Flankierend zu den Datenübermittlungspflichten Dritter gem. § 93c AO i. V. m. den Einzelsteuergesetzen (z. B. Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers nach § 41b EStG) gibt es mit § 175b AO eine spezielle Korrekturvorschrift. Sie findet auf Übermittlungspflichten Anwendung, die den Besteuerungszeitraum nach 2016 betreffen.
§ 175b AO begründet ähnlich wie § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine absolute Anpassungsverpflichtung. Allerdings sind die von den Dritten auf der Grundlage des § 93c AO an das Finanzamt übersandten Mitteilungen inhaltlich nicht bindend. Sie haben zwar eine "Quasi-Bindungswirkung", sind aber keine Grundlagenbescheide.
§ 175b AO regelt in den ersten 3 Absätzen unterschiedliche Korrekturtatbestände. Die Feststellungslast für die jeweiligen Voraussetzungen trägt dabei derjenige, der sich auf die Änderungsmöglichkeit beruft.
Abs. 1 regelt den Fall, dass der Dritte zutreffende Daten an die Finanzbehörde übermittelt hat und diese Daten – aus welchen Gründen auch immer – bei der bisherigen Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
Berücksichtigung höherer Beiträge zur Basisvorsorge als vom Dritten übermittelt
S macht in der Anlage Vorsorgeaufwand höhere Beiträge zur Basisvorsorge geltend als von der Krankenversicherung mitgeteilt. Das Finanzamt bearbeitet bei der Veranlagung einen diesbezüglichen Prüfhinweis nicht. Die Festsetzung erfolgt daher mit zu hohen Beiträgen. Der Fehler kann gem. § 175b Abs. 1 AO korrigiert werden, selbst wenn die von der Versicherung mitgeteilten zutreffenden Daten dem Bearbeiter bei der Veranlagung bereits zur Verfügung standen.
Definition des BFH zum Begriff der "Daten" i. S. d. § 175b Abs. 1 AO
In seiner ersten Grundsatzentscheidung zum Abs. 1 des § 175b AO hat der BFH den Begriff der "Daten" i. S. d. § 175b Abs. 1 AO definiert.
Die Klägerin (K) ist unverheiratet und wurde einzeln zur ESt veranlagt. Ihr minderjähriger Sohn (S) lebte im Streitjahr 2017 in ihrem Haushalt. Der Vater (V) von S hatte für ihn bei einem privaten Krankenversicherer einen Krankenversicherungsvertrag geschlossen und die Beiträge gezahlt. Der Versicherer übermittelte der Finanzverwaltung im Februar 2018 für 2017 Daten zu den für S gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen. Die Meldung enthielt Angaben zu Familienname, Vorname, Geburtstag sowie Anschrift und Identifikationsnummer des S, ferner die Höhe der geleisteten Krankenversicherungsbeiträge sowie den Namen und das Geburtsdatum des V als Versicherungsnehmer, nicht aber dessen Identifikationsnummer. Dieser Datensatz gelangte zur Steuernummer der K.
Das Finanzamt berücksichtigte die Beiträge für S fälschlicherweise im ESt-Bescheid der K (obwohl sie dies nicht begehrt hatte) anstatt im Bescheid des V. Materiell-rechtlich ist das unstreitig. Nach Aufdeckung des Fehlers (inzwischen hatte V seine ESt-Erklärung abgegeben und die Beiträge geltend gemacht) erging gegenüber der K ein Korrekturbescheid auf der Grundlage des § 175b Abs. 1 AO, nach Auffassung des BFH zu Recht.
K hatte eingewandt, dass § 175b Abs. 1 AO – seinem Wortlaut entsprechend – eine Änderung nur zulässt, wenn übermittelte Daten i. S. d. § 93c AO nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Der BFH hat diese Ansicht unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zurückgewiesen. Der in § 175b Abs. 1 AO verwendete Begriff der "Daten" ist nicht auf den "Datensatz" beschränkt, dessen Mindestinhalt in § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO definiert wird. Denn § 93c AO stellt lediglich eine verfahrensrechtliche Vereinheitlichung dar. Gewollt war gerade, Fehler, die aus den gesetzlich angeordneten Pflichten zur elektronischen Datenübermittlung resultieren, einer Korrektur zu unterziehen. Dies betrifft auch und insbesondere die Daten, die die mitteilungspflichtige Stelle aufgrund einer einzelgesetzlichen Anordnung an das FA sendet. Der Ausschluss der Pflichten aus den Einzelsteuergesetzen bei Anwendung des § 175b AO würde zu einer nicht mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu vereinbarenden Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 175b AO führen.
Für eine Änderungsbefugnis gem. § 175b Abs. 1 AO ist allein entscheidend, dass das Ergebnis der Auswertung materiell-rechtlich unzutreffend ist. Hingegen ist die Fehlerquelle völlig unerheblich. Demnach spielt es keine Rolle, ob dem Steuerpflichtigen bei der Erstellung seiner Steuererklärung ein Schreibfehler oder Rechenfehler oder dem Finanzamt bei Erlass des Steuerbescheids ein mechanisches Versehen, ein Fehler bei der Tatsachenwürdigung oder ein Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen ist, und ob dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen ein Verschulden zur Last fällt. So steht der Anwendung des § 175b Abs. 1 AO z. B. nicht entgegen, dass die unzutreffende Berücksichtigung von elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen dadurch entstanden ist, dass das Finanzamt mit einem auf Antrag des Steuerpflichtigen in anderen Punkten geänderten Einkommensteuerbescheid ohne ersichtlichen Grund von der zuvor zutreffenden Berü...