Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 85
Die Zulassung berechtigt und verpflichtet zugleich den Vertrags(zahn)arzt/Vertragspsychotherapeuten, an der Versorgung der Versicherten im allgemein üblichen Umfang teilzunehmen (Versorgungsauftrag); die vertraglichen Bestimmungen über die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sind für den zugelassenen Leistungserbringer verbindlich. Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bedeutet, dass der Vertragsarzt/der Vertragspsychotherapeut/der Vertragszahnarzt oder das MVZ jeden ihn bzw. es in Anspruch nehmenden Versicherten zulasten der zuständigen Krankenkasse im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen ärztlich, psychotherapeutisch oder zahnärztlich versorgen darf.
Die Verpflichtung zur Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung bedeutet andererseits, dass der Vertragsarzt und die anderen vorgenannten Leistungserbringer durch seine/ihre Zulassung die Verpflichtung übernimmt/übernehmen, die Versicherten im Rahmen seiner/ihrer Sprechstundentätigkeit und Hausbesuchstätigkeit zulasten der Krankenkasse (d. h. grundsätzlich ohne Zahlung oder Zuzahlung des Patienten) ärztlich, psychotherapeutisch oder zahnärztlich zu versorgen. Dazu gehört z. B. auch die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes, seinem Versorgungsauftrag entsprechend am Notdienst oder Bereitschaftsdienst (vgl. § 75 Abs. 1) der für ihn zuständigen KV teilzunehmen (so auch BSG, Urteil v. 13.2.2019, B 6 KA 51/17 R).
Diese Verpflichtung übernimmt der Vertragsarzt/Vertragspsychotherapeut gegenüber seiner KV, die ihrerseits den Krankenkassen für die Erfüllung seiner Verpflichtung Gewähr zu leisten hat und bei Zuwiderhandlung den Vertragsarzt mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten hat. Dies gilt auch für ein zugelassenes MVZ. Eine Behandlungspflicht gegenüber dem einzelnen Versicherten erwächst dem Vertragsarzt oder dem MVZ dagegen grundsätzlich erst aus der Übernahme der Behandlung (vgl. § 76 Abs. 4).
Rz. 86
Die Behandlungspflicht schließt ein, dass die Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Versorgung nicht durch einen Boykott der Krankenversichertenkarte (jetzt Gesundheitskarte) und durch Druck auf den Versicherten beeinträchtigt werden kann, die Kostenerstattung nach § 13 zu wählen. Wer als Vertrags(zahn)arzt, MVZ oder als KV bzw. KZV sich so verhält, handelt rechtswidrig. Während gegen den Vertrags(zahn)arzt oder das MVZ seitens der KV/KZV mit Disziplinarmaßnahmen vorzugehen wäre, hätte eine KV/KZV, die selbst den Boykott initiiert oder unterstützt bzw. gegen diesen vertragsärztlichen Leistungserbringer nichts unternimmt, mit aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde zu rechnen. Damit scheiden finanzielle Gesichtspunkte bei der Auswahl der Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Vertragsarzt rundweg aus. Mit der Behandlungspflicht wäre es im Übrigen nicht zu vereinbaren, wenn ein Vertragsarzt bestimmte, in sein Fachgebiet fallende Leistungen bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung nur noch privatärztlich oder gegen Kostenerstattung erbringen und abrechnen würde (BSG, Urteil v. 14.3.2001, B 6 KA 67/00 R). Die Behandlungspflicht bedeutet aber nicht generell, dass ein überlasteter oder aufgrund seines Alters oder Gesundheitszustandes überforderter Arzt seinen Patientenstamm nicht verkleinern dürfte; nur wenn dies geschieht, muss es gleichmäßig für die Versicherten aller Krankenkassenarten geschehen. Eine Ausnahmeregelung gilt lediglich für Ärzte, die am 1.10.1977 ausschließlich für die Versorgung der Ersatzkassenversicherten tätig waren oder sich bis dahin um diese Art der Versorgung beworben hatten. Aus Gründen der Rechtssicherheit dürfen diese Ärzte, deren Zahl ohnehin ständig kleiner wird, ihren Sonderstatus auf Dauer behalten (so auch BSG, Urteil v. 8.5.1996, 6 RKa 16/95).
Auf der anderen Seite bedeutet die Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung aber auch, dass der Vertragsarzt/Vertragspsychotherapeut nicht umgekehrt die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugunsten seiner Privatversicherten vernachlässigen und die versicherten Patienten etwa nur als Lückenbüßer in seiner sonst privaten Praxis ansehen darf. Die offensichtliche Vernachlässigung der Versichertenpraxis zugunsten der Privatpraxis würde, wenn dieser Tatbestand im Einzelfall nachgewiesen wird, sogar einen Grund für eine Entziehung der Zulassung darstellen.
Der dem Leistungserbringer nach Abs. 3 Satz 1 zugewiesene Versorgungsauftrag ist vom zeitlichen Umfang her im Gesetz nicht konkret sondern nur allgemein in der Weise beschrieben, dass der Vertrags(zahn)arzt/Vertragspsychotherapeut und das MVZ im Umfang des aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnimmt. Näheres zum zeitlichen Umfang des Versorgungsauftrags ergibt sich aber aus § 19a Ärzte-ZV i. d. F. des TSVG.
Rz. 87
Im Zulassungsbescheid wird für jeden Einzelfall festgelegt, ob der Versorgungsauftrag vom Arz...