Nachhaltigkeitscongress 2023: Auf dem Weg zu nachhaltigen Unternehmen
„Unternehmen werden nachhaltig oder sie verschwinden.“ So Prof. Dr. Rupert Felder auf dem diesjährigen Nachhaltigkeitscongress der Fachmedien Otto Schmidt KG. Damit stellte er am deutlichsten, aber bei weiten nicht als einziger, den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Zukunftsfähigkeit her. Diese beruhe auf drei Säulen, so Mandy Pastohr, die den Kongress eröffnete: Neue Geschäftsmodelle, die Transformation bestehender Unternehmen und Mitarbeitende, die das alles mittragen. Ihr Arbeitgeber – das Hessische Wirtschaftsministerium – hat in diesem Jahr die Schirmherrschaft über den Kongress übernommen. Dessen Anspruch: einen Beitrag zur nachhaltigen Transformation der Wirtschaft zu leisten.
Prof. Dr. Andreas Löschel, der wie im Vorjahr den Kongress leitete, betonte, dass sich seit dem letzten Kongress viel getan habe: Die Klimakrise sei noch greifbarer geworden, unter anderem spürbar durch mehrere „heißeste Tage“ in Folge. Die Politik rang um das GEG, Klimapolitik komme direkt im Heizungskeller der Menschen an. Und Set 1 der ESRS konkretisiere die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen.
Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit
Warum Nachhaltigkeit in Unternehmen notwendig ist, begründete Dr. Katharina Reuter (BNW e.V.) lapidar: „Ein toter Planet ist auch schlecht für die Wirtschaft.“ Die dann nachgelegten Argumente überzeugten das überwiegend anzugtragende Publikum vielleicht mehr. So rechnet das BMWK bis zum Ende des Jahrhunderts mit volkswirtschaftlichen Klimaschäden in Höhe von 280-900 Milliarden Euro – diese gelte es zu begrenzen.
Prof. Dr. Manuel Frondel (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) betonte, CO2-Vermeidungskosten müssen möglichst effizient sein. Das Klimainstrument Nummer 1 sei daher der europäische Emissionshandel. Das Heizungsgesetz halte er dahingegen für „aktionistisch“. In der anschließenden Podiumsdiskussion plädierte Peter Renner von der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima, dafür „hochwertige Ausgleichsprojekte“ im globalen Süden anzustoßen, denn Innovationen auf dem Weg zu Netto-Null bräuchten Zeit, die wir nicht hätten. Unterstützt wurde er von Goran Mazar (KPMG), der darauf hinwies, dass selbst während die Weltwirtschaft 2020 fast stillstand, die Emissionen nur um 6 Prozent zurückgingen.
Praxisblick auf den Weg zum nachhaltigen Unternehmen
Was der Weg zu einem nachhaltigeren Unternehmen bedeutet, veranschaulichten Praxisbeispiele unter anderem von Rüdiger Köhler von Elobau und Dr. Michael Karrer von ZF Friedrichshafen. Laut Köhler gehe es ums Anfangen: „Als wir 2010 unsere erste Klimabilanz erstellt haben – das war damals sehr modern – hatten wir noch nicht unbedingt eine Strategie.“ Heute gilt das Unternehmen, das sich in Verantwortungs-Eigentum befindet, als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Auch beim weltweit drittgrößten Automobilzulieferer ZF habe Nachhaltigkeit Priorität, so Karrer. Die mit Abstand größte Herausforderung sei die Dekarbonisierung der Lieferkette, insbesondere wenn man Scope 3 Downstream – also auch die Emissionen in der Nutzungsphase – betrachte.
Per Ledermann (Edding) betonte die Rolle der Glaubwürdigkeit bei allen Nachhaltigkeitsbemühungen. Dabei sei für Organisationen nicht entscheiden, ob sie gemeinnützig oder gewinnorientiert arbeiten. Viel wichtiger sei, wofür die Gewinne genutzt würden. Ökonomischer Erfolg sei für sein Unternehmen eine Voraussetzung dafür, positive Wirkung zu erzielen, beispielsweise im Handlungsfeld „geflüchtete Menschen stark machen“.
Nachhaltiger Flugverkehr und Pestizide?
Vor großen Aufgaben stehen Lars Kröplin (Lufthansa) und Heiko Mussmann (Bayer). Insofern waren die Vorträge zur Nachhaltigkeitsstrategie ihrer Unternehmen spannend, wurden aber auch von kritischen Nachfragen aus dem Publikum begleitet. Mussmann sprach über das Ziel von Bayer, bis 2023 100 Millionen Kleinbauern zu erreichen und ihnen zu helfen, ihre Felder effizienter, ökologischer und gesundheitsschonender zu bewirtschaften. Dass dies für den Chemie- und Pharmakonzern ein profitables Geschäft ist, sieht Mussmann nicht als verwerflich an, ganz im Gegenteil - denn in der Unternehmensstrategie verankerte „Nachhaltigkeit ist ein zusätzliches Business und keine Charity.“
„Relativ unvorbereitet“, so Kröplin, habe die Lufthansa der Begriff „Flugscham“ getroffen. Die Branche sei schwer zu dekarbonisieren, schließlich gebe es „kein Tesla des Luftverkehrs“. Gerade deshalb sei ein emissionsärmerer Flugbetrieb das Hauptziel. Dieses soll durch technologische Entwicklungen (zum Beispiel „Sustainable Aviation Fuel“ aus biogenen oder synthetischen Rohstoffen) und Effizienzsteigerungen erreicht werden.
Econic Start-up Awards
Im Rahmen der „Abendveranstaltung am Nachmittag“ (Löschel) des ersten Veranstaltungstages wurden die Econic Start-up Awards verliehen. Nach Pitches in zwei Kategorien war es dem Publikum vorbehalten, die Sieger zu küren:
- In der Kategorie „Dienstleistungen“ setzte sich das Mannheimer Start-up CU Mehrweg durch. Das Unternehmen will ein Pfand- Mehrwegsystem im Lebensmitteleinzelhandel etablieren, indem es Herstellern den operativen Aufwand abnimmt und „Mehrweg-as-a-service“ anbietet.
- In der Kategorie „Produkte“ gewann Cast Coil, ein Spin-Off des Fraunhofer IFAM. Ihre gegossenen Aluminiumspulen für Motoren sollen Gewichts-, Kosten- und Effizienzvorteile gegenüber klassischen Kupferspulen bieten.
Inspiration fürs C-Level statt Blick in den Maschinenraum
Neben den hier explizit Genannten trugen noch weitere Sprecherinnen und Sprecher dazu bei, das Programm inhaltlich breit zu fächern. Der Vormittag des ersten Veranstaltungstags verfing sich etwas in politischen Diskussionen. Dafür boten die weiteren Vorträge spannende Einblicke in die Nachhaltigkeitsstrategien großer und kleinerer Unternehmen. Für manche Besucherinnen und Besucher ein Wermutstropfen: Die Flughöhe auf der Bühne war durchweg strategisch. Konkrete operative Tipps, etwa zur Wesentlichkeitsanalyse, fanden nur am Rande Platz.
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Unseren Nachbericht zum Nachhaltigkeitscongress 2022 finden Sie hier.
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