Umsatzsteuerliche Behandlung der Portfoliobehandlung

Die individuelle Portfolioverwaltung ist eine im Inland steuerpflichtige einheitliche Leistung (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung). Wird die Leistung an im Drittland ansässige Privatanleger erbracht, ist sie am Empfängerort zu besteuern.

Hintergrund
Die Bank war beauftragt, unter Berücksichtigung der von den Kunden gewählten Anlagestrategie deren Wertpapiere zu verwalten (Verwaltung und Transaktionen). Unter Berufung auf ein BFH-Urteil war die Bank der Auffassung, ihre Leistungen an Anleger im Inland bzw. im Gemeinschaftsgebiet seien steuerfrei und an Anleger im Drittlandsgebiet nicht steuerbar (BFH v. 11.10.2007, V R 22/04, BStBl II 2008, 993). Das FA ging dagegen von steuerpflichtigen Umsätzen aus. Es stützte sich auf einen Nichtanwendungserlass, mit dem das BMF auf das vorgenannte BFH-Urteil reagiert hatte (BMF v. 9.12.2008, BStBl I 2008, 1086). Das FG widersprach dem FA und gab der Klage statt.

Entscheidung
Auf die Revision des FA legte der BFH die Frage dem EuGH vor. Er fragte an, ob - bei Unterstellung der Steuerpflicht der Vermögensverwaltung - der An- und Verkauf der Wertpapiere (Transaktionen) eine Nebenleistung zur Vermögensverwaltung darstellt und somit eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob insoweit eigenständige (steuerfreie) Umsätze vorliegen. Der EuGH klärte die Frage und entschied im Sinne des angeführten BMF-Schreibens, bei der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren, bei der der Anleger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf entscheidet, handele es sich um eine einheitliche und im Inland steuerpflichtige Leistung (EuGH v. 19.7.2012, C-44/11, UR 2012, 667). Dieser Auffassung schloss sich der BFH nunmehr an. Das abweichende o.g. BFH-Urteil in BStBl II 2008, 993 ist damit überholt.

Anders ist es bei Leistungen gegenüber im Drittland ansässigen Anlegern. Diese Leistungen sind wegen des dort belegenen Orts der Dienstleistung nicht im Inland steuerbar. Insoweit folgte der EuGH nicht dem BMF-Schreiben. Denn die Bestimmung des Drittlands als Ort der Dienstleistung in Drittlandsfällen (Art. 56 - neu: 59 - Abs. 1 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) bezieht sich nach dem EuGH nicht lediglich auf "Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze" im engeren Sinne, sondern auch auf die Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.

Da der Umfang der Vermögensverwaltung für im Drittland ansässige Anleger nicht feststand, musste der BFH die Sache an das FG zurückverweisen.

Hinweis
Der BFH betont den Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Nach nationalem Recht gilt die Bestimmung des Leistungsorts nach dem Wohnsitz im Drittlandsgebiet lediglich für Wertpapierumsätze bzw. Vermittlungsumsätze. Die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren ist ausdrücklich ausgenommen (§ 3a Abs. 4 Nr. 6a i.V.m. § 4 Nr. 8 e UStG). Dies verstößt gegen Unionsrecht. Denn die gemeinschaftsrechtliche Regelung für Bank- und Finanzumsätze umfasst nach dem EuGH auch die Vermögensverwaltung mit Wertpapieren. Die Leistungen sind insoweit abweichend vom nationalen Recht am Empfängerort zu besteuern. Wegen des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs kann sich die Bank für ihre Leistungen an im Drittland ansässige Anleger daher auf die günstigere gemeinschaftsrechtliche Regelung berufen. Das BMF-Schreiben steht dem nicht entgegen. Denn als norminterpretierende Verwaltungsanweisung kommt ihm im Finanzprozess keine Bindungswirkung zu.

Urteil v. 11.10.2012, V R 9/10, veröffentlicht am 14.11.2012


Schlagworte zum Thema:  Wertpapier, Steuerpflicht, Vermögensverwaltung