Vorlage an das BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung
Hintergrund
Die B-GmbH, die städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen durchführte, hatte einen Kooperationsvertrag mit der D-GmbH abgeschlossen. In der Folgezeit kam es zu langwierigen Auseinandersetzungen zwischen B und D. B hatte gegenüber D eine Forderung in Höhe von 44 Mio. EUR aktiviert. Aufgrund eines erstinstanzlichen negativen Landgerichtsurteils nahm B für die Forderung im Jahresabschluss zum 31.12.2004 eine Wertberichtigung vor und schrieb sie vollständig ab. Daraus errechnete sich ein Jahresfehlbetrag von 47 Mio. EUR. Die nächste Instanz (Kammergericht Berlin) bestätigte allerdings in 2006 die Forderung. Die Abschreibung wurde daher infolge Wertaufholung zum 31.12.2006 rückgängig gemacht, wodurch sich für 2006 ein Jahresüberschuss von 75 Mio. EUR ergab. Im Juli 2005 war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B eröffnet worden.
Das FA berücksichtigte bei der Festsetzung der KSt 2008 für den Abwicklungszeitraum Juli 2005 bis Juli 2008 die aufgelaufenen Verluste von 72 Mio. EUR nur in Höhe von 47 Mio. EUR. Den entsprechend ermittelten Gewerbeertrag verteilte es auf den Zeitraum Januar 2005 bis Juli 2008 und setzte die GewSt-Messbeträge entsprechend fest. Die volle Verlustverrechnung scheiterte an der Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG). Wegen der zwischenzeitlichen Insolvenz konnte sich der nicht ausgeglichene Verlust auch in der Folgezeit nicht mehr auswirken. Die Klage, mit der B die Festsetzung jeweils auf 0 EUR beantragte, wurde vom FG abgewiesen.
Entscheidung
Der BFH führt zunächst aus, dass die Einbuchung der Forderung erfolgswirksam zu berücksichtigen ist und dass das FA die sog. Mindestbesteuerung - auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung - zutreffend angewandt hat.
Ab 2004 wurde die Beschränkung des überperiodischen Verlustausgleichs verschärft: Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen werden konnten, sind im Rahmen des Verlustvortrags nur noch begrenzt verrechnungsfähig. Sie können nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. EUR unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinaus gehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur noch in Höhe von 60 % des 1 Mio. EUR übersteigenden Betrags ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. EUR überschreiten. Damit wird die Wirkung des Verlustvortrags in die Zukunft verschoben. Diese Neuerungen im Bereich der ESt (§ 10d Abs. 2 EStG) gelten entsprechend bei der Festsetzung der KSt und des GewSt-Messbetrags.
Sodann legt der BFH dar, dass die Mindestbesteuerung in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags nicht verfassungswidrig ist. Es genügt, wenn Verluste überhaupt, wenn auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, berücksichtigt werden. Der BFH ist jedoch der Auffassung, dass der Kernbereich der Ausgleichsfähigkeit von Verlusten dann verletzt ist, wenn "auf der Grundlage eines inneren Sachzusammenhangs bzw. einer Ursachenidentität zwischen Verlust und Gewinn" die Mindestbesteuerung dazu führt, dass der Verlustabzug gänzlich ausgeschlossen ist und eine leistungsfähigkeitswidrige Substanzbesteuerung auslöst. Soweit die Regelung auch Definitiveffekte einschränkungslos erfasst, widerspricht sie dem Leistungsfähigkeitsprinzip und stellt einen gleichheitswidrigen Eingriff in den Kernbereich des ertragsteuerlichen Nettoprinzips dar. Auch aus Gründen der Missbrauchsabwehr ist sie nicht gerechtfertigt.
Hinweis
Die Vorlagefrage bezieht sich allgemein auf die Problematik der Definitiveffekte. Es könnte allerdings sein, dass sich das BVerfG auf Sachverhalte wie im Streitfall beschränkt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Aufwand und Ertrag (Wertberichtigung und Wertaufholung) auf demselben Rechtsgrund beruhen und sich sogar auch der Höhe nach entsprechen.
Ergänzend weist der BFH noch darauf hin, dass der Gesetzgeber die ungünstige Rechtsfolge bewusst in Kauf genommen hat und daher die Voraussetzungen für eine Gesetzeskorrektur durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht vorliegen.
Bis zur Klärung durch das BVerfG dürfte einige Zeit vergehen. Entsprechende Fälle sind bis dahin offen zu halten.
Beschluss 26.2.2014, I R 59/12, veröffentlicht am 3.9.2014
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