Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 89
Bei der Beschreibung der Wirksamkeit der Kanäle, über die Verbraucher und/oder Endnutzer ihre Anliegen und Bedenken vorbringen können, kann sich das Unternehmen nach ESRS S4.AR24 von den folgenden Fragen leiten lassen, die auf den "Wirksamkeitskriterien für außergerichtliche Beschwerdeverfahren" basieren, wie sie in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte im UN-Leitprinzip 31 dargelegt sind. Die nachstehenden Überlegungen können für jeden einzelnen Kanal oder für das kollektive System von Kanälen angewandt werden und helfen bei der Optimierung des Hinweisgebersystems, um die Wirksamkeit, über die zu berichten ist, sinnvoll einschätzen zu können:
- Sind die Kanäle legitimiert, indem sie eine angemessene Rechenschaftspflicht für faires Verhalten gewährleisten und das Vertrauen der Stakeholder stärken?
- Sind die Kanäle den Stakeholdern bekannt und zugänglich?
- Verfügen die Kanäle über bekannte Verfahren, festgelegte Zeitpläne und klare Vorgehensweisen?
- Gewährleisten die Kanäle einen angemessenen Zugang zu Informationsquellen, Beratung und Fachwissen?
- Bieten die Kanäle Transparenz, indem sie sowohl den Beschwerdeführern ausreichende Informationen zur Verfügung stellen als auch ggf. den betroffenen öffentlichen Interessen entsprechen?
- Stehen die von den Kanälen erzielten Ergebnisse im Einklang mit den international anerkannten Menschenrechten?
- Ermittelt das Unternehmen Erkenntnisse aus den Kanälen, die ein kontinuierliches Lernen sowohl bei der Verbesserung der Kanäle als auch bei der Verhinderung künftiger Auswirkungen unterstützen?
- Setzt das Unternehmen auf den Dialog mit den Beschwerdeführern als Mittel zur Erzielung einvernehmlicher Lösungen, anstatt zu versuchen, das Ergebnis einseitig zu bestimmen?
Rz. 90
ESRS S4-3 verlangt von den Unternehmen eine Erklärung, ob und wie sie wissen, dass Verbraucher und Endnutzer die Strukturen oder Prozesse der Beschwerdemechanismen kennen und darauf vertrauen, dass sie ihre Anliegen oder Bedürfnisse vorbringen können und sich darum gekümmert wird. Dies entspricht dem UN-Leitprinzip 31, nach dem Beschwerdemechanismen legitim, zugänglich, vorhersehbar, gerecht, transparent, mit den Rechten vereinbar, eine Quelle kontinuierlichen Lernens sein und auf Einbeziehung und Dialog beruhen sollten. Auch in den OECD-Leitsätzen heißt es, dass Beschwerdemechanismen auf operativer Ebene ein wirksames Mittel zur Abhilfe sein können, wenn sie die Kernkriterien Legitimität, Zugänglichkeit, Berechenbarkeit, Gerechtigkeit, Vereinbarkeit mit den Leitsätzen und Transparenz erfüllen und auf Dialog und Einbeziehung beruhen, um einvernehmliche Lösungen zu finden (ESRS S4.BC77). Der Berichtsrahmen der UN-Leitprinzipien (C6.2) leitet die Unternehmen ausdrücklich dazu an offenzulegen, woher sie wissen, ob die Menschen sich eingeladen fühlen und es ihnen möglich ist, Beschwerden oder Bedenken vorzubringen. Die diesbzgl. relevanten Informationen umfassen auch den Nachweis, dass die Beschwerdemechanismen von den angesprochenen Personen oder Gruppen genutzt werden. Zudem sollten Befragungen von Verbrauchern und Endnutzern vorgenommen werden, um Informationen über die Nutzung der und das Vertrauen in die Beschwerdekanäle zu eruieren (ESRS S4.BC78).
Rz. 91
Mit ESRS S4.27 wird die Offenlegung fehlender Verfahren verlangt, wenn ein Unternehmen die mit ESRS S4-3 geforderten Informationen nicht offenlegen kann, weil es keinen Kanal für die Meldung von Bedenken eingerichtet hat und/oder die Verfügbarkeit von Beschwerdemechanismen i. R. d. Geschäftsbeziehungen nicht unterstützt. Das Unternehmen kann einen Zeitrahmen angeben, innerhalb dessen es einen solchen Kanal oder solche Verfahren einrichten will.
Rz. 92
Im Lauf der Entwicklung des ESRS S4 wurde eine weitere Angleichung an die internationalen Sorgfaltspflichtinstrumente (d. h. UNGP und OECD) vorgenommen, um den Zusammenhang zwischen diesen Kanälen zur Äußerung von Beschwerden und dem allgemeinen Ansatz des Unternehmens zur Abhilfe – einschl. der Bewertung der Wirksamkeit der Abhilfe – ausdrücklicher zu beschreiben (ESRS S4.BC71).
Rz. 93
Als zusammenfassendes Beispiel für eine mögliche Angabe nach ESRS S4-3 kann die Haspa dienen.
Praxis-Beispiel Haspa
„25. a) Allgemeiner Ansatz und Verfahren für die Durchführung von oder die Beteiligung an Abhilfemaßnahmen
Kundenbeschwerden sehen wir als Chance, uns zu verbessern. Der Dialog mit kritischen Kunden ist für uns eine Selbstverständlichkeit, unabhängig davon, ob es sich z. B. um ein persönliches Gespräch oder um eine Kommunikation über soziale Medien handelt. Wir haben ein aktives Beschwerdemanagement im Haus etabliert und entwickeln dieses stetig weiter. In dessen Rahmen analysieren wir alle Kundenäußerungen, um kontinuierlich potenzielle Fehlerquellen zu entdecken und unser Angebot im Sinne der Kunden weiterzuentwickeln.
Alle Kunden und potenzielle Kunden (z. B. Einzelpersonen, Organisationen oder Unternehmen), die von den Aktivitäten der Haspa berührt werden, können Beschwerde einlegen. Für...