Besteuerung nach Durchschnittssätzen

Verpflichtet sich ein § 24 Abs. 1 UStG anwendender Tierzuchtbetrieb gegen Entgelt über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Bedingungen für eine tiergerechte und nachhaltige Fleischerzeugung einzuhalten, liegt eine § 24 Abs. 1 UStG unterliegende Leistung vor.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der für das Streitjahr 2018 geltenden Fassung wird für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen, bei denen es sich nicht um die in Satz 1 dieser Vorschrift näher bezeichneten Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder um die dort genannten Leistungen mit Getränken oder mit alkoholischen Flüssigkeiten handelt, die Steuer auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Aus § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG ergibt sich ein Vorsteuerabzug in gleicher Höhe. Zu den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG insbesondere Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.

Sachverhalt: Programm zur tiergerechten Fleischerzeugung

Der dem Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

  • Die Klägerin, eine KG, betrieb eine Putenmast. Sie nahm im Streitjahr 2018 an einem Programm zur Förderung einer tiergerechten und nachhaltigeren Fleischerzeugung teil.
  • Die Klägerin verpflichtete sich in der Teilnahmeerklärung, die Anforderungen lückenlos umzusetzen, die Umsetzung der Anforderungen nachzuweisen, insbesondere angemeldete oder unangemeldete Prüfungen zu dulden und sich an deren Kosten sowie an den Kosten für Verwaltung und Organisation zu beteiligen.
  • Für die Umsetzung und Einhaltung der dokumentierten Anforderungen erhielt die Klägerin von der X-GmbH während des Anspruchszeitraums eine Vergütung.
  • In ihrer Umsatzsteuererklärung wendete die Klägerin die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG für die Besteuerung ihrer Umsätze aus dem Betrieb der Putenmast an.
  • Die von der X-GmbH erhaltenen Zahlungen aus dem Programm zur tiergerechten Fleischerzeugung erfasste die Klägerin als Entgelte für Umsätze, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen.
  • In diesem Zusammenhang machte sie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 2.612,59 EUR geltend. Die Vorsteuerbeträge ermittelte die Klägerin durch einen bereichsbezogenen Umsatzschlüssel, indem sie die gezahlte Vorsteuer im Verhältnis der Umsätze zum allgemeinen Steuersatz und der Umsätze aus der Durchschnittssatzbesteuerung aufteilte.

In dem Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr ließ das Finanzamt (FA) die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu. Das außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren war erfolglos. Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Die Klägerin habe zwar mit der Teilnahme an dem Programm sonstige Leistungen gegen von der X-GmbH gezahltes Entgelt erbracht, die nicht unter § 24 Abs. 1 UStG fielen. Die Klägerin habe aber nicht nachgewiesen, dass Vorsteuerbeträge in der geltend gemachten Höhe angefallen seien, die unmittelbar und direkt mit den regelbesteuerten Umsätzen wirtschaftlich zusammenhingen.

Entscheidung: Leistungen unterfallen der Durchschnittsbesteuerung

Der BFH hält die Revision für begründet. Er hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Leistungen im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs

Verpflichtet sich ein § 24 Abs. 1 UStG anwendender Tierzuchtbetrieb gegen Entgelt über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Bedingungen für eine tiergerechte und nachhaltige Fleischerzeugung einzuhalten, liegt entgegen dem Urteil des FG eine § 24 Abs. 1 UStG unterliegende Leistung vor.

Die von der Klägerin im Rahmen des Programms erbrachten und von der X-GmbH vergüteten Leistungen sind Umsätze, die – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 UStG – im Sinne von § 24 Abs. 1 UStG im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt werden, da es sich um landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Anh. VIII Nr. 4 MwStSystRL handelt.

Leistungsverwendung aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes

Das FG verneint zu Unrecht die Anwendung der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG in Hinblick auf das vom BFH genannte Kriterium der Leistungsverwendung beim Empfänger für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke. Damit bezieht sich der BFH darauf, dass landwirtschaftliche Dienstleistungen bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL "normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen" müssen. Hieraus folgt, dass es nicht ausnahmslos auf eine unmittelbare Verwendung für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke beim Empfänger ankommt. Eine landwirtschaftliche Dienstleistung unterliegt der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG auch, wenn der Leistungsempfänger diese Leistung aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes bezieht.

Ebenso ist es im Streitfall, in dem die sonstige Leistung der Klägerin, die Putenmast im Rahmen des vorgesehenen Programms in bestimmter Art und Weise durchzuführen, bei ihr zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitrug und die X-GmbH als Leistungsempfängerin mit der von ihr bezogenen Leistung keine weitergehenden Zwecke verfolgte, als die Art und Weise der landwirtschaftlichen Produktion bei der Klägerin zu beeinflussen. Damit entfällt das Erfordernis einer eigenständigen Empfängerverwendung, so dass die Leistung der Klägerin – bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 UStG – der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG unterliegt.

Unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis

Die Sache ist nicht spruchreif. Unterliegen die von der Klägerin erbrachten Leistungen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 UStG erfüllt sind, entfällt die bisher angenommene Anwendung des Regelsteuersatzes auf diese Umsätze, während dem von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzug § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG entgegensteht. Da das FG aber zur Frage eines Steuerausweises in Rechnungen nach Maßgabe des Regelsteuersatzes keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat nicht entscheiden, ob eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG entstanden ist.

BFH, Urteil v. 29.8.2024, V R 15/23, veröffentlicht am 9.1.2025

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