Studie: Sind deutsche CSRD-Berichte zu lang?

Rund 10.000 europäische Unternehmen haben für das Geschäftsjahr 2024 erstmals auf Basis der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) berichtet. Kirchhoff Consult hat die Umsetzung in mehr als 100 Berichten aus 18 Ländern untersucht. Und hat große Unterschiede bei Umfang und Detailtiefe gefunden, besonders mit Blick auf deutsche Unternehmen.

Worin lag im vergangenen Jahr die größte Herausforderung für Unternehmen, die die Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) umsetzen mussten? Das war unter anderem die Durchführung einer konformen Wesentlichkeitsanalyse. Die Analyse selbst wirkte oft wie ein Balanceakt aus der Angst vor zu vielen Datenpunkten und der Befürchtung, durch ein zu knappes Themenrepertoire nicht transparent genug und prüfsicher zu berichten. Wir haben in einer aktuellen Studie die Umsetzung der Anforderungen in mehr als 100 Berichten aus 18 Ländern und 11 Sektoren untersucht. Die perfekte Gelegenheit für ein erstes Benchmarking.

Im Rahmen der doppelten Wesentlichkeitsanalyse wurden europaweit durchschnittlich sieben (von zehn) Themen als wesentlich identifiziert. Zu den Topthemen gehören wie erwartet der Klimawandel (E1), die Arbeitskräfte des Unternehmens (S1) und das Thema Unternehmensführung (G1). Diese drei Themen sind in nahezu allen Berichten vorhanden. 

Aber auch Angaben zur Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft (E5), zu Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette (S2) sowie zu Auswirkungen des Unternehmens auf Verbraucher und Endnutzer (S4) sind Themen, die in einem breiten Branchenumfeld wesentlich sind. Alle übrigen Themen sind deutlich spezifischer und häufen sich vor allem in produzierenden Sektoren. Die Varianz der Themenmenge ist hoch – knapp 7 Prozent der untersuchten Unternehmen berichten das volle ESRS-Set, also zehn Themen, während vereinzelt auch Berichte auf Basis von nur zwei wesentlichen Themen veröffentlicht wurden.

Impacts, Risks & Opportunities: Mehr Fokus sorgt für klare Strukturen 

Für die Inhalte innerhalb der wesentlichen Themen beziehungsweise Themenkapitel der Nachhaltigkeitsberichte sind vor allem die identifizierten wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen (Impacts, Risks & Opportunities, IROs) verantwortlich. Auch hier herrschte im vergangenen Jahr noch große Unsicherheit im Hinblick auf die Formulierung passender IROs und die „richtige“ Anzahl. Bei einer Analyse der sogenannten „First Mover“ im Jahr 2024 – also der Unternehmen, die bereits vor der Pflicht freiwillig nach CSRD berichtet haben – waren die IROs noch in knapp der Hälfte der Berichte nicht oder nur schwer erkennbar. 

Das ist in den diesjährigen Berichten anders: 75 Prozent der Unternehmen haben ihre IROs in (mindestens) einer zusammengefassten Gesamtübersicht dargestellt. Diese findet sich in der Regel im Kapitel „Allgemeine Informationen“. 53 Prozent der untersuchten Unternehmen beschreiben ihre IROs außerdem zum Einstieg in das jeweilige Kapitel. Dies hilft dem Leser zu verstehen, warum der folgende Kapiteltext relevant ist und welche Themen grob behandelt werden.

Kirchhoff Consult: Studie Grafik 2

Durchschnittlich wurden 44 IROs berichtet. Auch hier variiert die Anzahl zwischen 10 und maximal 140 IROs deutlich. In der Verteilung zeichnet sich ein „Normalbereich“ zwischen 20 und 80 IROs ab. Eine zu große Anzahl wesentlicher IROs geht häufig mit einer zunehmenden Unübersichtlichkeit einher – es fehlt an Fokus und die Struktur der Kapitel leidet an zu vielen inhaltlichen Sprüngen.

Führt „deutsche Gründlichkeit“ zu umfangreicheren Berichten?

Der Umfang der CSRD-Berichte variiert zwischen 41 Seiten bis hin zu maximal 283 Seiten. Im Durchschnitt liegt der Umfang der CRSD-Berichte bei 130 Seiten (58.700 Wörtern). Um tatsächlich valide und brauchbare Aussagen zu Berichtsumfängen treffen zu können, wurden im Rahmen dieser Analyse nicht nur die Anzahl von PDF-Seiten verglichen, sondern alle Wörter der Berichte erfasst und daraus Normseiten (à 450 Wörter) abgeleitet. Die Wahl von Berichtsformat und Schriftgröße führt somit zu keiner Verzerrung der Beobachtungen. Zu diesem Zweck wurden auch nur englischsprachige Berichte miteinander verglichen.

