Kindergeld: Keine Berücksichtigung von Erbschaften (BFH)
Hintergrund
Der Vater (V) hat zwei Söhne, die sich im Streitjahr 2006 in Ausbildung befanden. Im Mai 2006 verstarb seine frühere Ehefrau, die Mutter (M) der Söhne. Die Söhne waren zu je 3/8 am Nachlass beteiligt, zu dem zwei Eigentumswohnungen, Wertpapiere (ca. 140.000 €), Bausparguthaben (ca. 42.000 €), Lebensversicherungen sowie Bankguthaben (ca. 31.000 €) gehörten.
Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag des V ab bzw. hob die Kindergeldfestsetzung mit der Begründung auf, wegen der Erbschaft hätten die Einkünfte und Bezüge der Söhne den Jahresgrenzbetrag (für 2006: 7.680 €) überschritten. Das FG gab der Klage statt. Die kurzfristig verfügbaren Mittel auf Konten und Sparbüchern von jeweils mehr als 10.000 € seien zwar zur Bestreitung des Unterhalts geeignet. Sie seien jedoch nicht anzusetzen, da sie von einem unterhaltsverpflichteten Elternteil stammten und freiwillige Zuwendungen von den Eltern an ihre Kinder grundsätzlich nicht zu den Bezügen zählten.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Familienkasse zurück und bestätigte die großzügige Auffassung des Finanzgerichts.
Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld bzw. der Freibeträge für Kinder für Volljährige ist, dass die Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag von (bis 2009: 7.680 €, ab 2010: 8.004 €) nicht überschreiten. Unter Einkünften sind nur solche im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen, d.h. Zuflüsse im Rahmen einer der sieben Einkunftsarten. Zu den Bezügen gehören alle Zuflüsse, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden, z.B. eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nicht einzubeziehen sind jedoch Unterhaltsleistungen der Eltern, da solche Zuwendungen die Leistungsfähigkeit der Eltern nicht steigern. Ebenso wenig sind freiwillige, über die gesetzliche Unterhaltspflicht hinaus gehende Leistungen eines Elternteils als Bezüge des Kindes anzusetzen. Sie beeinflussen die Kindergeldberechtigung des anderen Elternteils nicht. Vermögensübertragungen (Schenkungen) von Eltern auf Kinder sind allgemein außer Betracht zu lassen. Anzusetzen sind allein Zuflüsse "von außen", sofern sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind. Für Erbschaften seitens der Eltern zieht der BFH eine Parallele zu Schenkungen. Auch im Erbfall nach einem Elternteil liegt kein Zufluss von dritter Seite vor.
Hinweis
Der BFH vermeidet damit Schwierigkeiten, die auftreten könnten, wenn der Nachlass keine oder nur geringe liquide Mittel enthält, die das Kind für seinen Unterhalt einsetzen könnte. Es braucht daher nicht im Einzelfall entschieden zu werden, ob und in welchem Umfang das Kind nicht liquide Nachlassgegenstände verwerten muss. Nach dem Sinn und Zweck haben Zuwendungen innerhalb der Familiengemeinschaft unberücksichtigt zu bleiben.
Nach dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 23.9.2011 entfällt die Einkünfte- und Bezügegrenze beim Kinderleistungsausgleich ab 2012. Eine Erwerbstätigkeit bleibt künftig bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums des Kindes außer Betracht. Danach besteht die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten.
Urteil v. 4.8.2011, III R 22/01, veröffentlicht am 16.11.2011
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