Inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid
Im Streitfall ging es um in 2004 entstandene Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer, die das Finanzamt bei der Veranlagung 2004 als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG angesehen hatte und die im Jahr 2004 mangels einer Verrechnungsmöglichkeit mit positiven Einkünften des Steuerpflichtigen ohne steuerliche Auswirkung blieben. Den Antrag des Steuerpflichtigen, wegen dieser Aufwendungen auf den 31.12.2004 einen vortragsfähigen Verlust festzustellen, lehnte das Finanzamt zunächst ab. Nachdem der Bundesfinanzhof den Werbungskostencharakter der Aufwendungen bestätigt hatte, erging zum 31.12.2004 ein entsprechender Verlustfeststellungsbescheid.
Aus- und Weiterbildungskosten: Sonderausgaben oder Werbungskosten?
Für das Jahr 2005 hatte der Steuerpflichtige am 12.5.2006 eine Einkommensteuererklärung eingereicht, in der er neben geringfügigen positiven Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 2.712 Euro bei den Sonderausgaben unter der Bezeichnung „Aus-/ Weiterbildung im nichtausgeübten Beruf” auch weitere Kosten der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer in Höhe von 16.408 Euro erklärt hatte. Daraufhin erging ein Einkommensteuerbescheid mit einer Steuerfestsetzung über 0 Euro. Dieser Bescheid blieb unangefochten.
Antrag auf Feststellung eines Verlustvortrags
Im August 2011 stellte der Steuerpflichtige erstmals einen Antrag auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2005 , in welchem die ursprünglich als Sonderausgaben erklärten Ausbildungskosten nunmehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit qualifiziert wurden. Das Finanzamt lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Bestandskraft des zur Einkommensteuer 2005 ergangenen Steuerbescheids und die für nach dem 13.12.2010 eingegangene Anträge auf Verlustfeststellung geltenden Regelungen des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2010 ab.
Einkünftequalifizierung in Einkommensteuerbescheid ist entscheidend
Die eingelegte Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht entschied, dass nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags so zu berücksichtigen sind, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur insoweit abweichend von der Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahres berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Beide Regelungen sind erstmals für Verluste anwendbar, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010).
Einkommensteuerbescheid ist kein Grundlagenbescheid
Mit dieser im Streitfall Anwendung findenden Regelung wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist. Entsprechend entfällt daher die Verlustfeststellung, wenn – wie im Streitfall – der Einkommensteuerbescheid des betroffenen Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar ist. Das gilt sowohl für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag als auch für die Änderung einer Verlustfeststellung.
Anwendungsregelung nach § 52 EStG
Das Finanzgericht machte deutlich, dass der in § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010 enthaltene zeitliche Anwendungsbereich nicht gegen die Verfassung verstößt. Zwar hat die Regelung, wonach § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 auf alle Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird, Anwendung findet, im vorliegenden Fall Auswirkungen auf fünf Jahre vor der Gesetzesänderung entstandene Verluste; hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Rückwirkung.
Außerdem hatte der Steuerpflichtige im Streitfall die Möglichkeit, die streitbefangenen Aufwendungen bereits im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2005 als Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit zu erklären und auf der Grundlage dieser Qualifizierung einen Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2005 zu stellen.
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.1.2017, 11 K 1669/13, (Haufe Index 10712191)
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