Pflegeaufwendungen für eigene häusliche Pflege als außergewöhnliche Belastung
Sachverhalt: Finanzamt erkennt nur haushaltsnahe Dienstleistungen an
Im Streitfall war die Steuerpflichtige aufgrund diverser Erkrankungen pflegebedürftig mit der Pflegestufe II. Sie schloss im Rahmen der häuslichen Pflege mit einer polnischen Firma einen Dienstleistungsvertrag ab. Die Firma hat sich auf die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung sowie auf die Unterstützung der Kunden bei alltäglichen Aktivitäten spezialisiert und bietet in geringerem Umfang auch Leistungen in der Grundpflege an.
Die von der Steuerpflichtigen geltend gemachten Aufwendungen ließ das Finanzamt mit der Begründung nach § 33 EStG unberücksichtigt, dass es sich bei den Betreuungskräften nicht um ausgebildete Pflegekräfte bzw. einen anerkannten Pflegedienst nach § 89 SGB XI handele. Die Aufwendungen für die Betreuungsleistungen in Höhe von 28.500 EUR wurden lediglich als haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG angesetzt und mit dem Höchstbetrag von 4.000 EUR von der tariflichen Einkommensteuer abgezogen.
Entscheidung: Pflegeaufwendungen als Krankheitskosten abziehbar
Das Finanzgericht entschied jedoch, dass die Aufwendungen der Steuerpflichtigen an die polnische Firma als Pflegeaufwendungen zu den dem Grunde nach abziehbaren Krankheitskosten gehören. Soweit die Aufwendungen auf die sog. Grundpflege i. S. d. § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI – Körperpflege, Ernährung und Mobilität – entfallen, handelt es sich bereits begrifflich um solche, die die Krankheit erträglicher machen sollen. Aber auch bei den zu erbringenden Leistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung handelt es sich dem Grunde nach um abziehbare Krankheitskosten i. S. d. § 33 EStG. Der Hilfebedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung ist zwar nur ein unselbstständiger Bestandteil der Pflege und führt für sich allein noch nicht zur Anerkennung erheblicher Pflegebedürftigkeit. Dennoch dienen auch Aufwendungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung dazu, die Krankheit erträglicher zu machen und gehören daher als Pflegeaufwendungen zu den dem Grunde nach abziehbaren Krankheitskosten.
Praxishinweis: Ausbildung der Pflegekräfte nicht maßgeblich
Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen ist nach Auffassung des Finanzgerichts auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den eingesetzten Betreuungskräften nicht um besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal handelt. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 33 EStG noch aus § 64 EStDV.
Der Höhe nach sind Aufwendungen für die Grundpflege i. S. d. § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) in vollem Umfang als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Dagegen ist bei Erwachsenen mit Pflegestufe II der Unterstützungsbedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung grundsätzlich auf das zeitliche Höchstmaß von maximal 60 Minuten pro Tag begrenzt, so dass für die hauswirtschaftliche Versorgung nur die Aufwendungen für eine Stunde pro Tag als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Das gilt jedenfalls dann, wenn zudem auch ein Gutachten des medizinischen Dienstes einen Hilfebedarf der Steuerpflichtigen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens für Leistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung in Höhe von 60 Minuten kalendertäglich bescheinigt hat.
Auch Unterkunft und Unfallversicherung zu berücksichtigen
Zu den dem Grunde nach abziehbaren Pflegeaufwendungen zählen neben Zahlungen an den Pflegedienst auch die vom Steuerpflichtigen zu stellende kostenlose Unterkunft an das jeweilige Betreuungspersonal sowie die für das Betreuungspersonal geleistete Unfallversicherung, abzüglich des erhaltenen Pflegegeldes.
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.6.2016, 5 K 2714/15
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