Auflösung einer § 6b EStG-Rücklage bei Verschmelzung

Wird eine GmbH unter Buchwertfortführung zu einem steuerlichen Übertragungsstichtag, der dem Tag nachfolgt, zu dem auch das vierte reguläre Wirtschaftsjahr nach Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG endet, verschmolzen, ist die Auflösung der Rücklage in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft vorzunehmen.

Hintergrund: Verschmelzungsstichtag liegt 1 Tag hinter dem Ablauf der Reinvestitionsfrist

Die Klägerin – eine GmbH – ist Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH. Die B-GmbH, im Streitjahr 2011 durch ertragsteuerrechtliche Organschaft als Organträgerin mit der Klägerin als Organgesellschaft verbunden, bilanzierte nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (1.7. bis 30.6.). Sie hatte in ihrem Jahresabschluss zum 30.6.2007 einen Gewinn aus dem Verkauf einer Immobilie (1.260.840,09 EUR) gewinnmindernd in eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG eingestellt. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde dieser Posten in der Steuerbilanz der B-GmbH zum 30.6.2007 auf einen Betrag von 1.240.840,09 EUR herabgesetzt.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27.2.2012 wurde die B-GmbH auf die Klägerin verschmolzen (Verschmelzungsstichtag: 1.7.2011). Der Verschmelzung war der Jahresabschluss der B-GmbH zum 30.6.2011 als Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers zugrunde zu legen. Die Verschmelzung sollte handelsbilanziell und steuerrechtlich zu Buchwerten erfolgen.

Die B-GmbH löste die Rücklage in ihrer Handelsbilanz zum 30.6.2011 in voller Höhe und in ihrer Steuerbilanz zu diesem Stichtag in Höhe von 407.559,09 EUR gewinnerhöhend auf. Eine gewinnerhöhende Auflösung des verbliebenen Betrages (833.281,00 EUR) nahm die B-GmbH in ihrer Steuerbilanz nicht vor. Sie war der Auffassung, dass dieser Teil der Rücklage infolge der Verschmelzung noch im Wirtschaftsjahr 2010/2011 auf die Klägerin übergegangen war; dort könne sie auf die Anschaffungskosten für einen Grunderwerb übertragen werden, die eine Tochtergesellschaft der Klägerin im Juni 2011 getätigt habe.

FA löst die vorhandene Rücklage gewinnerhöhend auf

Nach einer die B-GmbH betreffenden Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 vertrat das FA die Auffassung, die in der Steuerbilanz zum 30.6.2011 noch vorhandene Rücklage (833.281,00 EUR) sei nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG gewinnerhöhend aufzulösen, da mit Ablauf des 30.6.2011 das vierte auf die Bildung der Rücklage folgende Wirtschaftsjahr der B-GmbH geendet und diese nicht über ein Reinvestitionsobjekt verfügt habe. Daher sei im Wirtschaftsjahr 2010/2011 eine Gewinnerhöhung von 833.281,00 EUR sowie außerbilanziell ein Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von (4 x 6 % = 24 % von 833.281,00 EUR) 199.987,44 EUR in Ansatz zu bringen.

Klage war erfolgreich

Der nach erfolglosem Einspruch dagegen erhobenen Klage gab das FG statt.

Entscheidung: BFH hält die Revision des Finanzamts für begründet

Der BFH hält die Revision des FA für begründet, er hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Im Zuge der (rückwirkenden) Verschmelzung der B-GmbH auf die Klägerin konnte die vormals bei der B-GmbH gebildete Rücklage mit dem verbliebenen Teilbetrag nicht auf die Klägerin übergehen, da zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für eine (zwingende) Auflösung der Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG erfüllt waren. Diese Auflösung ist (ebenso wie der Ansatz eines Zuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG) bei der Steuerfestsetzung für das Streitjahr (gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der B-GmbH) einkommens- und gewerbeertragserhöhend zu berücksichtigen.

Da der übernehmende Rechtsträger mit Wirkung ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag (hier: 1.7.2011) in die steuerliche Rechtsstellung der Überträgerin eintritt, bedeutet dies hinsichtlich der hier relevanten Rücklage des § 6b Abs. 3 EStG, dass diese von der Klägerin in der Weise fortzuführen ist, wie sie von der übertragenden Körperschaft hätte fortgeführt werden können bzw. müssen. Wenn aber – wie im Streitfall – die B-GmbH (die Verschmelzung hinweggedacht) die Rücklage am 1.7.2011 nicht mehr hätte "nutzen" können, weil die Reinvestitionsfrist am 30.6.2011 abgelaufen war und die Rücklage zwingend schon bei der Erstellung der Schlussbilanz der B-GmbH hätte gewinnerhöhend aufgelöst werden müssen, kann sie auch von der Klägerin nicht "genutzt" werden.

BFH Urteil vom 29.04.2020 - XI R 39/18 (veröffentlicht am 20.08.2020)

Alle am 20.08.2020 veröffentlichten Entscheidungen.


Schlagworte zum Thema:  Einkommensteuer, Rücklage