Probleme beim Datenaustausch: Herausforderung Sozialausgleich
Wenn jahrelang vorbereitete und getestete Verfahren schon nicht vernünftig zum Laufen zu bringen sind, fragt man sich in seltener Einmütigkeit inzwischen bei Kassen, Arbeitgebern und Sozialverbänden - wie soll dann der ab 2012 startende Sozialausgleich funktionieren? Für rund 15 Mio. GKV- Mitglieder läuft dieses Ausgleichsverfahren nicht mehr im Standardmodus, sobald mehrere beitragspflichtige Einnahmen erzielt werden oder andere Besonderheiten vorliegen. Dann hängt alles vom einwandfreien Funktionieren des komplizierten Datenaustauschverfahrens ab. Hakt es beim Datenfluss nur an einer Stelle, droht den Beteiligten enormer Mehraufwand. Zumindest bei Mehrfachbeschäftigten, Arbeitnehmern mit Entgelt in der Gleitzone und Arbeitnehmern mit anderen Einkunftsarten droht den Entgeltabrechnern dann ein Horrorszenario. Wer möchte schon Monat für Monat die Entgeltabrechnungen der Vergangenheit nochmals rückwirkend aufrollen? Etliche Entgeltabrechner befürchten, dass der Sozialausgleich solche Rückrechnungen zum Normalfall werden lässt. Kritiker warnen schon vor dem monatlichen "Abrechnungsaufstand wegen 60 Cent Sozialausgleich", zu dem sie nur wenig Motivation verspüren. Es bleibt also abzuwarten, ob 2012 alle Praktiker den Vorgaben der Theoretiker eins zu eins folgen werden oder auch folgen können.
GKV-Verantwortliche sehen alles im grünen Bereich
"Die Umsetzung des Sozialausgleichs ist ein hoch ambitioniertes Projekt, das einen gesetzlich vorgegebenen sehr engen Zeitrahmen hat", sagt uns die Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes Bund dazu. "Aufgrund der Rückmeldungen unserer Mitgliedskassen und deren Dienstleister gehen wir bislang davon aus, dass dabei nicht die technische Realisation problematisch sein wird, sondern auch hier die Datenbestände der Schlüssel zum Erfolg sind. Die technischen und organisatorischen Vorbereitungen für den Sozialausgleich ab 2012 sind jedenfalls gut angelaufen. Der GKV-Spitzenverband hat die dafür notwendigen technischen Beschreibungen vorgelegt, das Genehmigungsverfahren durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für diese technische Umsetzung ist eingeleitet worden. Im Moment hat bei den Krankenkassen und den Annahmestellen die Programmier- und anschließende Testphase begonnen, die sicherlich bis Spätsommer/Herbst 2011 laufen wird. Es wird auf Seiten der gesetzlichen Krankenversicherung also alles getan, damit das Projekt rechtzeitig starten kann." Das bedeutet im Klartext, die IT-Verfahren werden erst knappe drei Monate vor dem beabsichtigten Echteinsatz fertig sein. Wir sprechen also von einem sehr viel kleineren Zeitfenster, als es im Vorfeld für die - noch immer nicht korrekt funktionierenden - Datenaustauschverfahren EEL und Zahlstellen zur Verfügung stand. Daher warnen Insider inzwischen bereits hinter kaum noch vorgehaltener Hand vor einem drohenden Informationsblackout beim Start des Sozialausgleichs.
Bürokratieschmiede Politik: Realitätsbezug und Bodenhaftung?
Die sicherlich von einem gewissen Zweckoptimismus geprägte Haltung des GKV-Verbands teilen nicht alle Beteiligten: Der Bundesverband deutscher Arbeitgeber mahnt Vereinfachungen an. Und selbst der Normenkontrollrat sieht erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Doch das Bundesministerium für Gesundheit bleibt – immer noch - in der Sache hart: Es handele sich um einmalige Programmierarbeiten, die eine automatische Verarbeitung in den Folgejahren ermöglichen. Doch zeigen nicht gerade die aktuellen Probleme im elektronischen Datenaustausch eines deutlich: Die Verfahren scheitern nicht an deren Programmierung, sondern an der von den Theoretikern unterschätzten Komplexität der täglichen Praxis.
Kritische Fachleute sind der Meinung, der so genannte "tägliche Wahnsinn" - gemeint ist die immer noch komplizierter werdende Welt der deutschen Sozialversicherung - ließe sich inzwischen kaum noch in einfache, logische und funktionale Programmroutinen packen. Selbst im programmiertechnischen Idealfall bleibe immer noch der Mensch als großer Störfaktor: Der Entgeltabrechner, der 2012 einem Arbeiter die Richtigkeit des abgerechneten Sozialausgleichs erläutern soll, sei wohl nicht zu beneiden, argumentieren die Kritiker.
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