Wahrung der Klagefrist bei Entschädigungsklage

Bei Entschädigungsklagen ist für die Wahrung der sechsmonatigen Klagefrist stets der Eingang der Klage beim BFH maßgebend; das gilt auch nach Anfügung des § 66 Satz 2 FGO, wonach solche Streitsachen erst mit der Zustellung der Klage rechtshängig werden.

Hintergrund: Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren

Die Eheleute E erhoben am 9.11.2016 Entschädigungsklagen beim BFH gemäß § 198 GVG wegen der von ihnen für unangemessen angesehenen Dauer von insgesamt fünf finanzgerichtlichen Verfahren, die seit dem 11.3.2013 beim FG anhängig waren. Die Entschädigungsklagen wurden dem Beklagten am 4.1.2017 zugestellt. Das finanzgerichtliche Ausgangsverfahren wegen Umsatzsteuer (USt) war nach der Erledigung der Hauptsache durch Kostenbeschluss vom 14.7.2016 beendet worden. In den vier Ausgangsverfahren wegen Einkommensteuer (ESt) sind die verfahrensabschließenden Urteile den Eheleuten am 18.5.2016 zugestellt und am 20.6.2016 rechtskräftig geworden.

Im vorliegenden Verfahren musste der BFH zunächst darüber befinden, ob die Entschädigungsklagen zulässig waren. Die Sechs-Monats-Frist zur Erhebung der Entschädigungsklagen in Bezug auf die vier ertragsteuerlichen Ausgangsverfahren endete nämlich am 20.12.2016 (Sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidungen). Diese Frist hätten die Eheleute nur gewahrt, wenn bereits auf den Klageeingang beim BFH (9.11.2016), nicht aber erst auf die Zustellung beim Beklagten (4.1.2017) abzustellen wäre.

Entscheidung: Eingang der Klage beim BFH maßgebend

Der BFH entschied, dass die Klagen zulässig waren, weil die sechsmonatige Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG für sämtliche Entschädigungsklagen gewahrt worden ist.

Bis zur Anfügung des § 66 Satz 2 FGO trat die Rechtshängigkeit in finanzgerichtlichen Verfahren bereits mit der Erhebung der Klage ein (§ 66 FGO a. F.). Dieser Zeitpunkt war auch für die Wahrung der sechsmonatigen Klagefrist in Entschädigungsklagen maßgeblich (vgl. BFH, Urteil v. 19.3.2014, X K 8/13, BStBl II 2014, S. 584, Rz. 39). Nunmehr bestimmt § 66 Satz 2 FGO, dass in Verfahren nach dem 17. Teil des GVG wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens die Streitsache erst mit Zustellung der Entschädigungsklage beim Beklagten rechtshängig wird. 

§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG knüpft für die Wahrung der Klagefrist allerdings nicht an den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, sondern bereits an den Zeitpunkt der Klageerhebung an. Für die Klageerhebung wird in der FGO aber – anders als in der ordentlichen Gerichtsbarkeit – unverändert auf den Zeitpunkt der schriftlichen Einreichung der Klage beim Gericht abgestellt (vgl. § 64 Abs. 1 FGO). Der BFH war daher der Auffassung, dass es auch nach der Anfügung der Regelung in § 66 Satz 2 FGO für die Wahrung der Klagefrist bei der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Klageerhebung bleibt. Dies diene – so der BFH – auch der Rechtsklarheit, da im Fall der Abstellung  auf die Rechtshängigkeit bei einem – wie hier – relativ langen Zeitraum zwischen dem Eingang der Entschädigungsklage beim BFH und der Zustellung der Klageschrift beim Beklagten zusätzlich zu entscheiden wäre, ob die Zustellung i. S. d. § 167 ZPO noch als "demnächst erfolgt" angesehen werden könnte und daher die in dieser Vorschrift angeordnete Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage zu berücksichtigen wäre.

Hinweis: Verzögerung von elf Monaten im Streitfall unangemessen

Auch in der Sache hat der BFH den Eheleuten Recht gegeben und entschieden, dass aufgrund einer Verzögerung von jeweils elf Monaten die Dauer der Ausgangsverfahren als unangemessen anzusehen sei. Die Höhe der Entschädigung hat der BFH pro Kläger und Verfahren auf jeweils 600 EUR festgesetzt. Dass die Kläger ihren Zahlungsantrag lediglich in Höhe eines Mindestbetrags (600 EUR) beziffert hatten, stand nach Auffassung des BFH der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags und damit der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen (vgl. auch BFH, Urteil v. 25.10.2016, X K 3/15, BFH/NV 2017, 159, Rz. 15). Dabei hat sich der BFH zwar grundsätzlich für befugt gehalten, über den bezeichneten Mindestbetrag hinauszugehen (vgl. dazu BFH, Urteil v. 2.12.2015, X K 7/14, BStBl II 2016 S. 405, Rz. 15 ff.), sah im Streitfall aber keinen Grund, den Eheleuten mehr als die beantragten Mindestbeträge zuzusprechen.

BFH, Urteil v. 12.7.2017, X K 3-7/16; X K 3/16; X K 4/16; X K 5/16; X K 6/16; X K 7/16, veröffentlicht am 20.12.2017.

Alle am 20.12.2017 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


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