Festsetzung oder tatsächliche Auszahlung des Kindergelds für Riester-Kinderzulage entscheidend?

Nach § 85 Abs. 1 Satz 4 EStG steht im Falle, dass mehrere Zulageberechtigte für dasselbe Kind Kindergeld erhalten, die Kinderzulage demjenigen zu, dem für den ersten Anspruchszeitraum nach i. S. v. § 66 Abs. 2 EStG im Kalenderjahr Kindergeld ausgezahlt worden ist. Wie auch in § 85 Abs. 1 Satz 1 EStG wird hier somit auf die Auszahlung des Kindergelds abgestellt.
Beispiel: Festsetzung gegenüber dem einen und Auszahlung des Kindergeldes an den anderen Elternteil
Die nicht verheirateten und nicht zusammenlebenden A und B haben eine gemeinsame Tochter. Nach der Geburt stellte Mutter B den Antrag auf Kindergeld, weil sie das Kind mit in den Haushalt aufgenommen hat. Die Familienkasse setzte daher das Kindergeld zu Gunsten von B fest. Im Dezember 2015 beantragte B, dass das Kindergeld ab Januar 2016 vorübergehend an A ausgezahlt werden soll. A und B besitzen beide einen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten Altersvorsorgevertrag und sind in 2016 unmittelbar zulageberechtigt.
Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung vertritt aber die Auffassung (BMF, Schreiben v. 24.7.2013, BStBl 2013 I S. 1022, Rz 43), dass die Festsetzung des Kindergelds für die Zulageberechtigung maßgebend ist, wenn einem anderen als dem Kindergeldberechtigten das Kindergeld ausgezahlt wird. Daher hat ein Finanzamt in einer neuen Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg auch die Auffassung vertreten, dass der Gesetzeswortlaut, soweit er auf die Auszahlung des Kindergeldes abstelle, interpretationsbedürftig sei. Insbesondere der Gesetzeszweck, wonach die Kinderzulage demjenigen zukommen soll, der wegen der Kindererziehung nur eingeschränkte Möglichkeiten zum Aufbau einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge hat, spreche gegen die Ansicht, allein auf die Auszahlung abzustellen.
Praxis-Tipp: Urteil des FG Berlin-Brandenburg
Dies sieht das FG Berlin-Brandenburg aber anders (Urteil v. 14.7.2016, 10 K 10272/14), weil der Gesetzeswortlaut eindeutig ist. § 85 EStG stehe im Kontext mit der übrigen verfahrensmäßigen Ausgestaltung des Altersvorsorgezulagezahlungsverfahrens, welches in besonderer Weise auf Schnelligkeit, Einfachheit und Effizienz ausgerichtet ist. Dem habe eine Auslegung Rechnung zu tragen. Es muss für die Finanzverwaltung ohne größeren Aufwand möglich sein, den berechtigten Empfänger der Kinderzulage festzustellen, wenn – wie hier die Eltern A und B - mehrere Kindergeldberechtigte nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1 und § 64 Abs. 2 EStG vorhanden sind. Dies treffe auf die Feststellung, an wen das Kindergeld tatsächlich ausgezahlt wurde, zu. Dass es ebenso leicht sein dürfte festzustellen, für wen das Kindergeld festgesetzt wurde, sei dabei unerheblich, da der Gesetzgeber insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum hat, an welches sachgerechte Merkmal er anknüpft. Auch die Gesetzesbegründung spreche von "Kindergeld erhalten".
Das FG weist auch zutreffend darauf hin, dass dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen Festsetzung und Zahlung bewusst gewesen sein muss, weil er an anderer Stelle des EStG, wo es um den Kindergeldbezug geht, präzise diese Begrifflichkeiten, so z. B. in § 70 Abs. 1 EStG, wo von der Festsetzung des Kindergeldes die Rede ist, sowie in § 74 Abs. 1 EStG, wo im Fall der so genannten Abzweigung des Kindergeldes gleich mehrfach von "Auszahlung" oder "ausgezahlt" gesprochen wird, verwendet.
Revision eingelegt
Gegen die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (X R 25/16). In vergleichbaren Fällen sollte Einspruch eingelegt werden, bis der BFH entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
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