Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 160
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
In § 50d Abs 9 EStG wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtline (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) vom 25.06.2021, BGBl I 2021, 2035, eine Nr 3 angefügt anzuwenden ab 01.07.2021. § 50d Abs 9 EStG idF ATADUmsG lautet wie folgt:
Zitat
„(9) 1Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, so wird die Freistellung der Einkünfte ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, soweit
- der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können,
- die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist, oder
- die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie einer Betriebsstätte in einem anderen Staat zugeordnet werden oder auf Grund einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung die steuerliche Bemessungsgrundlage in dem anderen Staat gemindert wird.
2Nummer 2 gilt nicht für Dividenden, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, es sei denn, die Dividenden sind bei der Ermittlung des Gewinns der ausschüttenden Gesellschaft abgezogen worden. 3Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie Absatz 8 und § 20 Absatz 2 des Außensteuergesetzes bleiben unberührt, soweit sie jeweils die Freistellung von Einkünften in einem weitergehenden Umfang einschränken. 4Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, nach denen Einkünfte aufgrund ihrer Behandlung im anderen Vertragsstaat nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden, sind auch auf Teile von Einkünften anzuwenden, soweit die Voraussetzungen der jeweiligen Bestimmung des Abkommens hinsichtlich dieser Einkunftsteile erfüllt sind.”
Primäre Zielsetzung der in DBA vereinbarten Begrenzung der Besteuerungsrechte ist die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerungen. In der deutschen Abkommenspraxis kommt dabei für Einkünfte, die aus einer unternehmerischen Tätigkeit im Ausland erzielt werden, regelmäßig die Freistellungsmethode zur Anwendung, dh, Deutschland in seiner Rolle als Ansässigkeitsstaat stellt die Einkünfte von der inländischen Besteuerung frei. Nimmt der andere Vertragsstaat jedoch sein Besteuerungsrecht nicht wahr, kann dies dazu führen, dass die Einkünfte weder in dem einen noch in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden (sog doppelte Nichtbesteuerung).
Um diese aus der Sicht des deutschen Gesetzgebers unerwünschten Konstellationen steuerlich erfassen zu können, wurde § 50d EStG durch das JStG 2007 (BGBl I 2006, 2878) um einen Abs 9 ergänzt, der in bestimmten Fällen unilateral den Übergang von der abkommensrechtlich vorgesehenen Freistellung zur Anrechnungsmethode vorsieht. Die Regelung erfasst
- Qualifikationskonflikte, bei denen die Vertragsstaaten Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zuordnen (§ 50d Abs 9 S 1 Nr 1 EStG),
- Fälle der Nichtbesteuerung im Quellenstaat, wenn diesem zwar abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zugewiesen wird, er sich jedoch an der Besteuerung der Einkünfte aufgrund seines innerstaatlichen Rechts gehindert sieht (§ 50d Abs 9 S 1 Nr 2 EStG), sowie
- Zurechnungskonflikte bei Betriebsstättensachverhalten (§ 50d Abs 9 S 1 Nr 3 EStG).
Die iRd ATAD-UmsG (BGBl I 2021, 2035) mit Wirkung für den VZ 2021 eingeführte Nr 3 des § 50d Abs 9 EStG versagt die abkommensrechtliche Freistellung von Betriebsstätteneinkünften, wenn der andere Vertragsstaat diese aufgrund einer abweichenden rechtlichen Einordnung nicht besteuert. Damit soll die Empfehlung 1.1 des OECD-Berichts zur Neutralisierung der Effekte sog "hybrid branches" (Hybrid branch-Bericht 2017) bzw die Vorgabe des Art 9 Abs 5 S 1 ATAD II RL (EU) 2017/952 umgesetzt werden (BT-Drs 19/28652, 42).
Beispiel (Jacobsen, DStZ 2021, 792, 798):
Die im Inland ansässige A ist alleinige Anteilseignerin der als PersGes einzuordnenden B LLC im Staat X. Diese Gesellschaft qualifiziert nach innerstaatlichem Recht der Bundesrepublik als Betriebsstätte, nach innerstaatlichem Recht des Staates X hingegen nicht. In 01 ist der B LLC ein Gewinn iHv TEUR 1 000 zuzurechnen.
Lösung:
Nach bisherigem Recht würde A in 01 weiße Einkünfte erzielen. Der Staat X würde schon nach seinem innerstaatlichen Recht auf eine Besteuerung verzichten. Deutschland würde gem Art 23A OECD-MA freistellen.
Nach neuem Recht entfällt diese Freistellung, weil die Einkünfte der B LLC im Staate X nur deshalb nicht stpfl sind, weil dieser sie der bundesrepublikanischen Betriebsstätte ...