Auffällig ist, dass deutsche Berichte signifikant länger sind als der durchschnittliche CSRD-Bericht. Während andere europäische Berichte mit durchschnittlich 116 Seiten Textumfang auskommen, liegt der Umfang deutscher Berichte im Mittel bei 148 Seiten, also 27 Prozent darüber. Gleichzeitig liegt die Anzahl der wesentlichen Themen in deutschen Berichten mit durchschnittlich 7,5 ungefähr auf dem Niveau anderer europäischer Berichte (∅ 6,7). Es werden also nahezu gleichviele wesentliche Themen deutlich umfangreicher beschrieben.

Kirchhoff Consult: Studie zu CSRD-Berichten

Deutsche Unternehmen haben die Vorgaben der CSRD-Berichterstattung also mit besonders viel Aufwand umgesetzt. Das kann verschiedene Ursachen haben: So könnte der größere Textumfang mit einem hohen Transparenzanspruch erklärt werden. Ein weiterer möglicher Grund könnte sein, dass deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich über deutlich fortschrittlichere Managementsysteme verfügen, beispielsweise mit Blick auf Richtlinien, Maßnahmen und Ziele. Dies würde entsprechend mehr Raum für die Beschreibung einnehmen.

Allerdings scheint es wahrscheinlicher, dass vor allem die hohen Prüfungsanforderungen für deutsche Unternehmen ein Treiber dieser Beobachtungen sind. Die Beratungspraxis zeigt, dass die Anforderungen von Wirtschaftsprüfern oft über die regulatorisch geforderten Angaben hinausgehen. So finden sich beispielsweise Angaben zu eigentlich nicht wesentlichen Themenbereichen vor allem in deutschen Berichten. Gerade Auflistungen nicht wesentlicher oder aufgeschobener Themen beziehungsweise Offenlegungsanforderungen sind Beispiele für Berichtselemente, die vom Gesetzgeber bewusst nicht eingefordert werden, regelmäßig aber als Anforderung vom Prüfer formuliert worden sind. Diese zusätzlichen, teilweise redundanten Offenlegungen führen in den seltensten Fällen zu einem Zugewinn an Qualität und Transparenz.

EU-Kommission rät zu Pragmatismus in der CSRD-Umsetzung

Die europäische Kommission hat zuletzt immer wieder eine pragmatische Umsetzung der CSRD angemahnt. Das Risiko einer Übererfüllung wurde vom Gesetzgeber erkannt, was auch einer der wesentlichen Gründe für die aktuellen Bestrebungen zur Vereinfachung der Anforderungen im Rahmen der Omnibus-Verordnung sein dürfte. Ein erhöhter Umfang, der nicht mit einem entsprechenden Mehrwert an Informationen einhergeht, ist auch aus Sicht des Standards problematisch. Die qualitativen Merkmale der ESRS fordern beispielsweise ein, dass berichtete Informationen relevant und verständlich sein müssen. Ganz konkret heißt es, dass die Angaben im Bericht „prägnant“ sein müssen und ausschließlich wesentliche Informationen enthalten sein sollen. Vor allem dürfen zusätzliche Angaben die wesentlichen Informationen nicht „verschleiern“.

Bei Berichten mit einem Umfang von über 200 Seiten kann davon ausgegangen werden, dass der Fokus auf die wesentlichsten Informationen nicht durchweg gegeben ist. Dies erschwert dem Adressaten, die für ihn relevanten Informationen herauszuarbeiten. Und auch aus wirtschaftlicher Sicht sind solche Berichtsumfänge fragwürdig. Jede zusätzliche Seite führt zu Kosten für die Datenerhebung, Texterstellung und -abstimmung, Prüfung sowie Gestaltung.

CSRD noch nicht in deutsches Recht umgesetzt: Und jetzt?

Nach wie vor ist die CSRD nicht in deutsches Recht umgesetzt. Ein Aufschub um zwei Jahre für solche Unternehmen, die noch keiner Berichtspflicht unterliegen, wurde jüngst vom Parlament im Rahmen der Omnibus-Initiative beschlossen. Außerdem sollen die ESRS bis Ende Oktober überarbeitet werden. Das Ziel: eine deutliche Vereinfachung.

Rechtliche Unsicherheiten werden also vorerst bestehen bleiben. Umso wichtiger, dass sich die Unternehmen darauf konzentrieren, ihre Berichtsprozesse effizient und zukunftsorientiert aufstellen. Die Berichtsanalyse hat gezeigt, dass es viel Potenzial zur Reduzierung von Komplexität gibt, ohne Transparenz einbüßen zu müssen.

Hier geht's zur aktuellen Studie von Kirchhoff Consult