Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
1. Anwendungsbereich
Rn. 227
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Regelung erfasst Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, und gilt für unbeschränkt und beschränkt StPfl gleichermaßen. Maßgeblich für die Anwendung des § 50d Abs 12 EStG ist der Zuflusszeitpunkt iSd § 11 EStG iVm § 38a EStG (s BFH vom 10.07.1996, BStBl II 1997, 341; BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 221). Der Anwendungsbereich bezieht sich ausschließlich auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, Abfindungen bei selbstständiger bzw freiberuflicher Tätigkeit sind nicht betroffen.
Das Gesetz differenziert auch nicht nach dem Grund der Beendigung des Dienstverhältnisses (Kündigung oder Aufhebung) oder die Rechtsgrundlage der Abfindung (gesetzliche oder tarifvertragliche Bestimmung, freiwillige Vereinbarung). Das Tatbestandsmerkmal einer Zahlung "anlässlich" der Beendigung des Dienstverhältnisses impliziert sowohl einen sachlichen als auch einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Abfindungszahlung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (so auch Gosch in Kirchhof, § 50d EStG Rz 53 (19. Aufl)).
Demgegenüber hält die FinVerw einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Zufluss der Abfindung und der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht für erforderlich. Sie geht von einem sachlichen Zusammenhang noch bei einem Zufluss innerhalb von fünf Jahren vor der Beendigung des Dienstverhältnisses aus (s BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 223), was uE jedoch nur in Ausnahmefällen sachgerecht sein kann.
Hinsichtlich des sachlichen Zusammenhangs ist der Tatbestand der Zahlung "anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses" eng auszulegen, so dass nur Kompensationsleistungen erfasst werden, die den Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen sollen (ganz hM zB Gosch in Kirchhof, § 50d EStG Rz 53 (19. Aufl); Wagner in Brandis/Heuermann, § 50d EStG Rz 187 (12/2023); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 326 (07/2018); Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, DBA, Art 15 MA Rz 79d (10/2019)). Keine Abfindungen iSd § 50d Abs 12 EStG sind daher Abgeltungszahlungen für bereits erdiente Ansprüche (zB nachträgliche Zahlungen für Boni, Urlaubs- oder Tantiemeansprüche), für Konkurrenz- und Wettbewerbsverbote (Abgeltung einer zukünftigen Belastung s BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 322) oder Leistungen zur Altersvorsorge. Letztere können vorliegen, wenn Pensionsansprüche kapitalisiert und in einem Einmalbetrag ausgezahlt werden (s BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 226). Die Zuordnung des Besteuerungsrechtes richtet sich in diesen Fällen nach Art 18 OECD-MA.
Die Ablösung von Pensionsansprüchen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zählt grds zu den laufenden Vergütungen aus unselbstständiger Tätigkeit iSd Art 15 Abs 1 OECD-MA. Erfolgt die Ablösung in zeitlichem Zusammenhang (höchstens ein Jahr) mit dem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand, kann dies ein Indiz für eine Abfindung mit Versorgungscharakter iSd Art 18 OECD-MA sein (s BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 226). Entsprechendes gilt für bereits erdiente Ansprüche auf Vorruhestandsgelder bzw deren Auszahlung als Einmalbetrag (s BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 319f).
2. Rechtsfolge
Rn. 228
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Als Rechtsfolge wird gesetzlich fingiert, dass die Abfindungszahlungen für die Abkommensanwendung "für frühere Tätigkeiten geleistetes zusätzliches Entgelt" darstellen. Damit knüpft die Regelung an den Wortlaut von Art 15 Abs 1 S 2 OECD-MA, der festlegt, dass der Tätigkeitsstaat die "dafür" gezahlten Vergütungen besteuern darf, wenn die unselbstständige Arbeit nicht im Ansässigkeitsstaat ausgeübt wird.
Für Zwecke der Anwendung eines DBA wird insoweit die abweichende BFH-Rspr überschrieben, nach der Abfindungszahlungen grds nicht für eine frühere Tätigkeit geleistet werden, sondern im Gegenteil für das Nicht-Mehr-Tätigwerden als ArbN (Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und die zukünftig entgangenen Einnahmen). Die Besteuerung der Abfindungszahlung soll grds korrespondierend zur Besteuerung der zuvor erhaltenen Vergütungen für die Arbeitsleistung erfolgen.
3. Anwendung eines DBA
Rn. 229
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 12 EStG entfaltet nur Wirkung für die Zuordnung des Besteuerungsrechts bei Vorliegen eines DBA. Ausfüllung und Umsetzung des Besteuerungsrechts richten sich ausschließlich nach den nationalen deutschen Vorschriften. Im Rahmen der beschränkten StPfl ist hierfür § 49 Abs 1 Nr 4 Buchst d EStG einschlägig. Fließt einem ehemaligen ArbN mit Wohnsitz in einem DBA-Staat eine Abfindung iSd § 50d Abs 12 EStG zu, wird diese im Rahmen der beschränkten StPfl nach § 49 Abs 1 Nr 4 Buchst d EStG erfasst, soweit für die zuvor ausgeübte Tätigkeit Einkünfte im Inland besteuert wurden. Besteuert auch der Wohnsitzstaat den entsprechenden Anteil der Abfindung (zB weil er eine der BFH-Rspr entsprechende Abkommensinterpretation zugrunde legt), kann die Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungsverfahren beseitigt werden (s Neyer, DStR 2017, 1632, 1634).
Eine Entla...