Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Beim freiwilligen Austausch von Grundstücken zur besseren Gestaltung von Bauland (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG) sind Zuzahlungen unschädlich, die durch die Abgabe von Grundstücken zur Schaffung und Erweiterung von öffentlichen Straßen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG) veranlaßt sind (vgl. auch Urteil II 135/62 vom 16. Februar 1966, BFHE 85, 298, BStBl III 1966, 318).
Normenkette
GrEStG § 4/1/3/b; GrEStG § 4/1/4/a
Tatbestand
Die Kläger haben durch einen als Tausch bezeichneten Vertrag ihnen in Erbengemeinschaft gehörende Grundstücksflächen zur Schaffung und Erweiterung öffentlicher Straßen an die Stadtgemeinde abgegeben. Sie haben von dieser andere Grundstücksflächen und einen baren Wertausgleich erhalten. Die Größe der von den Klägern abgegebenen Flächen wurde im Vertrag mit etwa 15.505 qm bezeichnet; die Vermessung ergab eine Größe von 15.249 qm. Die Größe der von der Stadtgemeinde an die Erbengemeinschaft abzugebenden Flächen wurde mit 1.815 qm angenommen; sie betrug nach Vermessung 1.846 qm. Dem Vertrag wurde ein Quadratmeterpreis von 51,50 DM zugrunde gelegt. Die Werte sollten jedoch durch eine feste Zahlung der Stadtgemeinde von 700.000 DM ausgeglichen werden. Diese Zuzahlung sollte sich durch die Ergebnisse der Vermessung nicht ändern.
Das Finanzamt (FA) hat die Erbengemeinschaft aus deren Erwerb zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Die Kläger sind der Ansicht, ihr Erwerb beruhe auf einem Austausch von Grundstücken zur besseren Gestaltung von Bauland und sei deshalb von der Grunderwerbsteuer befreit. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG ist u. a. von der Besteuerung ausgenommen der freiwillige Austausch von Grundstücken zur besseren Gestaltung von Bauland, wenn der Austausch von der zuständigen Behörde als zweckdienlich anerkannt wird. Das Finanzgericht (FG) hat die Voraussetzungen dieser Vorschrift allein mit der Begründung verneint, daß bei einer Zuzahlung von 700.000 DM zu dem Wert der empfangenen Grundstücke von nur 95.069 DM das Tatbestandsmerkmal des Tausches nicht erfüllt sei. Demgegenüber berufen sich die Kläger auf das Urteil des BFH II 135/62 vom 16. Februar 1966 (BFH 85, 298, BStBl III 1966, 318). Dem darin vertretenen Rechtsstandpunkt tritt der Beklagte mit Ausführungen entgegen, die denen von Iff in der Deutschen Verkehrsteuer-Rundschau 1966 S. 177 f. entsprechen.
Das dem Erwerb der Erbengemeinschaft zugrunde liegende Rechtsgeschäft - absolut gesehen ein gemischter Tausch - ist im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG als Tausch (Austausch) zu qualifizieren. Denn ein gemischter Tausch ist im Sinne dieser Befreiungsvorschrift nicht nur dann dem Begriff des Austauschs zuzurechnen, wenn die bare Zuzahlung nur als Spitzenausgleich zu bewerten ist, sondern auch dann, wenn die Zuzahlung bei zusammenfassender Betrachtung von Sinn und Zweck mehrerer Befreiungsvorschriften außer Betracht bleiben muß.
