Besuchsfahrten des Ehepartners bei Auswärtstätigkeit
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob Besuchsfahrten zur auswärtigen Tätigkeitsstätte des Ehepartners - ebenso wie die Behandlung "umgekehrter Familienheimfahrten" im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung - zu Werbungskosten führen.
Der Ehemann (M) war in 2007 auf verschiedenen Baustellen im Ausland eingesetzt. Von Ende August bis Anfang Oktober war er auf einer Baustelle in den Niederlanden tätig. Von dort fuhr er zweimal zu der mit seiner Ehefrau (F) gemeinsam genutzten Wohnung. Im Gegenzug besuchte ihn F dreimal in den Niederlanden. Auch die Aufwendungen für diese drei Fahrten (520 km x 0,30 EUR x 3 = 468 EUR) machte M als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Er trug vor, da seine Anwesenheit auf der Baustelle erforderlich gewesen sei, habe er diese Fahrten nicht selbst durchführen können.
Das FA berücksichtigte die Aufwendungen für die drei Fahrten nicht. Das FG zeigte sich großzügiger. Es ging davon aus, ebenso wie bei einer doppelten Haushaltsführung, in deren Rahmen eine sog. umgekehrte Familienheimfahrt durch den Ehegatten zu Werbungskosten führe, müssten auch bei einer Auswärtstätigkeit die Fahrtkosten des Ehegatten abziehbar sein.
Entscheidung
Beruflich veranlasst sind grundsätzlich nur die Mobilitätskosten des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst für seine eigenen beruflichen Fahrten. In diesem Fall liegen abziehbare Werbungskosten vor. Denn der Weg von der Wohnung zur Tätigkeitsstätte und zurück ist notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften.
Anders ist es jedoch bei den Aufwendungen für die Fahrten der Ehefrau des Arbeitnehmers zu dessen auswärtiger Tätigkeitsstätte. Diese Fahrten dienen nicht der Förderung des Berufs und sind daher keine Werbungskosten. Die berufliche Veranlassung ist auch dann nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine Fahrt zur Wohnung selbst nicht durchführen kann, weil seine Anwesenheit am auswärtigen Tätigkeitsort aus dienstlichen Gründen erforderlich ist. Der Ersatzcharakter der Fahrt als solcher vermag die berufliche Veranlassung der an sich privaten Fahrt des Ehepartners nicht zu begründen. Auf die Revision des FA hob der BFH daher das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.
Hinweis
Der BFH lässt ausdrücklich offen, ob in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Notwendigkeit, private Dinge durch einen Besuch beim auswärts tätigen Ehepartner zu regeln, in einem solchen Maße beruflich veranlasst sein kann, dass private Veranlassungsbeiträge dahinter zurücktreten und die Fahrt des Ehepartners nicht als private Besuchsfahrt, sondern ausnahmsweise als beruflich veranlasst anzusehen ist. Im Streitfall handelte es sich jedoch um typische Wochenendreisen, für die ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht kommt.
M unterhielt in den Niederlanden keine doppelte Haushaltsführung. Eine solche ist nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer langfristig am auswärtigen Beschäftigungsort wohnt. Beschäftigungsort ist nur der Ort der langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte. Das lag bei M in den Niederlanden nicht vor. Denn Bauausführungen oder Montagen sind keine regelmäßige Arbeitsstätte. Der Bezug einer Unterkunft an ständig wechselnden beruflichen Tätigkeitsstätten begründet damit keine doppelte Haushaltsführung. M unterhielt in den Niederlanden indes keine dauerhaft angelegte Arbeitsstätte. Er war dort auswärts tätig, ohne dass eine doppelte Haushaltsführung vorlag.
Da M somit keine doppelte Haushaltsführung unterhielt, konnte der BFH auch dahinstehen lassen, ob er an seiner Rechtsprechung festhält, nach der sog. umgekehrte Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehbar sind (BFH v. 28.1.2983, VI R 136/79, BStBl II 201983, 313). Dieser Hinweis überrascht. Er dürfte ein deutliches Anzeichen dafür zu werten sein, dass der BFH seine Rechtsprechung dahin ändern könnte, auch bei einer doppelten Haushaltsführung die Besuchsfahrten zum auswärts tätigen Ehepartner nicht mehr als umgekehrte Familienheimfahrten anzuerkennen. Anstatt - wie es das FG gesehen hat - die Besuchsfahrten bei einer Auswärtstätigkeit den umgekehrten Familienheimfahrten gleichzustellen und den Werbungskostenabzug zu gewähren, lässt der BFH die Tendenz erkennen, auch in Fällen umgekehrter Familienheimfahrten den Werbungskostenabzug zu versagen.
Der BFH verweist noch auf seine Rechtsprechung, nach der Aufwendungen für Telefongespräche während einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit als Werbungskosten anerkannt werden (BFH v. 5.7.2012, VI R 50/10, BStBl II 2013, 282). Telekommunikationskosten, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, private Dinge während einer Auswärtstätigkeit zu regeln, sind mit den streitigen Fahrtkosten nicht vergleichbar.
BFH, Urteil v. 22.10.2015, VI R 22/14, veröffentlicht am 23.12.2015
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