Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 18
§ 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG kommt nicht zur Anwendung, wenn die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung auf einer Schenkung i. S. d. § 3 Nr. 2 GrEStG beruht. Denn § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG setzt die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung voraus und ist daher einschränkend dahin gehend auszulegen, dass – trotz der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders – die Vergünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG nicht entfällt, wenn aufgrund einer Anteilsschenkung eine Steuerumgehung objektiv ausscheidet (s. BFH v. 7.10.2009, II R 58/08, BStBl II 2010, 302 und koordinierter Ländererlass, z. B. FinMin Nordhrein-Westfalen v. 14.1.2010, S 4505 – 3 – V A 6, GrESt-Kartei NRW § 5 GrEStG Karte 6 II). Bei einer gemischten Schenkung kann allerdings keine vollständige Freistellung erfolgen, da § 3 Nr. 2 GrEStG nur insoweit greift, als eine Schenkung gegeben ist. Bei einer gemischten Schenkung ergibt sich demnach nur eine anteilmäßige Freistellung bzw. Rückgängigmachung. Zur Ermittlung des nach § 3 Nr. 2 GrEStG freigestellten Anteils und des Umfangs der Steuervergünstigung insgesamt in diesen Fällen siehe das bei OFD Münster v. 31.8.2012, S 4514-7-St 24-35, entnommene Beispiel in § 5 GrEStG Rz. 16f.; die dortigen Ausführungen zur Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG und des § 5 Abs. 2 GrEStG gelten entsprechend auch für die einschlägigen, unter § 3 Nr. 2 GrEStG und § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 GrEStG fallenden Vorgänge.
Soweit auf eine Anteilsübertragung § 3 Nr. 2 GrEStG Anwendung findet, ist zu beachten, dass eine evtl. Weiterübertragung oder Verminderung des geschenkten Anteils durch den Beschenkten innerhalb der noch verbleibenden Zehnjahresfrist für die Vergünstigung des § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 GrEStG schädlich wäre, da eine solche Weiterübertragung bzw. Verminderung in keinem Zusammenhang mit der Schenkung steht mit der Folge, dass eine nachfolgende Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG zu keiner Doppelbesteuerung mit Schenkung- und Grunderwerbsteuer führt. Das Finanzamt wird den Vorgang daher insoweit weiterhin zu überwachen haben. Dabei ist bei der Überwachung der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG für den nach § 3 Nr. 2 GrEStG begünstigt übertragenen Anteil zu beachten, dass eine evtl. schädliche Veränderung i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG nur insoweit Berücksichtigung finden kann, als diese nicht bereits auf den nachversteuerten Anteil entfällt.
Die Verminderung des Anteils des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen ist unschädlich, soweit ein Anteilsübergang auf Angehörige erfolgt, die ohnehin Grundstücke vom Gesellschafter kraft Gesetzes (z. B. § 3 Nr. 4 und 6 GrEStG) steuerfrei erwerben könnten.
In entsprechenden Fällen ist allerdings der Rechtsnachfolger an die zehnjährige Behaltensfrist des Rechtsvorgängers gebunden. Die Behaltensfrist des Rechtsvorgängers läuft in der Person des Rechtsnachfolgers weiter. Eine neue zehnjährige Frist beginnt insoweit nicht.
Das Ausscheiden eines nach § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 GrEStG begünstigt übergegangenen Grundstücks durch einen erneuten grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang (z. B. Veräußerung) innerhalb der Zehnjahresfrist führt nicht zur rückwirkenden Versagung der gewährten Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG, weil das Ausscheiden des Grundstücks aus dem grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnungsbereich der Gesamthand/des Gesamthänders der Grunderwerbsteuer unterliegt und damit eine Missbrauchsgestaltung objektiv ausgeschlossen ist (vgl. koordinierter Ländererlass, z. B. FinMin Baden-Württemberg v. 5.6.2009, 3 – S 451.4/24, DB 2009, 1626; vgl. auch BFH v. 23.9.2009, II R 61/08, BFH/NV 2010, 680). Mit dem Ausscheiden des Grundstücks bzw. seiner Veräußerung entfällt somit eine weitere Überwachung nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG.
An der OHG X und der OHG Y sind A, B und C zu je 1/3 beteiligt. Am 10.1.2011 überträgt die OHG X ein Grundstück auf die OHG Y. Am 20.9.2011 veräußert die OHG Y das von der OHG X übertragene Grundstück an C. In 2012 scheidet A aus der OHG Y aus, indem er seinen Anteil auf D überträgt.
Die Grundstücksübertragung am 10.1.2011 führt zu einem steuerbaren Tatbestand i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG wird die Steuer nicht erhoben.
Die Weiterübertragung des Grundstücks von der OHG Y an C am 20.9.2011 stellt ebenfalls einen steuerbaren Tatbestand i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Die Steuer wird nach § 6 Abs. 2 GrEStG i. H. v. 1/3 nicht erhoben. Durch diese Veräußerung wird die Vergünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG nicht berührt.
Die Anteilsübertragung von A auf D in 2012 stellt keinen steuerbaren Tatbestand i. S. d. § 1 GrEStG dar. Sie hat auch keinen Einfluss auf die nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG gewährte Vergünstigung.
Eine Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG scheidet aus, wenn das übertragene Grundstück innerhalb des Zehnjahreszeitraums wieder im Rahmen einer Anwachsung auf den einbringenden Gesamthänder übergeht.