Abfindung an weichenden Erbprätendenten: Keine Erbschaftsteuerpflicht (BFH)
Hintergrund:
A hatte B zweimal zum testamentarischen Alleinerben bestimmt. Durch ein drittes Schriftstück, das mit „Mein letzter Wille” überschrieben war, änderte A jedoch ihre letztwillige Verfügung zu Gunsten von C. Nach dem Tod der A kam es wegen der Erbfolge zum Rechtsstreit zwischen B und C, der mit einem Vergleich endete. In dem Vergleich nahm B von seinen potentiellen Erbansprüchen Abstand; C verpflichtete sich dagegen zur Zahlung von 45 000 € an B.
Das FA erfasste die Abfindungszahlung als erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb und setzte gegen B Erbschaftsteuer in H. v. 7.155 EUR fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG ging davon aus, dass B die Abfindung durch Erbanfall i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erworben habe, auch wenn die Abfindungszahlung an einen weichenden potentiellen Erben im Gesetz nicht ausdrücklich als erbschaftsteuerpflichtiger Vorgang erwähnt wird. Die erbschaftsteuerliche Erfassung solcher Vorgänge entspreche der ständigen Rechtsprechung des BFH.
Entscheidung des BFH:
Der BFH hat – unter Änderung seiner Rechtsprechung – entschieden, dass die an B geleistete Abfindung nicht der Erbschaftsteuer unterliegt. Er geht davon aus, dass die Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, in § 3 ErbStG abschließend aufgezählt sind. Danach gilt als Erwerb von Todes wegen insbesondere der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) und aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Erwerbsvorgänge, die nicht den im Katalog des § 3 ErbStG genannten Erwerbsgründen zugeordnet werden können, unterliegen nach Auffassung des BFH nicht der Erbschaftsteuer.
Danach reicht es für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen nicht aus, dass der Erwerb lediglich „im Zusammenhang mit einem Erbfall“ steht. Die Abfindung, die B aufgrund des mit C geschlossenen Vergleichs zur Beendigung des Rechtsstreits erhalten hat, ist sonach kein Erwerb von Todes wegen. B hat die Abfindung weder durch Erbanfall i.S. des § 1922 BGB noch durch ein Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) erworben. Damit hat der BFH seine früher vertretene Auffassung, nach der auch das Ergebnis eines Vergleichs zur gütlichen Regelung streitiger Erbverhältnisse der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen ist (vgl. zuletzt BFH, Beschluss v. 19.9.2000 II B 10/00, BFH/NV 2001, 163), aufgegeben.
Anmerkung:
Das Urteil hat erhebliche Bedeutung für die Praxis.
Erbrechtliche Streitigkeiten werden häufig durch den Abschluss von Erbvergleichen i. S. d. § 779 Abs. 1 BGB beendet. Werden solche Vergleiche zur einvernehmlichen Beseitigung von Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge abgeschlossen, so sind sie nach dem Besprechungsurteil nach wie vor der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen. Etwas anderes gilt jedoch für den Fall, dass Streit oder Ungewissheit darüber besteht, ob überhaupt ein Erwerb oder ein Erbfall vorliegt, und die Streitenden deshalb einen Vergleich schließen. Nach Auffassung des BFH sind weder die Miterben noch die sonst am Nachlass beteiligten Personen berechtigt, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen. Ein Erbrecht kann sonach nicht mit dinglicher Wirkung durch einen Vergleich i.S. des § 779 BGB begründet werden.
Erbschaftsteuerrechtliche Folge der neuen BFH-Rechtsprechung ist, dass bei Vergleichen zur Beendigung von Streitigkeiten um das Erbrecht als solches nur derjenige Erbschaftsteuer zahlen muss, dem die Erbschaft nach dem Vergleich zufällt, während die dem weichenden Erbprätendent zufließende Abfindung nicht erbschaftsteuerpflichtig ist. Dies wird bei der Abfassung solcher Vergleiche zu berücksichtigen sein.
Urteil v. 4.5.2011, II R 34/09, veröffentlicht am 15.6.2011
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