Umsatzsteuernachforderungen in "Bauträger-Fällen"
Sachverhalt:
Eine Bau-GmbH & Co. KG (Bau-KG) erbrachte in den Streitjahren 2009 und 2010 Bauleistungen an eine Bauträger-GmbH (BT). Die Bau-KG unterwarf ihre Bauleistungen nicht der Umsatzsteuer und wies in den Rechnungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gem. § 13b UStG hin. In 2011 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung für die Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres 2009 auf und im Jahr 2014 (nach Abschluss einer Außenprüfung) den Vorbehalt der Nachprüfung für die Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres 2010. Im August 2014 beantragte BT unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10) die Erstattung der nach § 13b UStG für Bauleistungen abgeführten Umsatzsteuer, weil sie diese nicht unmittelbar für eigene Werklieferungen verwandt habe. Aufgrund des Erstattungsantrages ist das Finanzamt der Auffassung, dass die Umsatzsteuer für die gegenüber BT erbrachten Bauleistungen nunmehr von der Bau-KG zu entrichten sei.
Gegen die Umsatzsteuernachforderungsbescheide (Zahllast: rund 50.000 EUR) legte die Bau-KG Einspruch ein und führte aus, dass aus Vertrauensschutzgründen die Umsatzsteuer für die an BT in den Jahren 2009 und 2010 erbrachten Bauleistungen nicht im Jahr 2015 festgesetzt werden könnten. Sie wäre mit der Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG allenfalls dann einverstanden, wenn seitens der Finanzverwaltung garantiert werde, dass für den Fall, dass die Abtretung ihre Wirkung verliere, z. B. wegen der Einrede der Verjährung, diese gleichwohl schuldbefreiend wirke. Der gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt. Dagegen wandte sich die Antragstellerin vor Gericht.
Entscheidung:
Der Antrag wurde als unbegründet zurückgewiesen. Nach summarischer Prüfung des derzeitigen Sach- und Streitstands bestehen nach Ansicht des Finanzgerichts keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit dem Einspruch angefochtenen Umsatzsteuerbescheide. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide gem. § 27 Abs. 19 UStG sind bei summarischer Prüfung erfüllt. Die Regelung, die die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO ausdrücklich ausschließt, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtlich und europarechtlich gebotene Gebot der Rechtssicherheit. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Änderungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 19 UStG nach Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung nicht mehr gegeben ist und daher nur ein genau umrissener Zeitraum der Leistungserbringung betroffen ist. Außerdem eröffnet § 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG dem leistenden Unternehmer die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Bauträger auf die (noch ausstehende) Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten; dieses ist nach summarischer Prüfung – unabhängig von der Werthaltigkeit des Anspruchs – zur Annahme der Abtretung verpflichtet.
Praxishinweis:
Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zu der Problematik ist äußerst uneinheitlich. Fakt ist, dass die Finanzverwaltung derzeit keine Aussetzung der Vollziehung gewährt, Einsprüche können aber aus Zweckmäßigkeitsgründen zum Ruhen gebracht werden, sofern man sich gegen die Inanspruchnahme des leistenden Unternehmers nach § 27 Abs. 19 UStG wendet (vgl. LfSt Rheinland-Pfalz, Kurzinformation v. 9.7.2015, S 0354 A – St 358).
Das Finanzgericht hat in der Besprechungsentscheidung die Aussetzung der Vollziehung für 2009 abgelehnt, weil die Finanzverwaltung erst mit BMF-Schreiben vom 16.10.2009 (BStBl 2009 I S. 1298) davon ausgegangen ist, dass die Bauleistungen an Bauträger § 13b UStG unterliegen. Es bleiben damit insbesondere die Jahre 2010 bis 2012, in denen eine Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 176 AO in Betracht kommt und sich damit die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG überhaupt stellt. Außerdem ist zu beachten, dass bei der Abwicklung solcher Fälle das Datum der Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung zu beachten ist (vor oder nach Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 22.8.2013, V R 37/10, veröffentlicht am 27.11.2013 – vgl. hierzu ausführlich Slotty-Harms, UVR 2015, S. 347).
Es deutet sich an, dass die ganze Thematik durch die vom Gesetzgeber geschaffene Abtretungsmöglichkeit zumindest etwas entschärft werden kann, weil nach einer bundeseinheitlich abgestimmten Arbeitshilfe für die Finanzämter diese die Abtretung grundsätzlich anzunehmen haben mit der Folge, dass ausschließlich das Finanzamt das Risiko der zivilrechtlichen Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Leistungsempfänger trägt. Dies soll zumindest dann gelten, wenn der Bauunternehmer berichtigte Rechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt, die erfolgte Abtretung dem Bauträger angezeigt hat und der Bauunternehmer die berichtigten Rechnungen in Kopie dem Finanzamt übermittelt. Die Annahme der Abtretung darf dann durch ein Finanzamt nur in Ausnahmefällen verweigert werden (OFD Frankfurt am Main, Verfügung v. 19.6.2015, S 7279 A – 14 – St 113, Anlage 1: Arbeitshilfe für die hessischen Finanzämter unter 1.2.3 (S. 12), Anlage 2: Bundeseinheitlich abgestimmte Arbeitshilfe unter 2.2., 2.2.1 (S. 24, 25)). Zu diesen Ausnahmefällen gehören aber weder die zivilrechtliche Problematik der Bruttovereinbarungen, Abtretungsverbote oder die auf der Hand liegenden Verjährungsfragen.
Nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf besteht aufgrund der Ermessensreduzierung auf Null eine Verpflichtung zur Annahme der Abtretung für die Finanzverwaltung, sobald die zivilrechtliche Umsatzsteuernachforderung aufgrund berichtigter Rechnungen entstanden ist - auf die Werthaltigkeit der Forderung kommt es danach nicht an.
FG Düsseldorf, Beschluss v. 31.8.2015, 1 V 1486/15 A (U), Haufe Index 8614150
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