Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 629
Allgemeine Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 1 AO). Die Beteiligten sind nach § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, indem sie insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Die Beteiligten sind damit primäres Aufklärungs- und Beweismittel in der Steuersache des Beteiligten. Das Bestehen von Mitwirkungspflichten ändern aber nichts daran, dass die Finanzbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat (§ 88 AO). Die Mitwirkungspflichten statuieren keine subjektive Beweislast (Beweisführungslast) des Beteiligten, sodass die Finanzbehörde den Sachverhalt (auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen, § 88 Abs. 1 Satz 1 AO) auch dann (weiter) aufzuklären hat, wenn der Steuerpflichtige nicht hinreichend mitwirkt. Die Mitwirkungspflichten führen aber auch nicht dazu, dass der Steuerpflichtige unaufgefordert aus eigener Initiative ohne vorherigen Aufklärungsversuch der Finanzbehörde (z.B. Anfrage beim Steuerpflichtigen) das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen nachzuweisen hat. Die Mitwirkungspflichten dürfen daher nicht in der Weise interpretiert werden, dass faktisch die objektive Beweislast (Feststellungslast) umgekehrt wird. Vielmehr folgt aus der Feststellungslast der Finanzbehörde, dass diese zunächst konkrete Ermittlungen anstellen muss, in deren Rahmen sie den Steuerpflichtigen zu bestimmten Mitwirkungshandlungen auffordern kann. Erst wenn der Steuerpflichtige dem nicht in gebotenem Umfang nachkommt und deshalb nach Ausschöpfung der behördenseitigen Erkenntnismöglichkeiten noch Unsicherheiten verbleiben, kann dies zu Lasten des Steuerpflichtigen gewertet werden (vgl. auch Rz. 633).
Rz. 630
Erweiterte Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 2 AO). Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge im Ausland bezieht (Auslandssachverhalt), so haben die Beteiligten nach § 90 Abs. 2 Satz 1 AO (i) diesen Sachverhalt aufzuklären und (ii) die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (sog. erweiterte Mitwirkungspflicht, s. näher Rz. 631). Dies hat seinen Grund darin, dass die Finanzbehörde aufgrund der formellen Territorialität der Hoheitsgewalt nur auf deutschem (und nicht auf ausländischem) Territorium Amtshandlungen vornehmen kann. Im Rahmen von § 50d Abs. 3 EStG (dem in aller Regel ein solcher Auslandssachverhalt zugrunde liegt), muss demnach der Steuerpflichtige sämtliche Tatsachen aufklären und die entsprechenden Beweismittel beschaffen, die für die Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Alt. 2 EStG (hinsichtlich Satz 2 Alt. 2 trägt der Steuerpflichtige ohnehin eine subjektive Beweislast, vgl. Rz. 517) erforderlich sind. Das BZSt versendet hierzu regelmäßig einen ausführlichen Fragebogen, den der Steuerpflichtige (soweit es für die Prüfung des § 50d Abs. 3 EStG erforderlich ist, vgl. Rz. 632) zu beantworten hat.
Rz. 631
Reichweite bzw. Grenzen der Mitwirkungspflichten. Die Beteiligten haben nach § 90 Abs. 2 AO die Pflicht,
- den Sachverhalt aufzuklären (Aufklärungspflicht, vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 AO)
- für die Erfüllung der Aufklärungspflicht Vorsorge zu treffen (Aufklärungsvorsorgepflicht, vgl. § 90 Abs. 2 Satz 3 AO)
- die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (Beweismittelbeschaffungspflicht, vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 AO)
- für die Erfüllung der Beweismittelbeschaffungspflicht Vorsorge zu treffen (Beweismittelbeschaffungsvorsorgepflicht, vgl. § 90 Abs. 1 Satz 3 AO).
Diese Pflichten bestehen jeweils nur insoweit, als deren Erfüllung für den Steuerpflichtigen möglich, zumutbar und verhältnismäßig ist (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 2, 3 AO). Gerade im Rahmen der Aufklärung von Tatsachen, die für die Prüfung der persönlichen Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG erforderlich sind, kann es (wenn nicht gerade eine Personalunion in der Geschäftsführung der beteiligten Gesellschaften besteht) zu Schwierigkeiten bei der Aufklärung durch die Körperschaft kommen. Insoweit ist es erforderlich, dass die Körperschaft die Verhältnisse ihrer Gesellschafter und (wenn dies ebenfalls Körperschaften sind) für die Prüfung im Rahmen der verschachtelten Prüfung (vgl. Rz. 220) die Verhältnisse der mittelbar an ihr beteiligten Personen aufklärt und entsprechende Beweismittel beschafft. In diesen Fällen wird es nicht selten vorkommen, dass die Körperschaft keine tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten hat, an die notwendigen Informationen zu gelangen (und dafür vorzusorgen). Zwar geht die FinVerw im Bereich der Verrechnungspreise davon aus, dass zu den im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflicht vorzulegenden Beweismittel auch Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Unterlagen sowie Daten ausländischer nahestehender Personen gehören. Doch soll dann kein Verstoß gegen e...