Leitsatz
1. Erhält ein Vermögensverwalter von einer Bank Provisionen für den An- und Verkauf von Wertpapieren im Namen und für Rechnung seines Mandanten, so führt er an die Bank steuerfreie Wertpapierumsätze aus.
2. Eine (unselbstständige) Nebenleistung kommt nur in Betracht, wenn sie gegenüber derselben Person wie die Hauptleistung erbracht wird.
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. e UStG , Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger betreute als selbstständiger Vermögensverwalter das Vermögen des X und übernahm für diesen u.a. auch die Anlage von und Spekulation mit Wertpapieren. Hierfür beauftragte er aufgrund seiner Vollmacht die Banken, für X Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen. Er erhielt – neben dem Entgelt von seinem Auftraggeber – auch von den Banken Provisionen für jede Wertpapiertransaktion. Der Kläger beurteilte die Provisionen als steuerfreie Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG.
FA und FG meinten, "Umsätze von Wertpapieren" und "Optionsgeschäfte mit Wertpapieren" im Sinn dieser Vorschrift lägen nur vor, wenn der An- und Verkauf von Wertpapieren bzw. der entsprechende Abschluss von Optionsverträgen mit Wertpapieren im eigenen Namen und für eigene Rechnung vorgenommen werde. Eine Vermittlung von Umsätzen mit Wertpapieren sei nicht gegeben, weil die Tätigkeit des Klägers als Nebenleistung des Klägers zu seiner Hauptleistung, der Vermögensverwaltung für X, zu beurteilen sei.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Bei dem An- und Verkauf der Wertpapiere für seinen Auftraggeber handelt es sich um Umsätze, die "geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen". Die Provisionen, die der Kläger von den Banken erhielt, bezogen sich ganz offensichtlich nicht auf Leistungen, die – auch aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters – als Optimierung der Leistungen des Klägers an X beurteilt werden könnten. Der Kläger hat gleichzeitig zwei Herren gedient – auch umsatzsteuerrechtlich.
Hinweis
1. Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG u.a. die Vermittlung der Umsätze und die Vermittlung von Umsätzen von Wertpapieren; die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren (Depotgeschäft) ist – entsprechend der Vorgabe in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL – seit 1991 nicht mehr befreit.
Der EuGH hat im Urteil vom 13.12.2001, Rs. C-235/00 – CSC –, UR 2002, 84 das Tatbestandsmerkmal "Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen" ausgelegt und entschieden, dass es sich dabei nur um Umsätze handelt, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen; es genügen also insoweit nicht etwa schon rein materielle, technische oder administrative Leistungen! Diese Auslegung der 6. EG-RL ist auch für die Auslegung der nationalen Vorschrift verbindlich. Kauft und verkauft jemand für Rechnung eines Dritten Wertpapiere bei den Banken, begründet er dadurch (unmittelbar) Rechte und Pflichten in Bezug auf die gekauften bzw. verkauften Wertpapiere.
Die Beurteilung der Frage, ob eine Leistung als selbstständig oder (nur) als Nebenleistung zu einer Hauptleistung zu beurteilen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung liegt aber nicht schon vor, wenn der Leistende identisch ist und ein und dieselbe Handlung (z.B. Verkauf von Wertpapieren) zugleich zwei Rechtsverhältnisse mit unterschiedlichen Leistungsempfängern (Bank und Auftraggeber) bedient.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.7.2002, V R 44/01