Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsvergütung. Angemessene Ausbildungsvergütung nicht tarifgebundener Vertragsparteien. Angemessene Ausbildungsvergütung im Geltungsbereich des Tarifvertrages der Mitgliedsbetriebe der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe (TG MKG) in Sachsen (hier i. d. F. v. 09.06.2006). angemessene Ausbildungsvergütung. Scheinvertrag. Handwerkskammer. Tarifvergütung. Tarifbindung. Tarifvertrag. Lehrlingsrolle. Ausbildungsverhältnis. Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe
Leitsatz (amtlich)
Bei der Vereinbarung einer angemessenen Ausbildungsvergütung nicht tarifgebundener Vertragsparteien eines Ausbildungsverhältnisses ist grundsätzlich auf den einschlägigen Tarifvertrag abzustellen. Unterschreitet die vertragliche Vereinbarung 80 % der nach dem Tarifvertrag zu zahlenden Ausbildungsvergütung, ist diese als nicht mehr angemessen i. S. v. § 17 Abs. 1 BBiG anzusehen. Der Ausbilder hat dann im Streitfall nicht die auf 80 % zu erhöhende, sondern die tarifliche Vergütung zu zahlen.
Nur wenn es an einer einschlägigen Regelung fehlt, kann für die Bestimmung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung auf die Empfehlungen der Kammern und Handwerksinnungen zurückgegriffen werden.
Schließen die Parteien nach Begründung des Ausbildungsverhältnisses auf Veranlassung des Ausbilders einen zweiten, nur zur Vorlage bei der Handwerkskammer zur Eintragung in die Lehrlingsrolle vorgesehenen Ausbildungsvertrag ab, ist im konkreten Einzelfall dann von einem Scheinvertrag i. S. v. § 117 BGB auszugehen, wenn die darin enthaltene „angemessene” Vergütungshöhe während des Bestehens des Ausbildungsverhältnisses weder gezahlt noch abgerechnet wird. Ein entsprechender, auf das Scheingeschäft gerichteter Parteiwille, insbesondere des Ausbilders, wird auch dadurch bestätigt, wenn selbst der zur „Abwicklung” des Ausbildungsverhältnisses mit einer zum Teil unter 60 % der tariflichen Vergütung geschlossene erste Vertrag nicht vereinbarungsgemäß erfüllt wird. (Die Zahlung der für das zweite Ausbildungsjahr vorgesehenen Vergütung erfolgt erst im dritten Ausbildungsjahr und die für das dritte Ausbildungsjahr vereinbarte weitere Erhöhung unterbleibt bis zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses).
Der jeweils zuständigen Stelle, der Handwerkskammer (HWK) oder der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist über die Eintragung der Ausbildungsverträge in die „Lehrlingsrolle” eine Rechtskontrolle übertragen, die sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BBiG i. V. m. §§ 17 Abs. 1 und 25 BBiG auch auf die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsabrede erstreckt.
Normenkette
BBiG § 17 Abs. 1; BGB § 117 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Urteil vom 05.03.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1076/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig – 3 Ca 1076/09 – vom 05.03.2010 teilweise
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Ausbildungsvergütung in Höhe von 5.660,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus jeweils 170,00 EUR seit dem 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007, 01.07.2007, 01.08.2007 und 01.09.2007,
aus jeweils 225,00 EUR seit dem 01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007, 01.01.2008, 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008, 01.07.2008, 01.08.2008 und 01.09.2008,
aus jeweils 230,00 EUR seit dem 01.10.2008, 01.11.2008, 01.12.2008 und 01.01.2009
abzüglich eines Nettobetrages in Höhe von 1.906,21 EUR zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten erster Instanz trägt der Beklagte. Die Kosten zweiter Instanz trägt der Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.12.2008.
Der Kläger hat mit dem Beklagten, der in … einen Kfz-Service betreibt, am 24.04.2006 einen Berufsausbildungsvertrag im Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker mit Schwerpunkt Pkw-Technik, mit einer Ausbildungszeit von 42 Monaten, für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2010 geschlossen. Als monatliche Ausbildungsvergütung haben die Parteien 230,00 EUR brutto für das erste Ausbildungsjahr, 280.00 EUR brutto für das zweite Ausbildungsjahr, 320,00 EUR brutto für das dritte Ausbildungsjahr und 390,00 EUR brutto für das vierte Ausbildungsjahr vereinbart. Von September 2006 bis August 2008 hat der Beklagte monatlich jeweils 230,00 EUR brutto und von September 2008 bis Dezember 2008 monatlich jeweils 280,00 EUR brutto abgerechnet und gezahlt.
Am 14.08.2006 haben die Parteien auf Veranlassung des Beklagten einen zu sonst gleichen Bedingungen weiteren Ausbildungsvertrag mit einer Ausbildungsvergütung für das erste Ausbildungsjahr in Höhe von 308,00 EUR brutto, für das zweite Ausbildungsjahr in Höhe von 352,00 EUR brutto, für das dritte Ausbildungsjahr in Höhe 396,00 EUR brutto und für das vierten Ausbildungsjahr i...