Brexit in Fällen: Restriktionen nach §§ 7, 8 AStG (Dienstleistungen)


Brexit: Restriktionen nach §§ 7, 8 AStG (Dienstleistungen)

Die A-GmbH stellt Spezialmaschinen her, die jeweils auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind. Der Verkauf an Kunden im Vereinigten Königreich (UK) erfolgt über die 100 %ige Tochtergesellschaft X-Ltd., die in UK ansässig ist und die Maschinen als Handelsvertreter bzw. Kommissionär auf Rechnung der A-GmbH an die Kunden verkauft.

Die X-Ltd. verfügt über das für die Handelsvertreter- bzw. Kommissionärstätigkeit erforderliche eigene kaufmännische Personal, allerdings nicht über die erforderliche technische Expertise.

Regelmäßig nehmen daher Techniker der B-GmbH, einer 100 %igen, in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft der A-GmbH, an den Verkaufsverhandlungen der X-Ltd. mit Kunden teil. In der B-GmbH ist die Forschung und Entwicklung des Konzerns der A-GmbH, und damit die technische Expertise, gebündelt. Aufgabe der Mitarbeiter der B-GmbH ist es, die technischen Eigenschaften der zu liefernden Maschine festzulegen und die diesbezüglichen Teile der Verkaufsverträge zu formulieren. Die Teilnahme der Mitarbeiter der B-GmbH werden von der X-Ltd. angemessen an die B-GmbH vergütet.

Muss die A-GmbH den Gewinn der X-Ltd. als Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG versteuern?

Hinweis zu den Fällen: Die in dieser Serie erscheinenden Fälle zum Brexit sind aus der Sicht des immer wahrscheinlicher werdenden "harten" Brexits entworfen worden. Sie behandeln die wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden von UK aus der EU entstehen.

Lösung:

Die X-Ltd. ist eine Zwischengesellschaft der A-GmbH, sodass der Gewinn der X-Ltd. bei der A-GmbH der KSt und der GewSt unterliegt.

Hintergrundinfo:

Zu einer Hinzurechnungsbesteuerung kommt es nach §§ 7, 8 AStG, soweit ein unbeschränkt Steuerpflichtiger (hier: die A-GmbH) allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt Steuerpflichtigen zu mehr als 50 % an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, die ausländische Gesellschaft einer niedrigen Besteuerung unterliegt und Einkünfte bezieht, die nicht in dem "Aktivkatalog" des § 8 Abs. 1 AStG aufgelistet sind.

Im vorliegenden Fall ist problematisch, ob die X-Ltd. "aktive" oder "passive" Einkünfte erzielt. Die übrigen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1, 2 und des § 8 Abs. 1, 3 AStG liegen unzweifelhaft vor. Die A-GmbH ist zu 100 % direkt an der X-Ltd. beteiligt und erfüllt damit die Voraussetzung des § 7 Abs. 2 AStG. Außerdem beträgt die Besteuerung in UK gegenwärtig 19 %, ab 2020 weiter reduziert auf 17 %, und damit weniger als 25 %, sodass auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 AStG erfüllt sind.

Die Tätigkeit der X-Ltd. stellt "Dienstleistung" i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG dar. Dienstleistungen führen zu aktiven Einkünften, jedoch nicht, soweit sich die X-Ltd. eines in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, der zu mehr als 50 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, oder einer ihm nahestehenden unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Person bei der Erfüllung der Dienstleistungsverpflichtung bedient. Diese Voraussetzung gilt sowohl bei Handeln der X-Ltd. als Handelsvertreter als auch bei Tätigkeit als Kommissionär. Allerdings ist das Institut des Kommissionärs im deutschen Sinne in UK unüblich.

Dienstleistungen führen aber trotz Mitwirkung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters bzw. einer unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen nahestehenden Person i. S. d. § 7 AStG zu "aktiven" Einkünften, soweit die A-GmbH nachweist, dass die X-Ltd. einen für ihre Dienstleistungstätigkeit in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält. Beide Voraussetzungen sind erfüllt. Die X-Ltd. verfügt über das erforderliche kaufmännische Personal (Verkäufer, sonstiges kaufmännisches Personal) und nimmt auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, weil sie die Maschinen an eine unbestimmte Anzahl von Kunden in Drittstaaten vertreibt. Dass die X-Ltd. nicht über die technische Expertise verfügt, ist auf dieser Stufe dieser Prüfung unbeachtlich, da das Gesetz nur auf den "kaufmännischen" Geschäftsbetrieb abstellt, nicht auf den Bereich "Technik".

