Fünf Praxistipps für gelingende Steuerprozesse

Eine der größten Aufgaben, die sich durch die Digitalisierung der Steuerwelt ergeben haben, ist die zunehmende Bedeutung stabil funktionierender Prozesse. Gute Prozesse entstehen allerdings nicht über Nacht. Für eine erfolgreiche Prozessstrategie sind viele Aspekte zu beachten. Neben klassischen Methoden, wie z. B. Status-Quo-Analysen oder BPMN-Dokumentationen, gibt es einige Tipps, die nicht auf den ersten Blick sichtbar werden und dennoch einen spürbaren Unterschied im Erfolg der Prozessoptimierung machen können.

Praxistipp 1: Der Faktor Mensch

Komisch, dass wir beim Thema Steuerprozesse zunächst auf etwas scheinbar Banales schauen: die Personen, die hinter dem Rechner sitzen. Auch wenn sich Prozesse immer mehr automatisiert ohne die Einwirkung eines Menschen abbilden lassen, gibt es gerade im Steuerbereich noch viele Prozesse, die zumindest hybrid von Menschen und Maschine ausgeführt werden müssen. Dazu können komplexe Berechnungen in der Finanzbuchhaltung zählen, aber auch auf den ersten Blick simple Prozesse, wie die Bearbeitung von Post.

Der Faktor Mensch ist hierbei mitunter der wichtigste, aber auch der am meisten vernachlässigte. Ein Prozess kann technisch noch so gut geplant sein: Er taugt nichts, wenn er von den Menschen, die ihn ausführen sollen, nicht angenommen wird. Das kann vielfältige Gründe haben: von eingefahrenen Gewohnheiten über langweilig gestaltete Schulungen bis hin zu schlichtweg fehlender Zeit, sich mit neuen Dingen auseinandersetzen.

Wer sich also mit der Verbesserung von Prozessen beschäftigt, sollte deshalb vor allem Geduld mitbringen und auf keinen Fall in eine verurteilende Abwehrhaltung verfallen. Sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und zu jederzeit in der Lage zu sein, sich zu hinterfragen, gehört genauso zum Job wie eine solide Kenntnis über Digitalisierung. Das nötige Feingefühl und eine gewisse Dosis Diplomatie vervollständigen diese Haltung und schaffen für alle Beteiligten ein angenehmeres Umfeld.

Praxistipp 2: Der Teufel liegt im Detail

Dieser Satz spricht wohl für sich und er hat für die Prozessautomatisierung in der Steuerwelt eine enorme Bedeutung. Gerade, wenn es um die Verarbeitung von Daten geht, ist Obacht geboten, denn die Steuerberechnung fängt schon dort an, wo der Geschäftsvorfall entsteht. Bis die Rohdaten einer Transaktion aber als aussagekräftige Werte in der Steuererklärung stehen, muss einiges passieren.

Dazu gehört unter anderem, die Daten schon am Anfang abzufangen, sie entsprechend steuerlich anzureichern, in Drittsysteme zu übergeben und – ganz wichtig – das Ganze gut zu dokumentieren. Denn entlang dieser Route kann einiges schiefgehen. Geeignete Kontrollmechanismen – z. B. Summen zum Abgleich oder Stichproben – können hier Sicherheit bieten und Fehler schnell aufdecken.


Lesen Sie auch: „Daten sind das neue Gold“ und doch kommen Steuerabteilungen nur selten an alle Daten, die sie für ihre Beratungstätigkeit brauchen. Das liegt zum einen an der Datenlandschaft – und zum anderen an den Steuerabteilungen selbst. Wie die Transformation zum Business Partner dennoch gelingt und welche Rolle Daten dabei spielen, erzählt Christian Stender, Head of Tax Innovation and Technology bei KPMG, im Interview.


Genauso wichtig sind außerdem gut geplante Schritte im Projektvorgehen. Selbst wenn das Rahmenkonzept für einen neuen Prozess steht, können es letztlich Kleinigkeiten sein, die über eine erfolgreiche Umsetzung entscheiden. Was passiert, wenn Schritt A abgeschlossen ist? Wie kommen die Daten von B nach C und wer kontrolliert eigentlich Schritt D? Um sich dabei nicht in Detailfragen zu verlieren, helfen ein klares Ziel und eine strukturiert-organisierte Vorgehensweise. Insbesondere in komplexen Organisationen ist die Fähigkeit zu berücksichtigen, effizient Entscheidungen treffen zu können. Hierbei helfen kleine Runden, die sich schnell über Pro und Contra eines Vorgehens abstimmen können und auf diese Weise gemeinsam mit den restlichen Stakeholdern die am besten geeignete Lösung finden.

