Nachträgliche Glättung des BP-Mehrergebnisses durch IAB

Das Merkmal des Finanzierungszusammenhangs ist nicht deshalb zu verneinen, weil die nachträgliche Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags lediglich der Kompensation eines BP-Mehrergebnisses dient (entgegen BMF, Schreiben v. 20.11.2013, BStBl 2013 I S. 1493, Rz. 26).

Hintergrund

Streitig war, ob es möglich ist, ein durch die Betriebsprüfung veranlasstes Mehrergebnis durch die nachträgliche Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrags (IAB) auszugleichen. Die Entscheidung betrifft das Streitjahr 2007. Anzuwenden ist daher § 7g EStG in der Fassung bis 2015. Diese - gegenüber der Neufassung ab 2016 strengere - Regelung gilt für IAB, die bis 2015 vorgenommen wurden und längstens bis 2018 aufgelöst werden.

Die Außenprüfung bei einer GmbH führte für 2007 zu Zuschätzungen und einer entsprechend höheren Festsetzung der KSt (Bescheid vom August 2010). Während des dagegen gerichteten Einspruchsverfahrens beantragte die GmbH einen zusätzlichen IAB von 5.500 EUR für einen bereits im Mai 2010 angeschafften Lkw. Dem widersprach das FA, da ein nach Erwerb des Wirtschaftsguts gebildeter IAB die ihm zugedachte Funktion der steuerlichen Finanzierungserleichterung nicht erfüllen könne. Es fehle an dem erforderlichen Finanzierungszusammenhang.

Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Es vertrat die Auffassung, auf die Frage des Finanzierungszusammenhangs komme es im Streitfall nicht an. Denn die GmbH habe bereits in 2007 die Investition beabsichtigt und den IAB nur deshalb nicht geltend gemacht, weil er sich im Abzugsjahr steuerlich nicht ausgewirkt hätte.

Entscheidung

Die formellen Anforderungen an die Inanspruchnahme des IAB sind erfüllt. Das Wahlrecht zur Bildung eines IAB kann bis zur Bestandskraft der Steuerveranlagung ausgeübt werden. Es kann somit auch nachträglich, d.h. noch im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen einen geänderten Bescheid, geltend gemacht werden. Denn die Investitionsabsicht und das Erfordernis der "künftigen Anschaffung/Herstellung" sind aus Sicht des Bilanzstichtags auszulegen, für den der IAB geltend gemacht wird (Abzugsjahr). Dementsprechend kann von einer voraussichtlichen Anschaffung/Herstellung und von voraussichtlichen Anschaffungskosten/Herstellungskosten auch dann auszugehen sein, wenn der Antrag auf den IAB für das innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums angeschaffte Wirtschaftsgut dem FA erst nach dem Anschaffungszeitpunkt zugeht.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des IAB sind gegeben. Die Feststellung der Investitionsabsicht ist auf eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten gerichtet. Ob dies zutrifft, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu entscheiden und wurde vom FG bejaht. Der BFH ist an dessen nachvollziehbare Würdigung gebunden.

Das Merkmal des Finanzierungszusammenhangs wurde im Rahmen der Ansparabschreibung nach § 7g EStG in der Fassung bis zum UntStRefG 2008 entwickelt, um einer nicht investitionsbezogenen (beliebigen) und damit zweckwidrigen Steuerbegünstigung zu begegnen. Denn der Nachweis einer Investitionsabsicht war für eine Ansparabschreibung gesetzlich nicht vorgesehen. Die Ansparrücklage wurde daher für Sachverhalte versagt, bei denen das Investitionsgut erst nach Ablauf der (damals zweijährigen, jetzt dreijährigen) Investitionsfrist erworben oder hergestellt wurde. Ferner wurde die Ansparabschreibung verneint, wenn die Förderung aus nicht investitionsbezogenen Gründen - z.B. als Reaktion auf eine höhere Steuerfestsetzung zur Wahrung der Einkunftsgrenzen für die Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs nach § 10e EStG a.F. (Förderung des eigengenutzten Wohneigentums) - beantragt wurde.

Es ist streitig, ob und in welchem Umfang die Grundsätze und Fallgruppen des Finanzierungszusammenhangs auch im Rahmen der Neufassung des § 7g EStG durch das UntStRefG 2008 für die Bildung eines IAB fortgelten. Das ist zweifelhaft, da der IAB nach der Neuregelung den Nachweis der Investitionsabsicht zum Ende des Abzugsjahrs erfordert und der Abzugsbetrag rückwirkend entfällt, wenn die beabsichtigte Investition nicht durchgeführt wird. Der BFH lässt offen, inwieweit die zur Ansparabschreibung entwickelte Rechtsprechung zum Finanzierungszusammenhang weiterhin zu beachten ist. Denn schon nach der bisherigen Rechtsprechung zur Ansparabschreibung war der Finanzierungszusammenhang zu bejahen, wenn die Förderung lediglich der Kompensation eines BP-Mehrergebnisses diente und keine darüber hinausgehende Zielsetzung (z.B. eine weitere Steuervergünstigung außerhalb der Investitionsförderung) damit verknüpft war. Das Gleiche gilt für den Streitfall. Hier sind keine investitionsfremden Gründe für die nachträgliche Geltendmachung des IAB erkennbar. Vielmehr spricht alles dafür, dass der IAB gerade dem Fortbestand der mit der ursprünglichen Steuerfestsetzung verbundenen Investitions- und Finanzierungsentscheidung diente. Der BFH bestätigte daher das FG-Urteil und wies die Revision des FA zurück.

Hinweis

Der BFH widerspricht damit der Ansicht der Verwaltung in dem BMF-Schreiben v. 20.11.2013 (BStBl 2013 I S. 1493, Rz. 26). Die Verwaltung verneint die Investitionsabsicht, wenn die Investition erkennbar dem Ausgleich nachträglicher Einkommenserhöhungen (z.B. wie hier nach einer Betriebsprüfung) dient. In zeitlichem Zusammenhang mit dem vorliegenden Urteil des I. Senats vertritt der IV. Senat ebenfalls die Auffassung, dass die Kompensation eines BP-Mehrergebnisses der Gewährung eines IAB nicht entgegensteht (BFH, Urteil v. 23.3.2016, IV R 9/14). Während der IV. Senat jedoch davon ausgeht, das für die Ansparabschreibung entwickelte Merkmal des Finanzierungszusammenhangs sei nach der Fassung durch das UntStRefG 2008, also bis 2015, entbehrlich, stellt der I. Senat die Frage nach wie vor als strittig heraus und vertritt die Auffassung des IV. Senats lediglich für den konkreten Fall der Glättung des BP-Ergebnisses.

Nach der Neufassung durch das StÄndG 2015 ab 2016 ist das Merkmal der Investitionsabsicht entfallen. Außerdem ist es nicht mehr erforderlich, jedes Wirtschaftsgut nach seiner Funktion zu benennen. Damit ist eine erhebliche Vereinfachung erreicht. Fraglich kann allerdings sein, ob in Ausnahmefällen gleichwohl weiterhin eine Investitionsabsicht gefordert werden kann. Dafür könnte der Gesetzeswortlaut sprechen, der wie bisher von einer "künftigen Anschaffung oder Herstellung" ausgeht (§ 7g Abs. 1 EStG).

BFH, Urteil v. 28.4.2016, I R 31/15, veröffentlicht am 10.8.2016

Alle am 10.8.2016 veröffentlichten Entscheidungen des BFH

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