Ein mehr als 100 km von der Hofstelle entfernt liegendes Grundstück kann regelmäßig weder dem notwendigen noch dem gewillkürten Betriebsvermögen eines aktiv bewirtschafteten oder eines verpachteten land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs zugeordnet werden.  

Hintergrund

Der Landwirt L ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs. Die Flächen verpachtete er im Streitzeitraum 1996/1997 im Ganzen an den Pächter P. Gewinne aus Flächenverkäufen in 1992/1993 hatte er in eine gewinnmindernde Rücklage (nach § 6b EStG) eingestellt. Die Rücklage übertrug er auf eine in 1996 erworbene Fläche. Das Grundstück ist 80 - 90 km von der Hofstelle des L entfernt und war zum Zeitpunkt des Erwerbs an den Landwirt X verpachtet. Das Finanzamt löste die Rücklage gewinnerhöhend auf. Wegen der Entfernung sei das Grundstück kein Betriebsvermögen, sodass eine Übertragung der Rücklage nicht möglich sei. Das Finanzgericht nahm dagegen notwendiges Betriebsvermögen an und gab der Klage statt.

Entscheidung

Mit dieser Grundsatzentscheidung zum Umfang des Betriebsvermögens eines landwirtschaftlichen Betriebs verwies der BFH die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Das notwendige Betriebsvermögen einer aktiv betriebenen Land- und Forstwirtschaft umfasst die Wirtschaftsgüter, die objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind. Das gilt auch für hinzuerworbene noch verpachtete Grundstücke. Der Bewirtschaftungswille muss sich allerdings in einem überschaubaren Zeitraum - z.B. durch Kündigung der Pachtverhältnisse - tatsächlich verwirklichen lassen. Der BFH geht dabei von einem Zeitraum von bis zu 12 Monaten aus. Ist eine eigenbetriebliche Nutzung innerhalb dieser Spanne nicht möglich, scheidet notwendiges Betriebsvermögen aus. Es kann jedoch gewillkürtes Betriebsvermögen vorliegen. 

Dementsprechend werden bei dem Verpächter eines zunächst eigenbewirtschafteten Betriebs (sog. ruhender Betrieb) hinzuerworbene Flächen notwendiges Betriebsvermögen, wenn sie in das bestehende Pachtverhältnis einbezogen werden. Die Bewirtschaftung durch den Pächter muss jedoch gleichermaßen innerhalb von 12 Monaten möglich sein. Fehlt es daran, kann das Grundstück jedoch auch hier als gewillkürtes Betriebsvermögen ausgewiesen werden.

In beiden Fällen (aktiv bewirtschafteter oder verpachteter Betrieb) setzt die Zuordnung zum - notwendigen oder gewillkürten - Betriebsvermögen eine gewisse Nähe zum Betrieb voraus. Der BFH zieht die Grenze bei 100 km. Bei größerer Entfernung scheidet eine Zuordnung zum Betriebsvermögen in beiden Fällen aus. 

Im Streitfall liegt wegen der Überschreitung des 12-Monats-Zeitraums kein notwendiges Betriebsvermögen vor. Ob gewillkürtes Betriebsvermögen gegeben ist, hat das FG anhand einer Gesamtwürdigung zu prüfen. Entscheidend dafür ist, ob das Grundstück - trotz der Entfernung - organisatorisch und sachlich mit dem bisherigen Verpachtungsbetrieb verzahnt werden sollte.

Eine Zuordnung zu einem eigenständigen Betrieb des L - in Vorbereitung einer werbenden Tätigkeit - ist ebenfalls nur möglich, wenn der Bewirtschaftungswille sich in einem überschaubaren Zeitraum verwirklichen lässt. Hierfür nimmt der BFH einen Zeitraum von 24 Monaten an. Daran fehlte es im Streitfall, da L das Grundstück erst nach sechs Jahren eigenbewirtschaften konnte.

Urteil v. 19.7.2011, IV R 10/09, veröffentlicht am 19.10.2011