Praxistipp 3: Optimierung kommt vor Automatisierung

Automatisierung ist neben KI eines der beliebtesten Buzzwörter, die aktuell vor allem durch soziale Netzwerke wie LinkedIn geistern. Was mir dabei immer wieder auffällt: Lösungen werden als Automatisierung gekennzeichnet, obwohl es sich eigentlich um gute alte Prozessoptimierung handelt, die es auch längst vor der Digitalisierung in allen möglichen Bereichen der Arbeitswelt gegeben hat. Gleichzeitig ist Prozessautomatisierung auch keine Einheitslösung für alle Probleme.

Eine Prozessoptimierung ist immer als vorgelagert zur Automatisierung zu betrachten, denn ein schlechter manueller Prozess wird nicht besser, nur weil er automatisiert abläuft. Getreu dem geläufigen Prinzip „Shit in, Shit out“ eben. Betrachtet man zuerst den Prozess an sich, bevor man zwanghaft versucht, die neusten Automatisierungstechniken anzuwenden, kommt man durch kleine organisatorische Änderungen oft weiter als gedacht und spart dabei nicht nur Zeit, sondern vor allem auch bares Geld. Dazu kann es auch gehören, die Sinnhaftigkeit eines Prozesses komplett infrage zu stellen, denn man würde sich wundern, wie oft die Frage „Ist das überhaupt nötig?“ mit Nein beantwortet werden kann.

Praxistipp 4: Prozessoptimierung kennt kein Ende

Um Prozessoptimierung nachhaltig zu betreiben, sollte sie als ein integraler Bestandteil der täglichen Arbeit gesehen werden. Betrachtet man das Ganze hingegen als „one and done“-Job, hat man nicht verstanden, worum es geht. Nämlich darum, sich in einer ständig wandelnden (Steuer-)Welt immer wieder neu aufstellen zu können und auf diese Weise robuste und effiziente Abläufe zu schaffen. Neue Techniken spielen dabei ebenso eine Rolle wie die sich ändernden steuerlichen Rahmenbedingungen. Deshalb gilt es am Ball zu bleiben und zurückliegende Entscheidungen immer wieder auf ihre Aktualität hin zu überprüfen. Oder hat man schon einmal von einem Steuerberater gehört, der nach dem Examen aufhört, sich weiter über Steuern zu informieren?


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Nach der Einführung neuer Maßnahmen sollte der Prozess in geeigneten Abständen auf Erfolg überprüft werden. Ebenso wichtig ist es, sich über Erfahrungen auszutauschen und so noch weitere Verbesserungen oder anwendungsbezogene Änderungen finden zu können. Wer fortlaufend kleine Schritte geht, muss am Ende weniger Kraft aufwenden, als jedes Mal alles neu zu aufzustellen. Womöglich lohnt es sich, neue Prozessschritte in und an einem ausgewählten Personenkreis zu testen, bevor sie auf das ganze Unternehmen angewendet werden.

Praxistipp 5: Transferwissen nutzen

Last but not least möchte ich noch Aufmerksamkeit schaffen für den berühmten Blick über den Tellerrand hinaus. Er ist essenziell für erfolgreiche Prozesse, aber auch gleichzeitig einer der schönsten Aspekte, wenn es darum geht, innovative Lösungen für herkömmliche Probleme zu finden. Optimierung und Automatisierung bedeuten nicht, dass man das Rad neu erfinden muss. Viele Branchen und Arbeitsbereiche haben wesentliche Teile der Digitalisierung bereits hinter sich. Die Steuerwelt ist, wenn es um organisatorische Abläufe geht, anderen Branchen keineswegs so fern, wie es manchmal den Anschein haben mag. Inspiration kann dabei sowohl aus einer Vorlesung für Maschinenbau kommen oder von Vorgängen in der Fast-Food-Kette nebenan. Mit Kreativität, Mut und Offenheit kommt man so erfolgreich ans Ziel und hat dabei wie versprochen sogar richtig viel Spaß.


Zur Autorin: Ricarda Hieber ist bei Kontist als Spezialistin für Steuer- und Kanzleiprozesse tätig und verantwortlich für die Optimierung und Automatisierung von Prozessen.
In ihrer umfassenden Rolle fungiert sie als Schnittstelle zwischen Steuerberatung und Technologie und vereint Themen wie Low-Code/No-Code, Datenmanagement,
Projektmanagement und steuerliche Compliance im Kontext der Automatisierung.

Schlagworte zum Thema:  Kanzleimanagement