Doppelte Haushaltsführung: Lebensmittelpunkt eines alleinstehenden Arbeitnehmers
Ist die Entfernung zwischen dem anderen Ort und dem Beschäftigungsort eher gering (im Streitfall: unter 60 km) und sucht der Steuerpflichtige den eigenen Hausstand am anderen Ort nur etwa 14-tägig auf, kann dies gegen die Annahmen eines anderweitigen Erst- und Haupthaushalts sprechen (in Abgrenzung zu R 9.10 Ab. 1 Satz 8 LStR).
Sachverhalt:
Die Klägerin hat im Jahr 2003 das Eigentum an ihrem Elternhaus im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erworben und hat auch dort ihre Wohnung. Im Jahr 2005 mietete die Klägerin eine 63,53 qm große Wohnung in Hamburg wo sich auch ihre Arbeitsstelle befand. Die von ihr für das Jahr 2009 als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung hat das Finanzamt nicht anerkannt, da davon auszugehen sei, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in Hamburg befinde. Mit ihrer Klage macht sie geltend, dass sich ihr Lebensmittelpunkt nach wie vor in dem 58 km entfernt liegenden Elternhaus befinde. Dort lebten ihre Verwandten, Freunde und Bekannten; sie sei Mitglied in mehreren örtlichen Vereinen. Die nur 26 Familienheimfahrten jährlich begründete die Klägerin damit, dass wegen ihrer Schichtdienste keine häufigeren Fahrten unternommen werden konnten.
Entscheidung:
Das Finanzgericht hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Zwar bestimme die Finanzverwaltung in R 9.10 Abs. 1. Satz 8 LStR, dass in Fällen, in denen ein nicht verheirateter Arbeitnehmer eine Wohnung außerhalb des Beschäftigungsorts mindestens zweimal monatlich aufsucht, davon auszugehen sei, dass sich dort der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befindet. Doch wird nach Auffassung des Finanzgerichts damit lediglich ein Regelfall typisierend erfasst. Der vorliegende Streitfall weist aber die Besonderheit auf, dass hier der Heimatort der Klägerin nur 58 km vom Beschäftigungsort der Klägerin entfernt liegt. Die von der Verwaltung aufgestellte Regelvermutung greift in einem solchen Fall nach Auffassung des Gerichts nicht ein.
Praxishinweis:
In dem rechtskräftigen Urteil weist das Finanzgericht zutreffend daraufhin, dass den Lohnsteuerrichtlinien gegenüber den Finanzgerichten keine Bindungswirkung zukommt. Für die Praxis bedeute dies jedoch im Umkehrschluss, dass Steuerpflichtige nicht alle für sie ungünstigen Verwaltungsanweisungen akzeptieren, sondern in „Grenzfällen“ auch einmal den Weg zum Finanzgericht wagen sollten.
FG Hamburg, Urteil v. 20.4.2015, 5 K 3/12, Haufe Index 8016790
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