Rn. 225

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Der durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen – AmtsHRLÄndUG – vom 20.12.2016 (BGBl I 2016, 3000) eingefügte § 50d Abs 12 EStG sieht vor, dass mit Wirkung vom 01.01.2017 Abfindungszahlungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses für Zwecke der DBA-Anwendung als ein zusätzliches Entgelt für frühere Tätigkeit gelten. Mit dieser gesetzlich normierten Auslegungsregel korrigiert der Gesetzgeber ein weiteres Mal die anders lautende BFH-Rspr, um befürchtete Aufkommensverluste bzw doppelte Nichtbesteuerungen im Falle von Abfindungen zu vermeiden (BT-Drs 18/10506, 78).

Der BFH hatte zuvor in ständiger Rspr zu sog Wegzugsfällen entschieden, dass das Besteuerungsrecht für Entlassungsentschädigungen abkommensrechtlich nicht dem vormaligen Tätigkeitsstaat, sondern nur dem Wohnsitzstaat zusteht (zuletzt BFH vom 10.06.2015, BStBl II 2016, 326 mwN). Begründet wurde dies damit, dass nach dem Wortlaut eines dem Art 15 Abs 1 OECD-MA entsprechenden Abkommens ein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates nur dann gegeben sei, wenn ein Entgelt kausal für die Erbringung der Arbeitsleistung gezahlt wird.

Entlassungsentschädigungen werden demgegenüber gerade nicht für eine im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern für den Verlust des Arbeitsplatzes und die dadurch entgangenen Einnahmen. Diese Besteuerungszuordnung sollte auch nicht durch eine mit dem anderen Vertragsstaat abgeschlossene Konsultationsvereinbarung, die durch eine Rechtsverordnung gem § 2 Abs 2 AO in innerstaatliches Recht umgesetzt worden war, geändert werden können. Insoweit bestand das Risiko, dass die mit einigen Staaten bereits existierenden Konsultationsvereinbarungen, die das Besteuerungsrecht für die Entlassungsentschädigung dem ehemaligen Tätigkeitsstaat zuordnen (ua mit Belgien, Großbritannien und der Schweiz) vor dem Hintergrund der gegenteiligen Rspr ins Leere laufen würden.

 

Beispiel:

Ein in Deutschland ansässiger ArbN erhält anlässlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12. von seinem inländischen ArbG eine Abfindung, die am 15.01. ausgezahlt werden soll. Der ArbN hat seine unselbstständige Tätigkeit zuvor ausschließlich in Deutschland ausgeübt.

Am 01.01. verlegt der ArbN seinen Wohnsitz in die Schweiz, so dass er bei Auszahlung der Abfindung in Deutschland nur noch beschränkt stpfl ist. Nach der Rspr des BFH wäre der Schweiz das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Abfindung zuzuordnen, da nach dem Wortlaut von Art 15 Abs 1 S 2 DBA Schweiz nur solche Vergütungen im Tätigkeitsstaat versteuert werden können, die konkret für die dort ausgeübte Tätigkeit geleistet werden. Bei Abfindungen, die als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, fehlt es jedoch an dem erforderlichen unmittelbaren Vergütungszusammenhang mit der zuvor ausgeübten Arbeit.

Auch die bestehende Konsultationsvereinbarung mit der Schweiz, die das Besteuerungsrecht für die Abfindung Deutschland zusprach, konnte dieses Ergebnis nicht ändern, da der vorliegende Wortlaut des Abkommens auch bei Umsetzung der Vereinbarung in eine Rechtsverordnung nicht wirksam abgeändert werden kann (so dezidiert BFH vom 10.06.2015, BStBl II 2016, 326 Tz 18 ff mwN).

 

Rn. 226

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Mit der Einfügung von § 50d Abs 12 EStG wird nunmehr eine generelle Besteuerung von Abfindungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Tätigkeitsstaat gesetzlich geregelt und ein entgegenstehender Abkommenswortlaut unilateral überschrieben (Treaty override). Der Gesetzgeber sieht sich hier im Einklang mit dem OECD Musterkommentar (Nr 2.7 zu Art 15 OECD-MA) und der gängigen Auslegungspraxis anderer Vertragsstaaten (zB Großbritannien, Niederlande, Österreich Schweiz, s Bourseaux/Sendler/Rauert in Schönfeld/Ditz, DBA, Art 15 DBA Rz 73 (2. Aufl 2019)).

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