Kauf und Tausch sind Austauschverträge in dem Sinne, daß sich die Vertragsteile gegenseitig verpflichten, sich einen Gegenstand des Rechtsverkehrs gegen einen anderen Gegenstand des Rechtsverkehrs zu verschaffen. Der Tausch unterscheidet sich vom Kauf - nur - darin, daß er nicht auf Leistung eines Gegenstands gegen Geld (Kaufpreis), sondern auf Leistung eines - individuellen (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 50 S. 285 (287); Palandt-Gramm, BGB, 26. Aufl. 1967, § 515 Anm. 1) - Gegenstands, einer Sache oder eines Rechts (Kuhn in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, 11. Aufl. 1959, § 515 Anm. 1) gegen Leistung eines ebensolchen Gegenstandes gerichtet ist (Böhle- Stamschräder in Erman, BGB, 3. Aufl. 1962, § 515 Anm. 1; Rosenthal-Bohnenberg, BGB, 15. Aufl. 1965, § 515 Anm. 1; Staudinger-Ostler, BGB, 11. Aufl. 1955, § 515 Randnr. 2). Der Schwerpunkt des Begriffes "Tausch" liegt also in einer Negation, nämlich darin, daß gegen den Vertragsgegenstand die anderseitige Leistung nicht mit Geld in seiner Funktion als Wertmesser gewährt wird (Staudinger-Ostler, a. a. O.). Trotz Bestimmung von Tauschpreisen liegt jedoch ein echter Tausch vor, wenn die vereinbarten Geldsummen lediglich den Charakter von Vergleichs- oder Abrechnungsgrößen haben (RGZ Bd. 73 S. 88 (90); Böhle- Stamschräder, a. a. O.; Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearb. 1958, § 119, 1; Ballerstedt in Soergel-Siebert, BGB, 9. Aufl. 1962, § 515 Randnr. 4). Maßgebend ist insoweit nicht der von den Vertragschließenden gewählte Ausdruck (RGZ Bd. 50 S. 285 (286)), sondern wie das Vereinbarte rechtlich zu beurteilen ist (RGZ Bd. 88 S. 361 (364); vgl. RGZ Bd. 161 S. 1 (2 f.)). Selbst zwei der Form nach selbständige Kaufverträge können einen Tauschvertrag bilden, wenn sie im synallagmatischen Verhältnis stehen (Ballerstedt, a. a. O.), d. h., wenn die Absicht der Parteien dahin geht, daß die Geltung des einen Vertrags von der Geltung des anderen abhängig sein soll (Kuhn, a. a. O., § 515 Anm. 3; Staudinger-Ostler, a. a. O.).
Daraus ergibt sich, daß das hier zu entscheidende Problem nicht schon dann vermieden wäre, wenn die Vertragschließenden einerseits etwa gleich große Grundstücksflächen vertauscht (Steuerbefreiung aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG), andererseits die Kläger die überschießenden Grundstücksflächen an die Stadtgemeinden verkauft hätten (Steuerbefreiung aus § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG). Denn auch in diesem Falle wäre unter Umständen die interessenbedingte Geschäftsgrundlage beider Vertragschließenden dahin gegangen, daß das eine Geschäft nicht ohne das andere wirksam sein solle (vgl. insoweit auch § 6 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes. - StAnpG -). Der Standpunkt des Beklagten müßte also dazu führen, daß bei einem Grundstücksaustausch, der auf der einen Seite zu einer besseren Gestaltung von Bauland, auf der anderen Seite zur Schaffung von öffentlichen Straßen führt, die Erwerbe beider Beteiligter zwar dann steuerfrei wären, wenn der Wert der abgegebenen und der empfangenen Grundstücke im wesentlichen ausgeglichen ist, daß aber für den nicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG begünstigten Erwerb unvermeidbar Steuerpflicht einträte, wenn der unterschiedliche Wert der Grundstücke eine größere Zuzahlung erfordert. Maßgebend ist der Rechtsvorgang und nicht die dafür gewählte Rechtsform (vgl. RGZ Bd. 73 S. 88 (89), Bd. 161 S. 1 (2 f.)).
Ein solches Ergebnis widerspräche dem Sinn der genannten Befreiungsvorschriften. Diese dürfen nicht in einer allein auf den Wortlaut abstellenden Isolierung gelesen werden. Vielmehr ist ihr Sinn aus Wortlaut und Zusammenhang zu ermitteln. Wenn einerseits der tauschweise Erwerb zur Grenzverlegung oder zur besseren Gestaltung von Bauland, andererseits der Erwerb zur Schaffung von öffentlichen Straßen steuerbegünstigt ist, so kann ein Erwerb, welcher der besseren Gestaltung von Bauland dient, nicht allein deshalb der Grunderwerbsteuer unterworfen sein, weil ein in anderer Beziehung steuerbegünstigter Zweck, nämlich die Abgabe von Grundstücken (Erwerb des Tauschpartners) für öffentliche Straßen, ein reines Tauschgeschäft unmöglich macht und zu einem gemischten Geschäft mit erheblicher Zuzahlung zwingt.
Zutreffend ist freilich der begriffliche Ausgangspunkt des Beklagten, daß das Rechtsgeschäft der Vertragsparteien nicht - wie es die Kläger zunächst wollten - in zwei Geschäfte, in einen reinen Kauf und in einen reinen Tausch, zerlegt werden kann. Es ist vielmehr auch für das Grunderwerbsteuerrecht ein einheitliches Rechtsgeschäft von gemischtem Typus. Dem Beklagten kann jedoch darin nicht beigetreten werden, daß folglich ein solcher Vertrag im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts schlechthin nur wie ein Kauf behandelt werden könne. Vielmehr ist es für die Rechtsgeschäfte von gemischtem Typus geradezu kennzeichnend, daß sie unter bestimmten Umständen oder in bestimmten Beziehungen nach dem einen, unter anderen Umständen oder Beziehungen nach dem anderen Typ zu behandeln sind (vgl. Enneccerus-Lehmann, a. a. O., § 100; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 7. Aufl. 1965, § 34; Staudinger-Werner, BGB, 9. Aufl. 1930, Einl. vor § 305 unter II 5 b; vgl. auch für die gemischte Schenkung RGZ Bd. 101 S. 99 (101)).
