Steuerbefreiung von Umsätzen mit Bitcoins
Sachverhalt
Das schwedische Vorabentscheidungsersuchen betraf die Frage, ob es sich beim Umtausch einer virtuellen Währung (Bitcoins) in eine herkömmliche Währung und umgekehrt um eine Dienstleistung gegen Entgelt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL handelt und ob diese Leistung gem. Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL von der MwSt befreit ist.
Ausgangspunkt des Verfahrens war die Absicht des Klägers, über ein Einzelunternehmen Dienstleistungen in Form des An- und Verkaufs der virtuellen Währung Bitcoin anzubieten, d. h. herkömmliche Währung in Bitcoins umzutauschen und umgekehrt. Dabei sollten Bitcoins von Privatpersonen und Unternehmern oder von einem internationalen Umtauschportal angekauft, ggf. zwischengelagert und über die Website des Unternehmens an solche Portale, Privatpersonen oder Unternehmen weiterverkauft werden.
In einem Vorbescheid stufte der schwedische Steuerrechtsausschuss (Skatterättsnämnd) den An- und Verkauf von Bitcoins unter Hinweis auf das EuGH-Urteil v. 14.7.1998, C-172/96 (First National Bank of Chicago), als steuerbare Umtauschdienstleistung gegen Entgelt ein, die jedoch nach schwedischem Recht von der MwSt befreit sei. Bitcoins würden wie gesetzliche Zahlungsmittel verwendet und wiesen eine große Ähnlichkeit mit elektronischem Geld (E-Geld) auf, sodass die Befreiungen in Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL griffen. Auch die schwedische Finanzaufsicht habe die Tätigkeit als Finanzgeschäft in Form der Bereitstellung von Zahlungsmitteln angesehen.
Entscheidung
Der Gerichtshof ist im Ergebnis dem Entscheidungsvorschlag der Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen vom 16.7.2015 gefolgt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ und umgekehrt um eine Dienstleistung gegen Entgelt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL handelt. Zwischen dem Kläger und seinen Vertragspartnern bestehe ein gegenseitiges Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen sich die an dem Umsatz Beteiligten wechselseitig verpflichten, Beträge in einer bestimmten Währung zu überlassen und den entsprechenden Gegenwert in einer beidseitig handelbaren virtuellen Währung zu erhalten oder umgekehrt. Die Vergütung entspreche der Spanne, die das Unternehmen in die Berechnung des Wechselkurses einbezieht, zu dem es bereit ist, die jeweiligen Währungen zu verkaufen und anzukaufen. Die Umsätze seien daher mit einem herkömmlichen Währungsumtausch vergleichbar, der Gegenstand des EuGH-Urteils C-172/96 (First National Bank of Chicago) war.
Diese Dienstleistung ist allerdings als Umsatz, der sich auf Devisen, Banknoten und Münzen bezieht, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL steuerfrei. Dies begründet der EuGH damit, dass zum einen die verschiedenen Sprachfassungen von Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL es nicht erlaubten, eindeutig festzustellen, ob diese Bestimmung nur auf Umsätze anwendbar ist, die sich auf konventionelle Währungen beziehen, oder ob sie vielmehr auch Umsätze unter Einbeziehung einer anderen Währung erfasst. Zum anderen verweist der EuGH auf den Sinn und Zweck der Vorschrift, d.h. die Beseitigung der im Rahmen der Besteuerung von Finanzgeschäften auftretenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge im Fall der Steuerpflicht solcher Leistungen. Wäre die Steuerbefreiung auf Umsätze mit konventionellen Währungen beschränkt, verlöre die Regelung einen Teil ihrer Wirkung.
Hinsichtlich der Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d bzw. Buchst. f MwStSystRL verneint der EuGH mit Blick auf deren Wortlaut ihre Anwendbarkeit auf Umsätze mit Bitcoins.
Praxishinweis
Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL mag vom Ergebnis her nachvollziehbar sein, weil der Wortlaut der Vorschrift in den verschiedenen Sprachfassungen nicht identisch und das allgemeine Ziel, Geldwäsche oder sonstige Kriminalität zu verhindern, das mit einer Umsatzsteuerpflicht von Bitcoin-Umsätzen ggf. eher erreichbar wäre, nicht primäres Ziel der MwStSystRL ist. Die Entscheidung überrascht aber dennoch, weil auch die Befreiungstatbestände im Bereich der Finanzdienstleistungen eng auszulegen sind und der Befreiungstatbestand des Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL nur vom Kläger für einschlägig befunden worden war.
Zu begrüßen an dem Urteil ist, dass der An- und Verkauf von Bitcoins als steuerbare „Dienstleistung gegen Entgelt“ i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL anzusehen ist. Dieses hatte der EuGH jedoch bereits u. a. in dem Urteil v. 14.7.1998, C-172/96 (First National Bank of Chicago) herausgearbeitet. Eine Leistung wird dann gegen Entgelt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.
Nachvollziehbar ist im Ergebnis auch, dass Bitcoins keine Gegenstände der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL genannten Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr sind. Buchgeld und E-Geld leiten sich immer von gesetzlichen Zahlungsmitteln ab. Bitcoins sind nirgendwo als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. Sie leiten sich auch nicht in sonstiger Weise von einem gesetzlichen Zahlungsmittel ab. Umsomehr überrascht aber, dass es sich bei den Umsätzen mit Bitcoins um solche Gegenstände handeln soll, die gesetzliches Zahlungsmittel sind.
Die Entscheidung, dass es sich bei der Abgabe von Bitcoins um Umsätze gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL mit Devisen, Banknoten und Münzen handelt, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, hat auch Auswirkungen auf Warenlieferungen oder Dienstleistungen, die gegen die Abgabe von Bitcoins erbracht werden. Insofern ist die Abgabe von Bitcoins keine reine (nicht steuerbare) Gegenleistung, sondern eine steuerbare (aber steuerfreie) Leistung, die zu einem tauschähnlichen Umsatz führt.
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