Rz. 54
Die steuerrechtlichen Befugnisse der FinB bestehen gem. § 393 Abs. 1 Satz 1 AO unabhängig vom Strafverfahren fort. Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens hindert nach überw. Ansicht vor allem nicht weitere Ermittlungen durch die Außenprüfung (s. zur Gegenansicht Nachw. in Rz. 12). Dem Prüfer kann jedoch eine steuerstrafrechtliche Beurteilung allenfalls insoweit zuerkannt werden, als dies für die Prüfungstätigkeit tatsächlich erforderlich ist (z.B. zur Feststellung der Festsetzungsverjährung, § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, Durchbrechung der erhöhten Bestandskraft von Steuerbescheiden, § 173 Abs. 2 Satz 1 AO).
Der Einsatz steuerrechtlicher Zwangsmittel gegen den Beschuldigten ist in jedem Fall ausgeschlossen, soweit sich die durchzusetzenden Mitwirkungspflichten auf die "Tat" beziehen würden, die den Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen bildet (§ 393 Abs. 1 Satz 3 AO; s. § 393 Rz. 46 ff.). Zu den Belehrungspflichten des Außenprüfers gem. § 10 Abs. 1 Satz 4 BpO 2000 i.V.m. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO s. Rz. 27).
Rz. 54.1
Aufgrund des Verbots der Selbstbelastung (Nemo-tenetur-Grundsatz) ist die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen für sog. strafbefangene Zeiträume bis zum Abschluss des Strafverfahrens suspendiert, nicht jedoch für nachfolgende Jahre. Insoweit schützt nur ein strafprozessuales Verwendungsverbot (s. Rz. 50).
Gleichwohl kann auf den Stpfl. ein gewisser faktischer Zwang zur Selbstbelastung wirken. Die Rspr. hält eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO) für zulässig. Darf sich die FinB auch an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, darf das Zwangsmittelverbot nicht durch Strafschätzungen umgangen werden. Wenn der Betroffene die Schätzungsbescheide "akzeptiert", kann dies eine Indizwirkung für das Strafverfahren haben.
Will der Stpfl. die Bescheide daher mit Aussicht auf Erfolg anfechten, muss er die Rechtsbehelfe früher oder später mit Tatsachenangaben begründen und dabei u.U. den strafrechtlichen Vorwurf einräumen. Auch hier muss dem Stpfl. ein Verwertungsverbot für das Strafverfahren helfen.
Rz. 54.2
Die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wirkt sich zudem auf das Steuergeheimnis bzw. die Offenbarungsbefugnis der FinB bzgl. von im Rahmen der Ermittlungen bekannt gewordener allgemeiner Straftaten aus (vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a, § 393 Abs. 2 AO; dazu näher § 386 Rz. 21 ff.; zum Verwertungsverbot s. § 393 Rz. 65, 76 ff.).
Die Ablaufhemmung der steuerlichen Festsetzungsfrist bei Maßnahmen der Steuer- und Zollfahndung ist in § 171 Abs. 5 AO geregelt. Sie tritt nur ein, wenn Steuerfahnder vor Ablauf der "normalen Festsetzungsfrist" (vgl. § 169 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO) beim Stpfl. mit Ermittlungen begonnen haben (§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO) oder diesem die Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist, wobei es für die Rechtzeitigkeit der Bekanntgabe auf den Zeitpunkt der Absendung der Mitteilung ankommt (§ 171 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 3 AO). Die Ablaufhemmung erfasst aber nur solche Steueransprüche, die Gegenstand der Fahndungsprüfung waren. Auch der Wegfall des Fortsetzungszusammenhangs im Strafrecht wirkt sich auf die Festsetzungsfrist im Besteuerungsverfahren entsprechend aus.
Die Anwendbarkeit des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO (10-Jahres-Frist) und des § 171 Abs. 5 Satz 2 AO (Ablaufhemmung) wird bei Zöllen und Einfuhrabgaben durch den Unionszollkodex überlagert, denn nach Art. 103 Abs. 2 UZK setzt die Verlängerung der Festsetzungsfrist für Einfuhrabgaben i.S.d. UZK (Art. 5 Nr. 20 UZK) das Vorliegen einer strafbaren (nicht nur ordnungswidrigen) Handlung voraus. Das ist aber bei Zollfahndungsmaßnahmen nicht generell der Fall. Es bleibt dann bei der Verjährungsfrist des UZK von drei Jahren (Art. 103 UZK). Problematisch ist indes, dass es allein auf die Entstehung der Zollschuld ankommt, d.h. die verlängerte Verjährungsfrist greift auch zu Lasten des redlichen Zollschuldners.
Die Einleitung des Strafverfahrens entscheidet auch über den Beginn der Festsetzungsfrist von Hinterziehungszinsen. Die Festsetzungsfrist hierfür beträgt ein Jahr (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO). Die einjährige Frist beginnt nach § 239 Abs. 1 Nr. 3 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Das Strafverfahren muss hierfür bis zum Ablauf des Jahres eingeleitet worden sein, in dem die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt wurden. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 2 Satz 2 AO ist nicht möglich. Die Anlaufhemmung wird aber nur wirksam, wenn das Steuerstrafverfahren formell eingeleitet wurde; vorbereitende Maßnahmen reichen hierfür nicht aus. Genügen soll es, wenn die Steufa eine Selbstanzeige an die Strafsachenstelle weiterleitet.