Ob Gleitzeit, Teilzeit oder Jahresarbeitszeit – flexible Arbeitszeitmodelle liegen im Trend. Das gilt insbesondere für die Steuerberatungsbranche, die sich wegen der hohen Frauenquote schon seit Jahren mit dem Thema "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" auseinandersetzen muss. Heute erwarten Mitarbeiter in Kanzleien noch häufiger ein Entgegenkommen ihrer Führungskräfte, um berufliche Verpflichtungen mit den familiären Aufgaben in Einklang zu bringen. Dabei geraten bewährte Arbeitszeitmodelle an ihre Grenzen.
So ist zwar Gleitzeit mit Kernzeiten zwischen 9 und 16 Uhr noch immer das geläufigste Arbeitszeitmodell in deutschen Steuerkanzleien. Allerdings reicht dies meist nicht mehr aus, um Mitarbeiter über alle Lebensphasen hinweg zufriedenzustellen und der Kanzlei einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Schließlich bietet diese Form der Gleitzeit den Angestellten täglich nur etwa eine bis zwei Stunden Spielraum. Außerdem kann dieses Modell auch falsche Anreize setzen, indem es manche Angestellte eventuell dazu verleitet, nur nach der Uhr zu arbeiten. Denn unter dem Strich sagt die reine Anwesenheit des Mitarbeiters an seinem Arbeitsplatz wenig über seine tatsächliche Produktivität aus.
Funktionsarbeitszeit gestattet freiere Gestaltung
Mehr eigenverantwortliche Gestaltungsmöglichkeiten, einhergehend mit einer entsprechend gesteigerten Motivation, verschafft den Mitarbeitern das Gleitzeitmodell ohne Kernarbeitszeit, wie das bereits in vielen Steuerkanzleien üblich ist. Für die einzelnen Kanzleibereiche wird dabei eine "Funktionsfähigkeit" als die Zeit festgelegt, in der z. B. Mandanten ihre Ansprechpartner am Arbeitsplatz erreichen können müssen. Innerhalb dieser Vorgaben können Mitarbeiter ihre Arbeitszeitverteilung in Absprache mit dem Team eigenverantwortlich steuern, unter Berücksichtigung der Kanzleibelange. Das Ergebnis und die termintreue Erledigung der Aufgaben stehen hierbei im Fokus.
Vertrauensarbeitszeit: Auch der Chef ist gefordert
Ergebnis und termintreue Aufgabenerledigung steht auch bei der „Vertrauensarbeitszeit“ im Mittelpunkt. Die Methode: Jeder Mitarbeiter arbeitet dann innerhalb einer vorgegebenen (Wochen-)Arbeitszeit, wenn er meint, dass es für ihn und die Erfüllung seiner Aufgaben am besten passt. Entscheidend für den Arbeitgeber ist letztlich das Ergebnis.
Im Vergleich zur Funktionsarbeitszeit erhält der Mitarbeiter noch mehr Eigenverantwortung: keine vorgegebenen Zeiten, in denen er "funktionsfähig" sein muss und keine Arbeitszeiterfassung. Für dessen Management ist der Mitarbeiter selbst verantwortlich.
Vertrauensarbeitszeit bedeutet aber auch eine Herausforderung für den Vorgesetzten, der Arbeitszeit und Aufgaben im Zweifel ausgleichen muss. So kann auch bei hoch motivierten, unternehmerisch handelnden Mitarbeitern das Modell Vertrauensarbeitszeit scheitern, wenn der Chef nicht die passende Persönlichkeit dafür mitbringt, Aufträge nicht gerecht verteilt, Mitarbeiter nicht entlastet oder nicht delegieren kann. Wer es gewohnt ist, seine Mitarbeiter autoritär zu überwachen, wird bei der Einführung der Vertrauensarbeitszeit Probleme haben.