Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 32
ESRS S4.7 verweist auf die allgemeinen Angabeanforderungen des ESRS 2, insbes. zum Abschnitt über die Strategie (SBM) und die dort geforderten Angaben. Gerade in der Übergangsphase und bei der Wesentlichkeitsbetrachtung ist daher zu beachten, dass die Angaben nach ESRS 2 nicht den Wesentlichkeitsbeschränkungen unterliegen und daher stets notwendig sind. Zudem unterliegen sie nicht der Übergangserleichterung. Dagegen sind die direkt in ESRS S4 geforderten Angaben der Wesentlichkeitsbetrachtung zu unterwerfen, wobei jedoch der Zirkelbezug zu den Angabepflichten nach ESRS 2 zur Wesentlichkeitsanalyse mit den Angabepflichten IRO-1 zur Beschreibung der Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen und IRO-2 zu den in den ESRS enthaltenen und von der Nachhaltigkeitserklärung des Unternehmens abgedeckten Angabepflichten zu beachten ist.
Unternehmen mit nicht mehr als 750 Beschäftigten brauchen die Angabepflichten des ESRS S4 erst zwei Jahre nach der Erstverpflichtung zu beachten. Wie auch im Jahresabschluss bedeuten diese Wahlrechte, dass sie einzeln ausgeübt werden dürfen, d. h., es ist stets und auch nur für Einzelangaben eine freiwillige Berichterstattung möglich. U. E. dürfte im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung die etwa bei Offenlegungserleichterungen im Jahresabschluss diskutierte Frage, ob unter Berufung auf die Interessenslage der Gesellschaft respektive der Gesellschafter bei Fehlen einer entsprechenden Regelung in den Statuten der Gesellschaft eine faktische Pflicht zur Inanspruchnahme des Wahlrechts gesehen oder eine solche zumindest für denkbar gehalten wird, weniger relevant sein. Daher scheidet auch ein Zwang zur Nutzung des vom Verordnungsgeber explizit eingeräumten Wahlrechts u. E. aus. Die Pflicht der Unternehmensführung, zum Wohle des Unternehmens zu handeln, kann eine Pflicht zum Verzicht der Berichterstattung vor dem Hintergrund der Informationsfunktion des Lageberichts kaum rechtfertigen. Viele in der Praxis zu beobachtende freiwillige Verzichte auf die Inanspruchnahme von Aufstellungs- und Offenlegungserleichterungen sowie schon bislang viele freiwillige Nachhaltigkeitsberichte belegen das Interesse von Unternehmen an einer transparenten und umfangreicheren Darstellung.
Andersherum ist allerdings auch zu diskutieren, ob das Wahlrecht bei der Bericht erstellenden Institution liegt oder ob nicht letztlich die Interessen der Stakeholder an den Informationen höher zu gewichten sind und daher diese die Angaben, etwa aufgrund einer im Stakeholder-Dialog festgestellten Wesentlichkeit, erzwingen können. Diese Umkehrung der Wahlmöglichkeit ist etwa in den IFRS verankert, nach denen das Ziel der tatsachengetreuen Darstellung vor den Interessen der Bericht erstattenden Institutionen geht. Dagegen spricht, dass der Regulator die Übergangsvorschriften explizit eingeräumt und begründet hat mit der Wirtschaftlichkeit. Ansonsten fehlt – wie in der Bilanz-RL EU/2013/34 – in der CSRD und den ESRS der allgemeine Verweis auf die Wirtschaftlichkeit als Berichterstattungsprinzip (die übrigen Prinzipien der Berichterstattung sind in ESRS 1 analog zum Rahmenkonzept des IASB verfasst; § 3 Rz 19). In ESRS 1.AR17, ESRS E2.39, ESRS E3.33, ESRS E4.45, ESRS E5.43 werden punktuell Erleichterungen beschrieben, wenn unangemessene Kosten entstehen könnten. Daher dürften Unternehmen die alleinige Hoheit über die Anwendung der Übergangserleichterungen haben, ggf. anders als bei den zahlreichen dauerhaften Wahlangaben in den ESRS.
Fraglich ist, ob das Wahlrecht in zeitlicher Hinsicht nur stetig genutzt werden darf, d. h., wenn eine freiwillige Angabe im ersten Jahr erfolgt, dann auch im zweiten Jahr die Angabe zu erfolgen hat. Weder in der CSRD noch in den ESRS wird ein Stetigkeitsgrundsatz für die Phase-in-Phase postuliert. Allerdings fordert ESRS 1, App. B QC10 die zeitliche und sachliche Stetigkeit der Angaben, die ein Unternehmen in seiner Nachhaltigkeitsberichterstattung tätigt vor dem Hintergrund der damit besseren Vergleichbarkeit. Während die Bilanz-RL für den Lagebericht keine Stetigkeit der Angaben verlangt, wird in DRS 20.26 der Stetigkeitsgrundsatz für die Lageberichterstattung auf Basis einer Rechnungslegungsempfehlung, die bei Einhaltung die Beachtung der GoB für die Konzernlageberichterstattung vermuten lässt (§ 342q Abs. 2 HGB), für Inhalt und Form des Konzernlageberichts gefordert. U. E. handelt es sich bei der Phase-in-Phase jedoch um die Erleichterung der Berichterstattung für die Unternehmen, weshalb die (zeitliche) Stetigkeit der Nutzung der Wahlrechte zwar zu empfehlen ist, aber nicht gefordert werden kann – ESRS 1, App.B QC10 bezieht sich auf die üblichen Angaben und nicht auf die Wahlrechtenutzung beim Phase-in.
ESRS S4.7 fordert folgerichtig, die sich aus ESRS S4 ergebenden Angaben i. V. m. den Angaben zur Strategie (SBM) des ESRS S2 vorzunehmen und die nötigen Angaben grds. bei den dortigen Angaben zu veröffentlichen – mit Ausnahme von ESRS ...