bei Vorliegen der Voraussetzungen Art. 24 Abs. 1 d i.V.m. Art. 15 Abs. 1 DBA/Schweiz 1971 vorginge, nicht erfüllt. Das Verhandlungsprotokoll vom 18. Juni 1971 zu Art. 15 Abs. 4 DBA/Schweiz 1971, welches zur Auslegung des Art. 15 Abs. 4 DBA/Schweiz 1971 heranzuziehen sei, stelle auf den Wohnsitz des Grenzgängers ab. Interpretiere man den Wohnsitzbegriff im Sinne des Verhandlungsprotokolls unter Heranziehung des Art. 3 Abs. 2 DBA/Schweiz 1971 nach deutschem Recht (§ 8 Abgabenordnung – AO– 1977), so sei auf die Entfernung der Wohnung des Kl. von der Grenze zur Schweiz abzustellen. So auch der BFH im Vorbescheid vom 6. Februar 1991 I R 125/90, welcher gem. Schreiben des BFH vom 14. Mai 1991 als Urteil wirke. Hätte man die Wohnsitzgemeinde (also den Wohnort) als entscheidendes Kriterium ansehen wollen, dann wäre dieser Begriff in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen worden. Zwar werde in dem Verhandlungsprotokoll auch der Wohnortbegriff verwendet, er müsse jedoch mit dem Wohnsitzbegriff nicht synonym verstanden werden. Das Erfordernis der täglichen Rückkehr beziehe sich nämlich auf den Wohnsitz und die Beförderung von der Arbeitsstätte auf den Wohnort. Dafür spreche auch die Verwendung des Begriffs „ansässig sein” in Art. 15 Abs. 4 DBA/Schweiz 1971. Der Begriff werde in Art. 4 Abs. 1 DBA/Schweiz 1971 – wenn auch jeweils in bezug zu einem der Vertragsstaaten – für Zwecke des Abkommens definiert. Die Definition knüpfe an den Wohnsitz i.S.d. § 8 AO 1977 bzw. an den gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 9 AO 1977 und in Art. 4 Abs. 2 DBA/Schweiz 1971 hilfsweise an die ständige Wohnstätte als eine qualifizierte Form des Wohnsitzes i.S.d. § 8 AO 1977 an. Dies spreche dafür, die „Ansässigkeit in der Nähe der Grenze zur Schweiz” von der Wohnung des Grenzgängers aus zu berechnen. Daraus ergebe sich, daß, wenn nicht schon die Wohnung als entscheidender Entfernungspun...