Dr. Josef Baumüller, Astrid Leben
Rz. 66
ESRS S1-6 sieht vor, dass berichtspflichtige Unternehmen Schlüsselinformationen zur Struktur der Arbeitskräfte des Unternehmens offenlegen sollen. Diese Angabepflicht bezieht sich lediglich auf alle Arbeitnehmer der Unternehmen, die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfasst wurden (ESRS S1.AR53), aber nicht auf Fremdarbeitskräfte. Die Intention dieser Offenlegungspflicht ist es, einen Einblick in die Beschäftigungspolitik eines Unternehmens zu geben, einschl. der Auswirkungen der herrschenden Beschäftigungspraxis und i. w. S. der Arbeitsplatzsicherheit. Zudem sollen hilfreiche, kontextbezogene Informationen zur Charakteristik der Arbeitskräfte des Unternehmens bereitgestellt werden, die ihrerseits als Grundlage für die Berechnung von quantitativen Kennzahlen bzw. Indikatoren anderer Offenlegungspflichten dienen (ESRS S1.49).
Rz. 67
Zur Erfüllung dieser Angabepflichten ist zusätzlich zu ESRS 2.40(a)(ii) Folgendes vorgesehen:
- Es ist darzulegen, wie viele Arbeitnehmer – aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Land – in jenen Ländern beschäftigt werden, in denen mind. 50 Arbeitnehmer und zumindest 10 % der Gesamtzahl seiner Arbeitnehmer tätig sind (ESRS S1.50(a)). Beide Schwellenwerte (50 Arbeitnehmer, 10 % der Gesamtzahl der Arbeitnehmer) müssen gleichzeitig überschritten sein, um diese Berichtspflicht auszulösen.
Darüber hinaus offenzulegen ist die Zahl der folgenden Kategorien von Arbeitnehmern (ESRS S1.50(b)):
- Arbeitnehmer mit unbefristeten Arbeitsverträgen, aufgeteilt nach Geschlecht,
- Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und
- Abrufarbeitskräfte, deren Arbeitszeiten nicht garantiert sind (d. h. jene Arbeitskräfte, die mit einer nicht garantierten Stundenanzahl beschäftigt sind; ESRS S1.AR56), weiter unterteilt nach Geschlecht.
Es wird empfohlen, diese Angaben gem. ESRS S1.50(b) aufgeschlüsselt nach Region darzustellen (ESRS S1.51).
- Zudem ist die Gesamtzahl der Arbeitnehmer, die das Unternehmen im Berichtszeitraum verlassen haben, und die Quote der Arbeitnehmerfluktuation im Berichtszeitraum darzulegen (ESRS S1.50(c)). Für die Berechnung der Arbeitnehmerfluktuation zieht das Unternehmen die Gesamtzahl der Arbeitnehmer heran, die freiwillig oder wegen Entlassung, Eintritt in den Ruhestand oder Tod ausscheiden. Zur besseren Interpretierbarkeit der Quote der Arbeitnehmerfluktuation sollte das Unternehmen seine dazu verwendete Methodik beschreiben (ESRS S1.AR59).
- Gem. ESRS 1.52 kann das Unternehmen optional Arbeitnehmer in Vollzeit- und in Teilzeit, aufgeschlüsselt nach Region und Geschlecht, darstellen. Dem Unternehmen bleibt freigestellt, ob diese Angaben in Vollzeitäquivalent (VZÄ) oder Personenzahl erfolgen.
Rz. 68
Die angeführten Angabepflichten können als Stichtags- oder als Durchschnittswerte erfüllt werden. Die Ausführungen in den Anwendungsanforderungen legen die Empfehlung nahe, sie als Durchschnittswerte anzugeben, da damit unterjährige Entwicklungen besser erfasst werden können und v.a. ein Bezug zu den Angaben über die Fluktuation hergestellt wird (ESRS S1.AR57).
Ein befristetes Arbeitsverhältnis liegt dann vor, wenn der vereinbarte Endzeitpunkt des Vertragsverhältnisses mit einem bestimmten Kalenderdatum feststeht. Daher ist bei der Angabepflicht gem. ESRS S1.50(b) "Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen" zu beachten, dass neu rekrutierte Arbeitnehmer, die im Berichtszeitraum eine Probezeit absolviert haben, nicht in der Kategorie "Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverhältnissen" anzuführen sind, sondern unter unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zu erfassen sind. Nach BGB darf in Deutschland die Probezeit max. sechs Monate dauern. Es steht Arbeitgebern und -nehmern frei, gar keine oder eine kürzere Probezeit zu vereinbaren. Die Dauer der Probezeit für Arbeiter und Angestellte kann nach österreichischem ABGB bzw. nach AngG max. ein Monat betragen und geht – sofern keine Auflösung erfolgt – in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über. Zu beachten ist, dass auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart werden kann.
Rz. 69
Durch die Angaben gem. ESRS S1.50(c) gewinnt der Berichtsadressat Einblicke in die Stabilität des Beschäftigungsgrads bzw. der Beschäftigungsentwicklung des Unternehmens. Die offenzulegenden Angaben gem. ESRS S1.50(a) und (b) sowie ESRS S1.52 bieten einen Überblick über die Geschlechterverteilung innerhalb des Unternehmens und geben Auskunft über die Ausrichtung des Unternehmens im Hinblick auf die Prinzipien 2 und 3 (Gleichstellung der Geschlechter und Chancengleichheit) der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESRS S1.BC116).
Bei der Frage bzgl. der Aufschlüsselung der Beschäftigungsarten gem. ESRS S1.50(b) weist die EFRAG darauf hin, dass diese Beschäftigungsarten in verschiedenen Ländern unterschiedlich definiert sein können. Demzufolge kann ein Vertrag ohne garantierte Arbeitsstunden zusätzlich als dauerhaft oder auch als vorübergehend eingestuft werden. Ist dies der Fall, sind jene Ar...