Ein solcher gemischter Vertrag kann zwar in vielen Beziehungen durch seinen Haupttyp bestimmt werden; für manche Vertragstypen sieht das bürgerliche Recht ausdrücklich Nebenformen vor (vgl. z. B. §§ 587 ff. und im Verhältnis von Kauf und Tausch § 473 BGB). Eine derart absolute Betrachtung ist aber gerade für das Verhältnis von Kauf und Tausch im Grunderwerbsteuerrecht ausgeschlossen. Denn das bürgerliche Recht gibt in den wenigen Fällen, in denen es trotz der pauschalen Verweisung in § 515 BGB zu einer Grenzziehung genötigt ist, nämlich beim obligatorischen (§§ 504 ff. BGB) und dinglichen (§§ 1094 ff. BGB) Vorkaufsrecht, dem Begriff des Tausches einen wesentlich weiteren Inhalt (vgl. RGZ Bd. 88 S. 361; Bd. 161 S. 1 und für einen Fall der Minderung RGZ Bd. 73 S. 152), als er - in gewissem Unterschied zum Stempelsteuerrecht (vgl. RGZ Bd. 50 S. 285; Bd. 57 S. 264; Bd. 73 S. 88) - für das Grunderwerbsteuerrecht gelten könnte (vgl. insoweit Urteile des BFH II 8/55 S vom 23. Februar 1956, BFH 62, 353, BStBl III 1956, 130; II 182/56 U vom 8. Oktober 1958, BFH 68, 15, BStBl III 1959, 7; II 70/56 U vom 16. Dezember 1959, BFH 71, 58, BStBl III 1960, 270; II 156/60 vom 9. Oktober 1963, HFR 1964, 378). Die Grenze, innerhalb derer im Grunderwerbsteuerrecht gemischte Geschäfte noch als Tausch behandelt werden können, darf daher nicht schematisch gezogen werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 487/31 vom 18. März 1932, RStBl 1932, 749). Vielmehr muß die Befreiung des tauschweisen Erwerbs jeweils aus der Sicht des mit der jeweiligen Befreiungsvorschrift verfolgten Zwecks gesehen werden (Urteil des BFH II 113/62 U vom 13. Oktober 1965, BFH 83, 533, BStBl III 1965, 693).
Daher geht der Angriff des Beklagten fehl, es erscheine denkgesetzlich bedenklich, das einheitliche Gesamtgeschäft nur in den Fällen in die Komponenten "Kauf" und "Tausch" zu zerlegen, in denen die Zuzahlung durch eine Person erfolgt, deren Erwerb durch eine andere Vorschrift von der Besteuerung ausgenommen ist. Denn jeder Tausch mit Zuzahlung enthält zwangsläufig beide Komponenten. Zu entscheiden ist jeweils nur, welche Komponente für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung des Geschäfts maßgebend ist. Diese Frage ist in den Fällen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG verschieden zu beantworten, je nachdem, ob die Zuzahlung für einen Zweck erfolgt, den das Grunderwerbsteuerrecht selbst als förderungswürdig ansieht - hier die Schaffung und Erweiterung von öffentlichen Straßen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a. GrEStG) - und deshalb von der Besteuerung ausnimmt, oder ob das Geschäft deshalb aus dem Rahmen eines reinen Tausches herausfällt, weil einer der Vertragschließenden für einen nicht begünstigten Zweck ein wertvolleres Grundstück erhalten hat. In beiden Fällen ist jedoch davon auszugehen, daß das Geschäft weder ein reiner Tausch noch ein reiner Kauf noch eine Kombination zweier solcher Geschäfte, sondern ein einheitliches Rechtsgeschäft gemischten Typs ist, das nur infolge seiner Ambivalenz im einen Fall die Steuerbefreiung eintreten läßt, im anderen aber nicht.
Da das FG keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Erwerb der besseren Gestaltung von Bauland dient (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG), war die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 412417 |
BStBl III 1967, 345 |
BFHE 1967, 250 |
BFHE 88, 250 |
StRK, GrEStG:4/1/3 R 23 |