Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 2686
OECD-Praxis bis 2010. In den OECD-Leitlinien 2010 wird verschiedentlich festgestellt, dass die Ermittlung von Verrechnungspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter oftmals mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Die OECD fordert insofern für den Fall, dass die Wertermittlung im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses eine hohe Unsicherheit aufweist bzw. der Wert noch gar nicht feststellbar ist, die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Hierbei wird als eine im Einzelfall angemessene Möglichkeit, Unsicherheiten zu begegnen, nicht aber als widerlegbare Vermutung, u.a. auch die Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln genannt. Für die Steuerverwaltung besteht jedoch nach Auffassung der OECD dann kein Anpassungsbedarf, wenn fremde Dritte eine solche Preisanpassungsklausel nicht vereinbart hätten. Denn in diesen Fällen käme eine Korrektur einer unangemessenen, mit dem Fremdvergleichsgrundsatz unvereinbaren rückwirkenden Beurteilung aufgrund nachträglicher Erkenntnisse gleich. Im Ergebnis geht die OECD in ihren Leitlinien 2010 also ursprünglich noch nicht von einer zwingenden Anwendung von Preisanpassungsklauseln bzw. einer Umkehr der Beweislast durch Schaffung widerlegbarer Vermutungen aus.
Rz. 2687
Neuerungen durch BEPS-Aktionspunkt 8 und die OECD-Leitlinien 2017. Als Teil des Aktionspunkts 8 des BEPS-Projekts hat die OECD am 4.6.2015 einen Diskussionsentwurf zum Umgang mit schwer bewertbaren immateriellen Werten veröffentlicht ("hard-to-value-intangibles – HTVI"). Hierin hat sie neue Richtlinien zur Verwendung von Ex-post-Informationen und Preisanpassungsklauseln erlassen. Dieser Entwurf ergänzt den bereits im September 2014 veröffentlichten Arbeitsstand zur Änderung des Kapitels VI der OECD-Leitlinien bezüglich der Behandlung immaterieller Werte und ist zwischenzeitlich sowohl in das am 5.10.2015 veröffentlichte Maßnahmenpaket als auch in die OECD-Leitlinien 2017 eingeflossen. Die diesbezüglichen Ausführungen in Kapitel VI der OECD-Leitlinien gliedern sich dabei in zwei Teile. Im ersten Teil wird dargestellt, wie eine fremdübliche Bepreisung erfolgen soll, wenn die Bewertung von immateriellen Werten im Zeitpunkt der Transaktion sehr ungewiss ist. Hierzu stellt die OECD zunächst fest, dass die Bewertung immaterieller Werte oftmals schwierig sein kann. In jedem Fall sei diesbezüglich aber auf den Fremdvergleichsgrundsatz abzustellen, was u.a. auch die Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln erfasse. Preisanpassungsklauseln stellen aber nur eine Möglichkeit dar, um mit der bestehenden Unsicherheit umzugehen. Es werden auch ausdrücklich andere Möglichkeiten zur Reduzierung der Unsicherheit genannt, z.B. die Vereinbarung von bedingten Zahlungen (contingent payments). Zudem hebt die OECD die aus Sicht der Finanzverwaltung bestehenden Risiken hervor. So könnten die Entwicklungen, die zum Zeitpunkt einer Transaktion mit immateriellen Werten vernünftigerweise hätten vorhergesehen werden können, von dieser je nach Einzelfall teils nur schwer abgeschätzt werden. Es bestünden daher Informationsasymmetrien und insofern ein Verrechnungspreisrisiko. Ex-post-Ergebnisse könnten jedoch ein Indiz zur Beurteilung der Fremdüblichkeit der durchgeführten Transaktion darstellen. Daher sollen diese als widerlegbare Hinweise herangezogen werden können, um das Ausmaß an Unsicherheiten zum Zeitpunkt der Transaktion, die Berücksichtigung vernünftigerweise vorhersehbarer Entwicklungen durch den Stpfl. sowie die Verlässlichkeit der verwendeten Informationen zu beurteilen. Weiterhin führt die OECD in einem zweiten Teil die Kategorie der schwer bewertbaren immateriellen Werte ein, die unter Abschnitt D.4. als sog. "hard-to-value intangibles" behandelt werden. HTVIs werden als "intangibles" oder Rechte an ebendiesen definiert, für die zum Übertragungszeitpunkt zwischen verbundenen Unternehmen
- keine belastbaren Vergleichsdaten existieren und
- zum Transaktionspunkt die Prognosen für zukünftige Cashflows oder Einkommenserwartungen fehlen oder die genutzten Annahmen bei der Bewertung der immateriellen Werte höchst unsicher sind.
Den OECD-Leitlinien seit 2017 zufolge weisen immaterielle Werte, welche als HTVI anzusehen sind, insofern mindestens eines der folgenden Charakteristika auf: Es handelt sich um immaterielle Werte,
- welche zum Zeitpunkt des Transfers nur teilweise entwickelt waren,
- deren kommerzielle Verwertung erst mehrere Jahre nach der Transaktion zu erwarten ist,
- welche für sich betrachtet zwar keine HTVI darstellen, jedoch mit der Entwicklung oder Verbesserung von anderen immateriellen Werten, welche selbst als HTVI eingeordnet werden können, verbunden sind,
- welche in einer Art verwendet werden können, die zum Transferzeitpunkt noch unbekannt bzw. neuartig ist,
- welche als HTVI für einen festen Preis an ein nahestehendes Unternehmen übertragen wurden, oder
- welche im Rahmen einer Umlagevereinbarung genutzt oder entwickelt werden.
Rz. 2688