rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutsches Besteuerungsrecht für von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an in Kanada ansässigen, beschränkt steuerpflichtigen Rentner gezahlte Rente. Rentenbesteuerung durch Steuerabzug nach § 50a Abs. 7 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Weder die Regelungen in Art. 18 DBA Kanada noch das Zusatzprotokoll zu dem Abkommen verhindern eine Besteuerung von Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, die an in Kanada ansässige, beschränkt steuerpflichtige Rentenempfänger gezahlt werden, durch die Bundesrepublik Deutschland (Anschluss an BFH, Urteil v. 20.12.2017, I R 9/16). Die Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unterfallen nicht der Spezialvorschrift des Artikels 18 Abs. 2 DBA Kanada, sondern Art. 18 Abs. 1 DBA Kanada.
2. Die deutsche gesetzliche Rentenversicherung ist kein staatliches Organ im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b Alt. 2 DBA Kanada.
3. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b Alt. 1 DBA Kanada können Ruhegehälter auch in dem anderen Vertragsstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland) besteuert werden, wenn die Beiträge zu den Altersversorgungskassen oder -systemen im anderen Staat (hier: Deutschland) steuerlich abzugsfähig waren; dies setzt nicht eine tatsächliche und volle Abziehbarkeit, sondern vielmehr lediglich eine Abziehbarkeit dem Grunde nach voraus. Die steuerliche Abziehbarkeit dem Grunde nach ist nach deutschem Einkommensteuerrecht durch den beschränkten Sonderausgabenabzug (hier: nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung) gewährleistet; soweit § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. (geändert zu Satz 3 in der vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) die Abziehbarkeit von Beiträgen des Steuerpflichtigen zur gesetzlichen Rentenversicherung ab seiner Emigration nach Kanada ausgeschlossen hat, war ihm der Sonderausgabenabzug nicht dem Grunde nach versagt, sondern vielmehr nur aus persönlichen Gründen.
4. Hat der in Kanada ansässige, beschränkt steuerpflichtige Rentner die Einkommensteuer, die wegen der von der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Leistungen festgesetzt worden ist, in den Vorjahren nicht bezahlt und verweigert in vergleichbaren Fällen Kanada die Durchführung von Amtshilfe im Wege von Vollstreckungsmaßnahmen, ist die Anordnung der Durchführung der Besteuerung durch das Steuerabzugsverfahren nach § 50a Abs. 7 EStG nicht ermessensfehlerhaft, sondern entspricht dem gesetzlichen Zweck der Vorschrift.
5. Die Anordnung nach § 50a Abs. 7 EStG erweist sich auch nicht deswegen als ermessensfehlerhaft, weil durch sie kein Vollstreckungsschutz gewährt wurde; Erwägungen zum Vollstreckungsschutz haben die Finanzbehörden bei der Anordnung des Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 EStG bereits dem Grunde nach nicht in ihre Ermessenserwägungen einzustellen.
Normenkette
FGO § 102 S. 1; AO § 2 S. 1, §§ 5, 319; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 7, § 50a Abs. 7, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. a; DBA CAN 1981 Art. 18 Abs. 1 S. 2 Buchst. a, b, c, Abs. 2; DBA-Kanada Art. 18 Abs. 3 Buchst. c; DBA CAN 1981 Art. 27; ZPO § 850; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 4.629 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Anordnung des Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die am … geborene Klägerin lebt in Kanada. Seit dem 22.10.1971 erhält sie eine Leibrente im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 lit. a) sublit. aa) EStG. Seit dem 01.06.1992 bezieht sie eine weitere Leibrente.
Der Beklagte veranlagte die Klägerin unter Berücksichtigung der vom Rententräger übermittelten Rentenbeträge als beschränkt steuerpflichtig und setzte mit Steuerbescheiden jeweils vom 05.11.2012 für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 Einkommensteuern in Höhe von insgesamt 1.436 EUR fest. Die Klägerin entrichtete die festgesetzten Steuern nicht.
Unter dem 21.08.2014 ordnete der Beklagte daher den Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 7 EStG in der Weise an, dass der Rententräger (die Beigeladene) ab November 2014 einen Betrag in Höhe von monatlich 278 EUR an den Beklagten abzuführen hat. Die Beträge ab Januar 2015 wurden mit monatlich 47 EUR festgelegt. Mit Schriftsatz vom selben Tage wurde die Klägerin über diese Anordnung informiert.
Mit Eingang beim Beklagten am 28.08.2014 legte die Einspruchsführerin gegen die Anordnung des Steuerabzuges Einspruch ein. Zur Begründung führte sie an, dass das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern durch Urteil vom 13.01.2016 (1 K 453/13) entschieden habe, dass die Besteuerung der Renten von in Kanada lebenden Leistungsempfängern unzulässig sei.
Durch Einspruchsentscheidung vom 09.09.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Darin führt er im Wesentlichen aus:
Die Anordnung des Steuerabzuges sei rechtmäßig erfolgt. Sie diene der Sicherstellung des Steueranspruches und damit der ordnungsgemäß...