Das Gesetz enthält in § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG jedoch eine Gegenausnahme. Danach ist Dienstleistung trotz Vorliegens eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs nur dann "aktiv", wenn keine schädliche Mitwirkung des Gesellschafters oder einer ihm nahestehenden unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Person stattfindet. Eine schädliche Mitwirkung liegt in der Teilnahme solcher Personen, wenn sich die X-Ltd. bei dem Erbringen der Dienstleistung nicht nur unwesentlich solcher Personen bedient. Die schädliche Mitwirkung solcher Personen kann bei der Vorbereitung, dem Abschluss oder der Ausführung der Geschäfte erfolgen. Das gilt auch, wenn die Teilnahme dieser Personen angemessen vergütet wird. Unschädlich ist die Teilnahme solcher Personen nur, wenn die Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, oder wenn notwendige Nebenleistungen erbracht werden, wie die technische Einweisung des Kunden durch den Hersteller der Maschinen (hierzu Rz. 8.1.5.2 und Rz. 8.1.5.3 der Verwaltungsgrundsätze Außensteuergesetz v. 14.5.2004, IV B 4 - S 1340 - 11/04, Haufe Index 1169433 Rz. 3.1). Die B-GmbH ist eine nahestehende Person i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG. Dazu reicht eine Beteiligung der A-GmbH von 25 % aus. Die Mitwirkung der Mitarbeiter der B-GmbH geht auch über eine untergeordnete Bedeutung und das Erbringen von Nebenleistungen hinaus. Die intensive Beteiligung der Techniker der B-GmbH bei der Handelsvertreter- bzw. Kommissionärstätigkeit der X-Ltd. geht über den Rahmen einer Nebenleistung deutlich hinaus. Die Dienstleistungen der X-Ltd. erfüllen also nicht die Voraussetzungen einer "aktiven" Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG, die X-Ltd. ist vielmehr eine "Zwischengesellschaft".

Hinweis: Nachweis der wirtschaftlichen Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat

Da UK nicht mehr zur EU gehört, greift auch der Schutz des § 8 Abs. 2 AStG nicht ein. Danach ist eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der EU oder dem EWR nicht Zwischengesellschaft, wenn nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Ansässigkeitsstaat nachgeht. Insoweit wäre eine Beteiligung des Gesellschafters oder von nahestehenden Personen nicht schädlich. Die X-Ltd. geht mit ihren Verkaufsaktivitäten auch einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nach. Würde UK noch zur EU gehören, wäre die X-Ltd. daher nicht Zwischengesellschaft.

Ob § 8 Abs. 2 AStG analog auch für Drittstaaten gelten soll, könnte in dem EuGH-Verfahren C-135/17 angesprochen werden. In dem Vorlagebeschluss des BFH ist diese Frage jedoch nicht problematisiert worden, sodass eine diesbezügliche Entscheidung des EuGH kaum zu erwarten ist (BFH, Urteil v. 12.10.2016, I R 80/14, Haufe Index 10452129; Az. des EuGH: C-135/17).

Da die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 AStG eine Beteiligung von mehr als 50 % voraussetzt, ist europarechtlich die Niederlassungsfreiheit, nicht die Kapitalverkehrsfreiheit, anzuwenden. Der Stpfl. kann sich daher nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit, § 63 AEUV, berufen, die auch für UK als Drittstaat gelten würde.

Für die X-Ltd. ist daher ein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG nach deutschen steuerlichen Vorschriften zu ermitteln. Er gilt nach § 10 Abs. 2 S. 1 AStG als unmittelbar nach Abschluss des Wirtschaftsjahres der X-Ltd. zugeflossen. Dieser Betrag unterliegt in Deutschland der Körperschaftsteuer und nach § 7 S. 7 GewStG auch der Gewerbesteuer. Eine etwaige Steuer in UK kann nach § 10 Abs. 1 S. 1 AStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen oder nach § 12 AStG auf Antrag angerechnet werden. Auf den Hinzurechnungsbetrag ist nach § 10 Abs. 2 S. 3 AStG die Steuerfreistellung des § 8b Abs. 1 KStG nicht anzuwenden. Gewinnausschüttungen des Jahres der Hinzurechnung und den folgenden 7 Jahren sind über § 8b Abs. 1, 4 KStG bzw. § 9 Nr. 7 GewStG in entsprechender Anwendung des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit, soweit ein Hinzurechnungsbetrag besteuert worden ist.

Hinweis: Hinzurechnungsbesteuerung soll reformiert werden

Die Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7ff. AStG soll reformiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich insbesondere die Definition der "aktiven" bzw. "passiven" Einkünfte ändert und ob die Schwelle der Niedrigbesteuerung von 25 % herabgesetzt wird.

Checkliste:

  • Sind an der ausländischen Gesellschaft in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter zu mehr als 50 % beteiligt?
  • Liegen "aktive" oder "passive" Einkünfte vor?
  • Unterliegt die X-Ltd. einer Besteuerung von weniger als 25 %?
  • Verfügt die X-Ltd. über einen für ihr Dienstleistungsgeschäft in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb?
  • Ist dieser Geschäftsbetrieb so dokumentiert, dass er der deutschen Finanzverwaltung nachgewiesen werden kann?
  • Nimmt die X-Ltd. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil?
  • Ist diese Teilnahme so dokumentiert, dass sie der deutschen Finanzverwaltung nachgewiesen werden kann?
  • Liegt eine schädliche Beteiligung des Gesellschafters oder einer ihm nahestehenden Person an der Geschäftstätigkeit vor?
  • Ist der Hinzurechnungsbetrag nach deutschen Vorschriften ermittelt worden?
  • Ist die Anrechnung oder der Abzug der UK-Steuern günstiger?
  • Ist der Antrag auf Anrechnung der UK-Steuern gestellt?
  • Hat die X-Ltd. im Jahr der Hinzurechnung bzw. in den folgenden 7 Jahren Gewinnausschüttungen vorgenommen?

Alle 100 Fälle zu den Rechtsfolgen eines "harten" Brexit

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  • Schutzumfang der europäischen Grundfreiheiten;
  • Ertragsteuern der Unternehmen;
  • Umwandlungen;
  • Umsatzsteuer;
  • Zollrecht;
  • Ertragsteuern der natürlichen Personen;
  • Erbschaftsteuer.

Die Fälle werden bei Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah angepasst. 

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