Steuerpflicht der Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung bei Umschuldung eines Neudarlehens
Hintergrund: Umschuldung mit einem Forwarddarlehen
Streitig war die Steuerpflicht von Zinsen aus einer vor 2005 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung.
A erwarb in 1998 mit seiner (damaligen) Ehefrau (B) ein Einfamilienhaus zur Vermietung. Die Anschaffung finanzierten sie mit Bankdarlehen. In 2006 übernahm A den Miteigentumsanteil und die Darlehensschuld der B und schloss mit der Bank ein Forwarddarlehen (Vorausdarlehen) ab, um beide Anschaffungsdarlehen abzulösen.
A hatte eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen. Im Streitjahr 2010 trat er die Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens ab und tilgte die Darlehen. Dafür fielen Gebühren an. Zudem buchte die Bank Bereitstellungszinsen ab.
Auf die Mitteilung der Bank, dass A ihr seine Ansprüche aus der Kapitallebensversicherung zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens abgetreten hatte, stellte das FA die Steuerpflicht der Zinsen aus der Lebensversicherung fest.
Gegen den Feststellungsbescheid wandte A ein, die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Zinsen aus der Versicherung seien erfüllt. Er habe das Forwarddarlehen zur Ablösung der Anschaffungsdarlehen verwendet. Die Bereitstellungszinsen habe er als bankübliche einmalige Finanzierungskosten steuerunschädlich mitfinanzieren dürfen. Sie seien daher nicht auf die Bagatellgrenze von 2.556 EUR (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004) anzurechnen. Der Restbetrag des Forwarddarlehens sei zwar in Höhe von 1.525 EUR steuerschädlich verwendet worden, überschreite aber nicht die Bagatellgrenze.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die tatsächliche Verwendung des Forwarddarlehens zur Tilgung der Bereitstellungszinsen und übrigen Aufwendungen im Rahmen der Umschuldung sei steuerschädlich. Denn das Darlehen sei insoweit nicht ausschließlich und unmittelbar zur Finanzierung der Anschaffungs-/Herstellungskosten i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 verwendet worden.
Entscheidung: Keine Steuerbefreiung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004
Für das Streitjahr 2010 sind § 10 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 anzuwenden. Danach gilt für vor 2005 abgeschlossene Lebensversicherungen Folgendes:
Rechtslage 2004
Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind grundsätzlich steuerpflichtig (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004).
- Das gilt als Ausnahme hiervon nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 jedoch u.a. nicht, wenn es sich um Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 handelt. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG 2004 gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 wiederum u.a. nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug der Versicherungsbeiträge erfüllt sind.
- Versicherungsbeiträge können gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Ansprüche der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten sind.
- Von diesem Abzugsverbot enthält u.a. die (im Streitfall allein in Betracht kommende) Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 eine Rückausnahme. Der Sonderausgabenabzug ist gestattet, wenn das besicherte Darlehen selbst unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs-/Herstellungskosten dient und die zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs-/Herstellungskosten übersteigen. Dabei gilt eine Bagatellgrenze von 2.556 EUR.
Im Streitfall keine Steuerbefreiung, da kein Sonderausgabenabzug besteht
Demnach kommt im Streitfall die Steuerbefreiung für die Zinsen aus der Lebensversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 nicht in Betracht. Denn A steht der Sonderausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge wegen der Abtretung der Ansprüche zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 nicht zu. Dem Sonderausgabenabzug steht entgegen, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens dienen, dessen Finanzierungskosten jedenfalls in Höhe der Bereitstellungszinsen Werbungskosten des A bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind.
Keine Rückausnahme vom Abzugsverbot
Die Voraussetzungen der Rückausnahme vom Abzugsverbot in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 sind nicht erfüllt. Da A mit dem Forwarddarlehen neben den Restschulden aus den ursprünglichen Anschaffungsdarlehen die Bereitstellungszinsen und weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit der Umschuldung finanziert hat, dient das mit der Lebensversicherung besicherte Forwarddarlehen nicht unmittelbar und ausschließlich i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 der Finanzierung der Anschaffungs-/Herstellungskosten des vermieteten Einfamilienhauses. Ferner überstieg das Forwarddarlehens die Restschuld der Anschaffungsdarlehen. Dass die Bereitstellungszinsen wegen der Umschuldung anfielen, genügt für den engen Zusammenhang nicht. Die Bereitstellungszinsen (und die weiteren umschuldungsbedingten Aufwendungen) übersteigen schließlich die Bagatellgrenze von 2.556 EUR.
Hinweis: Keine Aufteilung der Zinsen
Mit dem Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1, 2 und 4 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 sind die gesamten Zinsen aus der Lebensversicherung steuerpflichtig. Eine Aufteilung des Forwarddarlehens und der Zinsen in einen steuerschädlichen und einen steuerunschädlichen Teil ist ausgeschlossen (BFH v. 12.10.2011, VIII R 49/09, BStBl II 2014, 156, Rz 21).
BFH Urteil vom 12.04.2021 - VIII R 6/18 (veröffentlicht am 08.07.2021)
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